Integratives Erfolgsrezept

8.4.2011, 08:00 Uhr
Integratives Erfolgsrezept

© Schmitt

Der Schwabacher Integrationsbeirat hat Jubiläum gefeiert. Vor einem Vierteljahrhundert ist er von den ausländischen Bürgerinnen und Bürgern Schwabachs erstmals direkt gewählt worden. Via Bilder und Texte hat Vorsitzende Rezarta Reimann die Gäste im Evangelischen Haus mit auf eine Zeitreise durch 25 Jahre Arbeit für gelingende Eingliederung genommen. Mit einer klaren Botschaft: Der Integrationsbeirat setzt auf nachhaltige Projekte in den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales.

Integratives Erfolgsrezept

Richard Rometsch, Thomas Mantarlis, Ayse Biyik, Carmen Wolfrum, Ivana Güttinger und Hartwig Reimann ließen als Rezarta Reimanns Gesprächspartner Geschichte lebendig werden. Reimann und Rometsch betonten dabei als Zeitzeugen der ersten Stunde insbesondere die breite Zustimmung zur Gründung des Ausländerbeirats, wie das Gremium 1986 noch hieß.

Den Antrag hatte der damalige Erste Bevollmächtigte der IG Metall, das SPD-Stadtratsmitglied Richard Rometsch, über seine Fraktion eingebracht. „Er stieß im Stadtrat auf breite Unterstützung“, erinnerte sich Rometsch. Im Vorfeld hatten sich auch die Junge Union und ihr damaliger Chef Karl Freller für eine eigene Vertretung der ausländischen Bürger stark gemacht.

Einzigartig in ganz Bayern war damals die Direktwahl. Es gab anderswo schon länger Ausländerbeiräte. Ihre Mitglieder aber waren von den Organisationen und Vereinen der Migranten entsandte Delegierte. Die vom damaligen Rechtsrat Kasper Apfelböck initiierte Beteiligung aller Schwabacher Ausländer wurde zum Vorbild.

Der große Zuspruch bei der ersten Wahl im Januar 1986 gab Apfelböck recht. 45,81 Prozent der damals 1076 Wahlberechtigten gingen an die Urnen. Am 10. April findet die Wahl zum neunten Mal statt. Heute sind über 4500 Migranten aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Thomas Mantarlis, 14 Jahre lang Mitglied des Integrationsbeirats und heute Stadtratsmitglied für die SPD, erzählte von den Demonstrationen zu Beginn der 90er Jahre. Sie waren die Reaktion auf ausländerfeindliche Ausschreitungen mit mehreren Toten in Rostock und Mölln. Unter dem Motto „Gemeinsam Handeln – Hass verwandeln“ beteiligten sich annähernd 3000 Schwabacher am ersten Protestzug 1991.

Starkes Engagement

„Die ersten passierten schon die Alte Linde, da standen die letzten noch in der Kaserne“, schilderte Mantarlis den Verlauf der Kundgebung. Prominente Schwabacher wie Pfarrer Gottfried Renner oder der kürzlich verstorbene Vater des Bürgerfests, Karl Horst Wendisch, engagierten sich zu dieser Zeit ebenfalls für ein friedliches Zusammenleben.

Carmen Wolfrum und ihre italienische Folkloregruppe „Tarantella“ stehen für die in der Öffentlichkeit am deutlichsten wahrgenommene, kulturelle Arbeit des Integrationsbeirats. Beim jährlichen Kulturbazar tanzt bereits die dritte Generation. Assunta Pedace-De Cicco aus Kalabrien gehört „Tarantella“ seit der Gründung vor 30 Jahren an und hat sogar noch während der Schwangerschaft getanzt. Heute bilden die 21-jährige Fabiana und ihre Mutter ein Tanzpaar.

Ayse Biyik und Ivana Güttinger repräsentieren zwei Projekte des Integrationsbeirats, die seit vielen Jahren bessere Bedingungen für die berufliche und soziale Integration schaffen. Die Schneiderin aus Ankara hat 1997 die Azubi-Börse ins Leben gerufen, bei der sich deutsche und ausländische Schulabgänger ohne Lehrstelle Kontakte zu Betrieben mit offenen Ausbildungsplätzen verschaffen können. Die Sprachenlehrerin aus Prag leitet seit 2001 Deutsch- und Integrationskurse des Beirats, die in Kooperation mit der Volkshochschule angeboten werden. Durch Beschäftigungsprojekte hat sich der Integrationsbeirat Mitte und Ende der 90er Jahre auch um die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Schwabacher Asylbewerberunterkunft gekümmert.

Für Hartwig Reimann ist es dem Integrationsbeirat zu verdanken, „dass das Zusammenleben hier harmonischer und respektvoller ist als anderswo“. Der Alt-Oberbürgermeister führt die veränderte Sicht auf ausländische Bürger – vom „Roll-Back Mitte der 80er Jahre“ bis zum Integrationsgesetz zu Beginn des 21. Jahrhunderts – insbesondere auf Initiativen in den Kommunen zurück, betonte aber auch einen persönlichen Gewinn. „Für mich sind hier Freundschaften entstanden“, erklärte er und nannte etwa den Vorsitzenden des ersten Ausländerbeirats in Schwabach. „Ich stand mit Yasar Kanli auf dem Fußballplatz und war sein Kollege im Elternbeirat.“