Jugendrichter Hader: Ruf nach Abschiebung typisch und falsch

14.1.2016, 08:35 Uhr
Jugendrichter Hader: Ruf nach Abschiebung typisch und falsch

© Foto: Staudt

Wie ist die Gesetzes- und die Rechtslage? Wir sprachen darüber mit Jugendrichter Reinhard Hader, dem stellvertretenden Leiter des Schwabacher Amtsgerichts.

Herr Hader, hatten Sie selbst als Jugendrichter schon mit straffällig gewordenen Asylbewerbern zu tun?

Reinhard Hader: Ich hatte noch gar keinen Fall, in dem ein Flüchtling angeklagt war. Nur einmal war ein junger Mann als Zeuge geladen. In der Diskussion um schnellere Abschiebung sind allerdings auch nicht die Gerichte zuständig, sondern die Verwaltung von Stadt oder Landratsamt. Ich verurteile einen Straftäter nur – etwa zu einem Arrest oder einer Jugendstrafe. Aber was die Verwaltung dann macht, darauf hat die Justiz keinen Einfluss.

Wann greift denn die Abschiebemöglichkeit?

Hader: Dass die überwiegend jungen Männer zwischen 16 und 30 Jahren, die hier ankommen, erst einmal froh sind, hier zu sein, keine Angst haben zu müssen und etwas zu essen zu haben, ist klar. Aber dass sie eine Perspektive haben wollen – Arbeit, Wohnung oder auch eine Frau – das ist auch klar, und dass nach einiger Zeit des Aufeinanderhockens in den Gemeinschaftsunterkünften Aggressionen entstehen, ist auch klar.

Aber dass die Politik jetzt darauf reagiert mit dem Ruf nach schnellerer Abschiebung, das halte ich für typisch und falsch: Denn erstmal muss man an die Täter überhaupt rankommen. Ob die Aussagen der Opfer in Köln oder den anderen Städten tatsächlich für eine Verurteilung ausreichen, ob die Frauen bei einer Gegenüberstellung tatsächlich die Täter erkennen können, das kann ich mir nicht vorstellen. Das Problem ist also nicht die härtere Strafe oder die schnellere Abschiebung, sondern überhaupt die Verurteilung.

Gilt das für all die Straftaten in der Silvesternacht?

Hader: Bei den Diebstählen über den sogenannten „Antanztrick“ ist es vielleicht noch eher möglich, da geht es nur um den Dieb und den Bestohlenen. Aber wenn so viele Menschen um einen herumstehen, drängen, grabschen – wie soll es möglich sein, das jemandem konkret nachzuweisen.

Also eher ein praktisches Problem?

Hader: Ja, deshalb nutzen die Forderungen nach schnellerer Abschiebung nichts. Aber die Stimmung im Land kippt, so glaube ich, trotzdem gerade.

Was passiert denn, wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die noch gar nicht strafmündig sind, eine Straftat begehen – wenn sie denn verurteilt werden können?

Hader: Gar nichts. Da haben wir leider weder bei deutschen noch bei ausländischen Kindern unter 14 Jahren eine Möglichkeit. Allerdings habe ich auch noch keinen derartigen Fall erlebt. Es gibt nur die familienrechtliche Schiene: Wenn das Kind psychisch auffällig ist, kann es mit Genehmigung und auf Antrag der Eltern in eine sozialtherapeutische Einrichtung eingewiesen werden. Aber davon gibt es sowieso zu wenige, und für ausländische Kinder – ohne die Kenntnis der deutschen Sprache – ist das noch schwieriger.

 

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