Glosse: Was riecht denn da so komisch?

4.11.2018, 05:58 Uhr
Mmmmh, Birnen. Von wegen! Wir haben es im Goldrichtig mit einem Exemplar zu tun, das über den frischen, knackigen Zustand weit hinaus ist.

© Privat Mmmmh, Birnen. Von wegen! Wir haben es im Goldrichtig mit einem Exemplar zu tun, das über den frischen, knackigen Zustand weit hinaus ist.

Sehr geehrte Polizei Schwabach,

in diesen Tagen haben Sie ja besonders viel zu tun. 17 Verletzte mit Atemwegsstörungen und ein geräumtes Einkaufszentrum, aber keine Ursache — vom Täter gar nicht zu reden. Da laufen die Ermittlungen sicher auf Höchsttouren.

So ein bisschen kann ich Ihnen helfen. Das ist meine staatsbürgerliche Pflicht. Außerdem will ich nicht ins Gefängnis. Deshalb mein kleiner Hinweis fürs Ausschlussverfahren: Ich war’s nicht.

Anderslautende anonyme Aussagen meiner Kollegen sind falsch. Nachweislich falsch. Denn erstens habe ich ein Alibi: einen Abendtermin mit locker zwei Dutzend Leuten. Vor allem aber: Ich verseuche allenfalls Dienstautos, für ein großes Einkaufszentrum bin ich ein viel zu kleiner Fisch.

Es begann ganz harmlos

Chronologie einer Peinlichkeit.

Donnerstag vergangener Woche, 18 Uhr: Alles beginnt mit einer ganz normalen Fahrt zu einem Termin in Unterreichenbach. In den wenigen Minuten habe ich plötzlich so einen beißenden Geruch in der Nase. Ist das Essig? Essig im Dienstauto? Kann nicht sein. Ich parke, gehe zum Termin.

21 Uhr: Ich fahre nach Hause. Wieder riecht es irgendwie nach Essig. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein. War ein langer Tag.

21.10 Uhr: Zuhause lasse ich meinen Rucksack mit Unterlagen und Schreibblock einfach im Auto, morgen brauche ich sie ja eh wieder.

Luft anhalten!

Freitag, 8 Uhr: Als ich die Autotür öffne, kommt mir eine Wolke entgegen. Es ist, als wollte jemand unseren alten Polo entkalken. Kein Zweifel, das riecht wie Essigessenz. Wie eine Wagendusche mit Essigessenz. Ich lüfte ein paar Minuten, dann zwinge ich mich hinters Steuer, fahre alle vier Fenster herunter und halte die Luft an.

8.15 Uhr: Die Kollegen fragen mich, ob ich in Essig gebadet habe. Es ist eine Zumutung. Der Gestank hängt in der Jacke und im Rucksack. Sofort lege ich beide ins Freie.

8.20 Uhr: Redaktionskonferenz rund ums Dienstauto. Wir hängen unsere Nasen in den Motor, schnüffeln an den Sitzen, räumen alles aus, was sich bewegen lässt. Von Essig keine Spur. Nur der unerträgliche Geruch. Wir reißen alle fünf Türen auf. Da hilft nur Dauerlüften.

8.30 Uhr: Ich durchsuche meinen Rucksack. Völlig unnötig, aber sicher ist sicher. Stadtratsunterlagen, Schreibblock, Leckerli für den Hund, die Packung Pflaster, sieben Kugelschreiber, ein Taschenmesser, eine Tüte Bonbons — alles, nur kein Essig.

Ich esse keine Birnen

8.45 Uhr: Es lässt mir keine Ruhe. Wozu gibt es Profis? Ich rufe in der Werkstatt an. Eine sympathische Frauenstimme ist hörbar erheitert — und ebenso ratlos. Defekte Klimaanlagen würden eventuell nach faulen Eiern riechen. Aber Essig? "Nie gehört, sorry."

17 Uhr: Im Auto ist das Schlimmste verzogen. Durchatmen. Ich kann beruhigt nach Hause, hole Jacke und Rucksack wieder herein. Die Jacke riecht wieder nach Jacke, der Rucksack aber stinkt noch immer wie am Morgen. Rucksackdurchsuchung, die zweite: Diesmal räume ich sogar die Packung Tempo aus der kleinen Seitentasche — und ersticke fast. Darunter liegt das, was irgendwann wohl mal eine Birne gewesen könnte. Eine Birne! Wie das denn? Ich esse keine Birnen.

17.05 Uhr: Hektisch suche ich in der Redaktion nach einem Gelben Sack, stopfe den Rucksack hinein, schnüre so luftdicht wie möglich zu. Diesmal fahre ich mit meinem eigenen Wagen heim. Der muss nicht das zweite Opfer werden.

Die Frau weiß alles

17.20 Uhr: Mit Plastikhandschuhen entsorge ich den Birnenrest im Kompost, dann werfe ich den Rucksack in die Waschmaschine. Die Menge Waschmittel verzehnfacht meinen ökologischen Fußabdruck.

17.30 Uhr: Meine Frau weiß alles. Sogar, wie eine Birne in meinen Rucksack kommt. Bei der Wanderung in der Fränkischen vor ein paar Wochen, da sei doch dieser einsame Birnbaum gewesen, und da habe sie doch die eine fürs Picknick... — und dann seien wir ja doch zum Schäufele in die Wirtschaft. Seitdem sei die Birne wohl...

Deshalb, liebe Freunde von der Polizei,

ich verstehe ja nichts von Ermittlungstaktik und Kriminaltechnik, aber ich an Eurer Stelle würde sofort mit einer Hundertschaft ins Einkaufszentrum fahren, alle Rucksäcke durchsuchen und jedes Päckchen Tempo zweimal umdrehen. Nur so als kleiner Tipp.

 

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