Goldrichtig: Bis 50 zählen und herrlich entspannen

2.6.2018, 11:54 Uhr
Goldrichtig: Bis 50 zählen und herrlich entspannen

© Foto: Georg Klietz

Gerade in Franken sind sie noch zu finden, und Schwabach stellt da keine krasse Ausnahme dar – zumindest aus Sicht eines Ur- und Wieder-Ansbachers (die Bezirkshauptstadt präsentiert sich bei diesem Thema leider noch nicht wahnsinnig hauptstädtisch).

Den Hiesigen, die Anderes vermuten, sei gesagt: Anderswo ist das Gras des Einzelhandels auch nicht grüner. Nordöstlich und -westlich in der Republik (für alle, deren Erdkunde-Unterricht schon etwas länger her ist: Westen ist auf der Karte links, Osten das andere links) welkt es mehr, als es sprießt.

Der Vergleich fällt, was die tägliche Nahversorgung angeht, meist zugunsten der fränkischen Gefilde aus (sofern man nicht auf den Gedanken kommt, abends nach dem Sechs-Uhr-Läuten noch irgendwas zu brauchen).

Keine Extrawurst

Auch Schwabach brät da glücklicherweise keine Extrawurst und kann mit Metzgern, Bäckern, Schuhgeschäften und vielem mehr aufwarten. Da stehen noch Meister drin, die wissen, wie eine g’scheite Semmel schmecken soll und wie ein abgelatschter Schuh wieder flottgemacht wird.

Die Schwabacher strömen daher zu Recht in diese Einzelhandelsoasen, wo man noch beraten wird und Kinder eine Scheibe Gelbwurst kriegen. Nur manchmal werden sie vielleicht schwach und fahren doch zum Discounter oder shoppen online, dabei zwickt sie allerdings ihr Gewissen. Nicht wahr?

Mega-Trend gehört zu Schwabach

In der Schwabacher Altstadt gibt es aber nicht nur feine Semmeln und gut sortierte Bücherregale. Gemütlich lässt es sich sitzen und Kaffee, Bier oder – wer’s mag – Sprizz schlürfen. Das entspannt, gerade nach einem vielleicht hektischen Tag im Büro, oder wo man sonst halt das zum Getränke-in-der-Gastronomie-Schlürfen nötige Kleingeld verdient.

Das Stichwort dazu lautet: Entschleunigung. Dieser Mega-Trend muss andernorts auf Magazincovern beworben werden – in Schwabach ist er einfach da, gehört dazu, ist bestens integriert.

Sogar die staatliche Verkehrsplanung macht mit und bietet regelmäßig Gelegenheiten, mal zur Ruhe zu kommen und sich für eine Weile aus dem Trubel zu verabschieden. Beispielsweise an der Ecke Ring/Ludwigstraße: Als Fußgänger, eben vielleicht noch abgehetzt, darf man hier vor dem Überqueren ein durchaus längeres Päuschen einlegen. Der Ampelmann zeigt rot, und dabei bleibt es vorerst.

Goldige Erinnerung

Also durchatmen (nicht zu tief hier am Straßenrand), der Pulsschlag wird langsamer, die Beine danken für die Stehphase. Zählen Sie innerlich ganz ruhig bis zehn. Und dann noch mal bis zehn. Dann noch bis 50. Sie sind ganz bei sich. Noch einige Augenblicke. Zählen Sie noch einmal bis zehn. Nun können Sie sich langsam bereitmachen, demnächst Ihren Weg – völlig entschleunigt – fortzusetzen.

Manch Schwabacher ist nun so relaxt, dass er sich an den vermeintlichen Zweck der Ringüberquerung gar nicht mehr erinnern kann. Er dreht sich um und schwebt federleicht davon. Nach Hause ist es schließlich nicht weit. Vielleicht reichen die Vorräte der heimischen Minibar ja noch für einen Sprizz. Und wer weiß, vielleicht wird ja auch diese Ampel irgendwann nur eine goldige Erinnerung sein.

 

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