Johannes der Täufer ist endlich heimgekehrt

26.6.2013, 08:06 Uhr
Johannes der Täufer ist endlich heimgekehrt

© Hans von Draminski

Im Zuge der aufwändigen Kirchenrenovierung, die sich wie berichtet bis ins Jahr 2014 ziehen wird, waren schon im März 2011 die kostbaren Altäre aus dem 15. und 16. Jahrhundert abgedeckt und zum Teil ihrer Statuen „entkleidet“ worden. Auch die Kapitelsbibliothek musste aus dem Obergeschoss der Sakristei ausziehen — seither sind im Stadtarchiv über 4000 Bücher und Zeitschriften zwischengelagert.

Die Johannes-Skulptur mit dem Schaf in der linken Hand ist Teil der sogenannten Festtagsseite des spätgotischen Schwabacher Hochaltars, der aus der Werkstatt von Michael Wolgemut, dem Lehrer von Albrecht Dürer, stammt. Fertig wurde der reich mit Gold verzierte Wandelaltar, ein „Polyptychon“ mit drei Bildseiten, im Jahre 1508.

Skulptur auf Tournee

Im Mai 2012 hatte man die aus dem Altar genommene Johannes-Skulptur auf „Tournee“ geschickt: Im Rahmen der Wander-Kunstausstellung „Europa Jagellonica 1386 — 1572“, die in Tschechien, Polen und Deutschland gezeigt wurde, ging auch die Schwabacher Statue auf Reisen. Zunächst war Johannes der Täufer in der Mittelböhmischen Galerie Kutna Hora (dem früheren Kuttenberg bei Prag) ausgestellt, im Herbst 2012 ging es ins Polnische Nationalmuseum im Königlichen Schloss zu Warschau weiter. Letzte Station der Wanderausstellung, die der Herrschaft der litauisch-polnischen Herrscherdynastie der Jagellonen gewidmet war: Potsdam, Residenzstadt der preußischen Könige.

Johannes der Täufer ist endlich heimgekehrt

Die Ausstellung sollte mitteleuropäische Kunst und Kultur erstmals aus transnationaler Perspektive zeigen und daran erinnern, dass im Europa des 14., 15. und 16. Jahrhunderts Grenzen weniger undurchlässig (und bedeutsam) waren, als nach dem Aufkommen der Nationalstaaten.

Das „Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Osteuropas an der Universität Leipzig“ legte sich übrigens im Vorfeld der Ausstellung fest und ordnete den Schwabacher Altar Veit Stoß selber und nicht nur seiner Werkstatt zu.

Die Leipziger Wissenschaftler nennen den Altar und mithin auch die zugehörige Johannesskulptur eines von Stoß’ Hauptwerken. Ein Hauptwerk, das sich in erstaunlich gutem Originalzustand erhalten hat: Das großzügig auf die Statue applizierte Blattgold strahlt, die Farben etwa des ausdrucksvollen Gesichts leuchten wie am ersten Tag.

Der hölzerne Johannes, den Veit Stoß um 1500 aus einem Lindenstamm formte, ist gut 1,80 Meter groß — was im Kontext der im Vergleich zu heute eher klein gewachsenen Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit eine überlebensgroße Darstellung bedeutet.

Für die Europatournee des Heiligen wurde eine maßgeschneiderte, eigens für die Skulptur entworfene und gebaute „Klimabox“ eingesetzt, in der im geschlossenen Zustand die gleichen klimatischen Verhältnisse wie in der Stadtkirche herrschen — einschließlich der Luftfeuchtigkeit von rund 75 Prozent. Zu starke klimatische Schwankungen hätten den Zustand des jahrhundertealten Holzes gefährden und vielleicht sogar Rissbildung auslösen können.

Als per Schlagschrauber im Seitenschiff die Schrauben des wuchtigen „Sarges“ geöffnet werden, ist die Spannung groß — und löst sich schnell: Johannes der Täufer hat seinen einjährigen Europatrip unbeschadet überstanden, kein Kratzer, keine abgeriebene Kante ist an dem unschätzbar wertvollen Kunstwerk auszumachen. Geschafft.

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