Glosse: Dustin kann Handys nicht ausstehen

9.12.2018, 05:58 Uhr
Das ist nicht Dustin, sondern ein Artgenosse - ob dieses Pferd auch so allergisch auf Handys reagiert wie Dustin, das wissen wir nicht.

© dpa Das ist nicht Dustin, sondern ein Artgenosse - ob dieses Pferd auch so allergisch auf Handys reagiert wie Dustin, das wissen wir nicht.

Nie waren wir so kommunikativ wie heute. Handy und Internet sind unsere ständigen Begleiter. Facebook und Twitter sowieso. Jeder und jede aus dem Bekannten- und Freundeskreis sollen schließlich so schnell wie möglich wissen, was zuhause auf dem Abendessen-Tisch kredenzt wird. Und vor allem, ob’s geschmeckt hat.

Und ganz wichtig: Wenn der Sohn wieder mal an einem Schnupfen leidet oder die Tochter in der Schule eine Note schlechter als drei eingefangen hat. Diese Nachrichten braucht die (kleine) Welt um uns rum möglichst unverzüglich.

Auch der Kaiser...

Kommunikation ist eben alles. Dazu gehört natürlich auch das Schielen im Minutenabstand aufs Handy-Display, ob zwischenzeitlich jemand versucht hat, uns zu erreichen, um ganz Wichtiges mitzuteilen. Man könnte ja etwas verpasst haben, während man einige Minuten lang ein Örtchen aufgesucht hat, zu dem – so zumindest der Volksmund – auch der Kaiser zu Fuß hingeht.

Herrje, schon piepst und vibriert es wieder. Was sich da wohl irgendwo ereignet haben mag? Also, ganz schnell das Handy zur Hand und nachschauen. Schließlich will man ja nichts versäumen.

Das denken sich wohl auch Kinderwagen schiebende Mütter, die beim Stadtbummel die Freundin oder den Mann updaten müssen per Textnachricht oder Anruf, wo man gerade mit dem Nachwuchs unterwegs ist. Schließlich kann sich das Baby gefälligst alleine umschauen, ob es Interessantes zu entdecken gibt. Die digitale Welt kann schließlich nicht warten. Und wir erst recht nicht.

Mehr als nur Beiwerk

Wissen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, eigentlich, dass Pferde lieber die ganze Aufmerksamkeit des Menschen genießen wollen als nur Beiwerk im Zusammensein mit dem Reiter oder der Reiterin zu sein? Da kommt uns nämlich ein Erlebnis in den Sinn, das eindrucksvoll zeigt, was wirklich wichtig ist – jenseits aller virtueller Kontakte.

Als Gast neulich mal auf einem Reiterhof wurde uns der edle Vierbeiner Dustin vorgestellt, ein Quarterhorse, von seiner Besitzerin heiß geliebt und für viele Qualitäten geschätzt.

Als Pferde-Neuling geht man erst einmal nicht davon aus, dass es einen enormen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert, nachdem der Vierbeiner von der Weide geholt ist und der Programmpunkt "Ausreiten" ansteht? Es ist auf jeden Fall nicht so wie bei einem Ausflug mit dem Auto: Per Fernbedienung die Tür aufschließen, einsteigen, den Schlüssel ins Zündschloss stecken, drehen und los fahren.

Ein bisschen langweilig

Dustin muss erst geputzt, gehätschelt und liebkost werden, ehe irgendwann der Sattel aufgelegt werden kann, um eine lange Runde durch die Natur zu drehen. Der Vierbeiner will die ganze Aufmerksamkeit.

Solches hat der Autor dieser Zeilen erfahren – und zwar irgendwie schmerzlich (und teuer). Nach 20 Minuten Dustin-Pflege und gespanntem Warten, wann es denn endlich losgehen kann, ist es dem Stadt-Menschen ein bisschen langweilig geworden, die Vorbereitungen der Reiterin scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Was tun? Ganz einfach: Das Handy aus der Tasche holen, nachgucken, welche Botschaften zwischenzeitlich eingegangen sind, ob irgendwelche Antworten keinen Aufschub dulden.

Ein derart abgelenkter Mensch hat Dustin kein bisschen gefallen. So schnell konnte unsereiner überhaupt nicht reagieren: Dustin hat mit seinem prächtigen Schweif ausgeholt und dem ungeduldigen Stadt-Menschen das Handy kurzerhand aus der Hand geschlagen. Das edle Teil knallt aufs Pflaster und – Sie können es sich wahrscheinlich schon denken – das Display hat einen Sprung.

Kein Totalschaden

Nicht so schlimm, lautet die Feststellung, als das Handy aufgeklaubt und wieder in die Hand genommen ist. Das Glas ist nur in einer Ecke zerborsten, das Display ist weiter gut abzulesen, kein Totalschaden.

Es gehen einige Monate ins Land. Und Dustin lässt mit seiner Lektion nicht locker. Denn das Display beginnt sich mehr und mehr zu verfinstern, bis es fast nicht mehr lesbar ist. Einziger Ausweg: Es muss ein neues Mobiltelefon angeschafft werden. Oder vielleicht liegt ja eines unter dem Weihnachtsbaum.

Und die Lektion von der Geschichte: Mit Lebendigem in Kontakt zu bleiben, ist wichtiger als das Verweilen in der virtuellen Welt digitaler Botschaften.

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