Glosse: Tausende Einreisewillige in der Transitzone

25.3.2018, 05:58 Uhr
Hitchcock hat's vorausgeahnt: Die Vögel kommen.

© ARD Hitchcock hat's vorausgeahnt: Die Vögel kommen.

Haben Sie’s schon gehört? Am Bodensee, wahrscheinlich auf schweizer und österreichischer Seite, sitzen tausende von Zugvögeln fest. Der in Hilpoltstein beheimatete Landesbund für Vogelschutz (LBV) vermutet, dass Drosseln, Kiebitze und Lerchen erstens auf wärmeres Wetter und zweitens auf günstigeren Wind warten. Das kann noch etwas dauern.

Eine andere Theorie besagt, dass der Grenzschutz einfach wieder besser funktioniert, seitdem Horst Seehofer in Berlin das Kommando über alle inneren Angelegenheiten in der Republik übernommen hat. Und dass der Bodenseeraum eine der ersten grenznahen Transitzonen ist, für die die CSU schon so lange kämpft. Schließlich kann nicht jeder zu uns, bloß weil er das will.

Höchste Alarmbereitschaft

Dass Zugvögel bekanntlich vor allem aus Afrika einreisen wollen, macht sie noch verdächtiger als ohnehin und hat den neuen Innenminister in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Schließlich sollen sich Szenen wie auf der Balkanroute 2015, als auf diesem Weg Zehntausende unkontrolliert ins Land gezogen sind, nicht wiederholen.

Doch welche Zugvögel sollen jetzt einreisen dürfen, welche müssen draußen bleiben? Mit ordentlichen Papieren, wie es die AfD immer fordert, können unsere gefiederten Freunde vermutlich nicht dienen. Im Zweifelsfall haben sie ihre Ausweise beim Flug über das Mittelmeer bestimmt weggeworfen.

Wer entscheidet?

Was das Zugvogel-Management zusätzlich erschwert: Hierzulande gibt es bislang weder ein richtiges Einwanderungsgesetz noch eine ordentliche Aufstellung darüber, welche Vögel man brauchen könnte, welche man aus ornithologischen Gründen dulden müsste, welche man später abschieben und welche man gleich an der Grenze abweisen sollte.

Und dann: Wer sollte über die Einreise eigentlich entscheiden? Aus Sicht der Politik stehen Vogelasylhelferkreise, zum Beispiel der LBV, seit jeher in Verdacht, viel zu unkritisch und zu großzügig zu sein. Auf der anderen Seite mangelt es den Mitarbeitern des Nürnberger Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die in den vergangenen zwei Jahren fleißig richtige Asylanträge abgearbeitet haben, am nötigen Fachwissen. Sie müssten also erst noch umgeschult werden. Das wiederum kostet Zeit.

Minus 30 Grad

Zeit, die die Zugvögel am Bodensee nicht mehr haben. Außer, uns ereilt noch ein Winter wie anno 1708/1709, als in Europa von Skandinavien bis Italien, von Polen bis Portugal ganze Familien in ihren Häusern erfroren, als der Bodensee zufror und es in Berlin minus 30 Grad kalt war, als man noch im April zu Fuß vom italienischen Festland aus nach Venedig über das zugefrorene Mittelmeer spazieren konnte, als man das hartgefrorene Brot mit der Hacke teilen musste und als es noch nicht einmal mehr am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. richtig warm wurde.

In diesem kältesten Winter der letzten 500 Jahre plumpsten die Vögel, auch die Zugvögel, wie Steine tot zu Boden. Vermutlich, noch ehe sie an der deutschen Grenze "Asyl" zwitschern konnten.

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