Im Karussell des ungezogenen Vergnügens

28.2.2011, 08:35 Uhr
Im Karussell des ungezogenen Vergnügens

© Scherbel

Die SPD-Kulturtage boten im Luna-Kino vor schöner Kleinkunstbühnenkulisse gut zwei Stunden lang einerseits ein Quartett von großartig spielenden Saxophonisten auf. Andererseits haben die sich dem Ulk und Klamauk vor, während und nach jeder Note verschrieben.

Zunächst das Wesentliche: die Frage der Fluchtwege aus dem hübschen Theaterkino. Im vollbesetzten Zuschauerraum ist da schon zu ahnen, wer hier wen keineswegs in die Flucht schlagen, aber musikalisch permanent aufs Glatteis führen will.

Sopran-Saxophonist Günter Priesner, Dozent an der Musikhochschule Nürnberg und ebendort „Entdecker“ der anderen drei Saxophongrößen, gibt gleich mal vor, wo’s langgeht bei „Classic & Fun“.

Jeder Ton sitzt in jeder Lage

Die melancholische Anatevka-Melodie „To Life“ intonieren die vier Bläserstimmen noch brav und statisch hinter den Mikroständern stehend. Aber schon kurz nach Charles Chaplins „Limilight“ scheint Tenorsaxophonist Andreas Baur (in dem einige der jungen Leute im Publikum den Musikpädagogen am Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasium wieder erkennen) mal dringend raus zu müssen. Als er wiederkommt, helfen ihm die Kollegen Dirk Eidner am Alt- und Heymo Hirschmann am Baritonsaxophon bereitwillig beim Wiederanziehen, ohne Unterbrechung des eigenen Spiels natürlich. Streckenweise machen sich zwei Mann an einem Instrument zu schaffen und alles sitzt – sowohl die Töne als auch Anzug.

Immer vergnüglicher und rasanter wird die Fahrt im Karussell der musikalischen Frechheiten: die Gehörschutzversion von Beethovens Ode an die Freude verlangt den Spielern punktgenaues crescendo und piano ab – je nachdem, wann Andreas Baur den Kopfhörer abnimmt und wieder aufsetzt. Es wird getorkelt und gefallen, Kimonos und Kunststücke mit schwebenden Saxophonspielern bereichern das bunte Bühnenbild. Denn der scheinheilige erste Eindruck von seriösen Herren in grauen Anzügen hat sich ja eh längst erledigt: Aus Johann Sebastian Bachs „Air“ entwickeln die vier respektlosen Lausbuben eine „Airobic“-Version.

Dann hetzen sie die Tempi so furios durch die Melodie, dass sie ihren Solisten schnaufend schachmatt setzen. Und beim „Baby Elephant Walk“ soll dann auch das Publikum mal ran: kleine Jahrmarkt-Tröten für jeden, und der laute Spaß wird immer doller.

Ungezogen und professionell

Auch als wetteifernde Rosenkavaliere stürmen die Fiasco-Klassiker noch mal runter vor die Bühne, suchen sich schließlich eine Dame und einen Herrn als Drehleierer, die den Musikern auf der Bühne die schwarzen Mäntel auf- und auseinanderdrehen – bis der Gong auf der Bratpfanne ertönt und die Instrumente dann nur noch für Begleitmusik zum wiehernden Gelächter sorgen.

Ein ungezogenes Vergnügen, bar jeder Vernunft, aber reich an musikalischer Profession und bestens geeignet für die Schulung der Zwerchfellmuskulatur.