Glosse: Es ist nicht alles Heimatgold, was sommerglänzt

16.7.2017, 05:58 Uhr
Neunziger-Party in Schwabach? Wir fordern Marusha!

© oh Neunziger-Party in Schwabach? Wir fordern Marusha!

Nach dem "Sommerglanz" jetzt also das "Heimatgold": Eine Schwabacher Großveranstaltung jagt die nächste im Jubiläumsjahr, und wir sind wie immer mittendrin. Diesmal schnüren unsere Kultur-Koryphäen gw und stt ein Berichterstattungs-Paket, das dem Rolling-Stone-Magazin Ehre machen würde. Außerdem meeten und greeten wir Michael Patrick Kelly, gemeinsam mit den Gewinnern unserer Verlosung.

Apropos meeten und greeten: Wenn man eines den Schwabacher Machern nicht vorwerfen kann, dann Anbiederung an die Jugend durch möchtegern-coole Denglisch-Namen für ihre, ähem, Events. "Summergloss" oder "Summershine" kämen nicht annähernd so gut rüber wie das geradezu poetische "Sommerglanz". Und "Heimatgold" könnte zwar glatt als Volksmusik-Sause mit Silbereisen durchgehen, es ist aber geradezu unübersetzbar und klingt irgendwie nach guter, alter Zeit – anheimelnd eben.

Ein großes Aber

Gut, der Glanz und das Gold sind, was Schwabach angeht, nicht mehr das Super-Originellste, was einem einfallen könnte. Heutzutage braucht eben jede Stadt einen Unique Selling Point, pardon, ein Alleinstellungsmerkmal.

Aber. Und jetzt kommt das große Aber: Beim Freiluft-Festival spielen Andreas Kümmert, Wincent Weiss, Christina Stürmer und Michael Patrick Kelly. Kümmert ist Unterfranke, das geht ja noch. Wobei man bei Aschebersch ja bekanntermaßen Wein trinkt und hessisch babbelt. Weiss ist Ostholsteiner. Stürmer ist Österreicherin. Und Michael Patrick Kelly ist Sohn amerikanischer Eltern, der in einem Wohnwagen in Dublin geboren wurde.

Da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als in waschechter AfD-Empörung auszurufen: Das verstehen wir aber nicht unter Heimat! Das wird man ja wohl mal sagen dürfen.

Konstruktive Kritik

Allerdings wollen wir nicht nur motzen, sondern konstruktive Kritik äußern. Deshalb erlauben wir uns, als fränkische Patrioten, für das kommende Jahr einen Vorschlag zu machen: Bei "Heimatgold II – Jetzt erst recht" gibt’s am Martin-Luther-Platz am Samstag den 90er-Jahre-Abend mit den zwar alten, aber noch immer weltberühmten Nürnberger Dance-Acts Captain Hollywood und Marusha. Neunziger-Parties liegen schließlich total im Trend.

Marusha könnte sich Schwabacher Blattgold-Glitzer ins Gesicht pudern und alle Zuschauer, die in den 90ern jung waren (der Autor inbegriffen), müssten bauchfrei kommen. Außerdem würden die Techno-Bässe die Turmfalken in der Stadtkirche auf ewig verjagen. So könnte Kollege he nächsten Sommer jeden zweiten Tag auf den Turm steigen und die Störche fotografieren – falls die nicht auch längst "Somewhere over the Rainbow" geflüchtet sind.

Nicht zu toppen?

Am Sonntag heißt es dann ebenso: Music made in Mittelfranken! Zuerst spielt eine der durchaus vorhandenen jungen, lokalen Gruppen, "A Tale of Golden Keys" beispielsweise oder "Dead Stag" (zugegebenermaßen ziemlich englische Namen). Dann heizen "Smokestack Lightnin’" (dito) der Menge ein, angeführt vom Schwabacher Bernie Batke, der seine musikalische Grundausbildung in der renommierten Talentschmiede des Eschenbach-Gymnasiums genießen durfte.

Nicht zu toppen, wird das Publikum denken. Aber wir haben noch ein Ass im Ärmel: Den Abend beschließen die Wendelsteiner "Awo-Rockers" – die "Recken von Rock ’n’ Roll und Beat", wie sie Mitarbeiter jör, unser Mann in Wendelstein, völlig zurecht getauft hat. Gegen so viel geballtes Heimatgold kann Christina Stürmer einpacken.

Ach ja, in zwei Jahren heißt es dann: "Heimatgold III - Die Rückkehr der Goldschläger", mit Luigi & Stephano, Günter Stössel und DJ Ochsenreither. Vielleicht könnte man sogar die Kollegen rj und jk überreden, ein paar ihrer kongenialen Tagblatt-A-Capellas zum Besten zu geben. Aber dann müsste man über einen Umzug ins Max-Morlock-Stadion nachdenken.

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