Kanalbruch 1979: Als in Katzwang die Welt unterging

23.3.2019, 14:58 Uhr
Ein Bild der Verwüstung - Katzwang nach dem Dammbruch.

© privat Ein Bild der Verwüstung - Katzwang nach dem Dammbruch.

Um 18 Uhr laden unter der Losung "Die Schöpfung bewahren" die evangelische und die katholische Gemeinde Katzwangs zu einer ökumenischen Andacht beim Gedenkstein an der Bruchstelle (am Ende der Penzendorfer Straße) ein. Sowohl der damalige Katzwanger Pfarrer Günther Zeilinger wie auch Nürnbergs Zweiter Bürgermeister Christian Vogel werden an die Ereignisse von damals erinnern und der Betroffenen gedenken.

Im Gespräch blickt Pfarrer Zeilinger auf die Katastrophe zurück.

Herr Pfarrer Zeilinger, wenn Sie an das Unglück zurückdenken, welches Bild haben Sie vor Augen?

Zeilinger: Die vielen Helfer, die einfach da waren. Nicht nur die Katzwanger, die waren selbstverständlich da. Aber es sind auch Leute von außerhalb gekommen, um beim Aufräumen zu helfen. Da war zum Beispiel ein Mann mit einer Schaufel in der Hand und hat gefragt: Wo kann ich anfangen? Das war das Beeindruckendste.

Können Sie sich noch an den Moment erinnern, an dem Sie gemerkt haben, was gerade passiert?

Zeilinger: Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war bei einer Familie in Katzwang zu Besuch. Da kam die Tochter herunter und sagte: Das Wasser läuft aus dem Kanal. Ich wollte dann mit dem Auto zurück ins Pfarrhaus neben der Wehrkirche, konnte aber gar nicht mehr herunter fahren.

Das Pfarrhaus an der Wehrkirche liegt in Alt-Katzwang unten neben der Rednitz, also genau dort, wo das Wasser diese ungeheuere Wucht entwickelt hat. War ihre Familie im Pfarrhaus?

Zeilinger: Meine Frau war mit unserer kleinen Tochter unterwegs und damit in Sicherheit. Aber unsere zehnjährige Tochter war daheim. Ich hatte Angst, dass sie im Garten gespielt hatte. Aber sie war im ersten Stock des Pfarrhaus. Dort saßen wir dann fest und sind nicht mehr herausgekommen.

Weil das Wasser so schnell gestiegen ist?

Zeilinger: Bis über die Fensterbretter im Erdgeschoss, wo das Pfarramt war. Vorne ist das Wasser ins Anwesen reingeschossen, hinten sind aber nur zwei Törchen in der Mauer. Deshalb hat es sich gestaut. In meinem Amtszimmer sind die Möbel geschwommen.

Wie groß war die Angst?

Zeilinger: Wir waren im ersten Stock verhältnismäßig sicher. Das Pfarrhaus hat zum Glück ein tiefes Fundament. Das hat es gerettet.

Wie sind Sie herausgekommen?

Zeilinger: Wir haben gewartet, bis das Wasser abgelaufen war.

Andere Häuser hat das Wasser zum Teil weggerissen. Menschen wurden in letzter Sekunde gerettet.

Zeilinger: Ich habe gesehen, wie ein Hubschrauber Menschen nach oben gezogen hat. Das waren dramatische Szenen.

Für ein Mädchen kam leider jede Hilfe zu spät.

Zeilinger: Das war natürlich ein Schock. Wir haben es am Samstag darauf beerdigt und versucht, der Familie Trost und Kraft zu geben.

Wie haben die Menschen auf diese Katastrophe reagiert?

Zeilinger: Es war ein unglaublicher Zusammenhalt. Auch der katholische Pfarrer Johannes Schmidt, der spätere Caritas-Direktor, hat mit seiner Gemeinde sofort Hilfe angeboten. Unsere Wehrkirche war ja ebenfalls überschwemmt und die Konfirmation stand am Sonntag darauf an. Da hat er uns sofort eingeladen, sie in St. Marien zu feiern. Außerdem wollten wir ein Zeichen setzen. Die katholische und die evangelische Gemeinde haben je 20 000 Mark für die Betroffenen gesammelt und am Samstag danach übergeben. Die Hilfsbereitschaft der Menschen war sehr groß. Es gab aber auch das Gegenteil: Am Sonntag danach kamen Tausende Katastrophentouristen. Das war unglaublich.

Nach der akuten Nothilfe ging es um die Entschädigung. Betroffene hatten eine "Interessengemeinschaft" gebildet, deren Vorsitzender Sie wurden. Wie sehr mussten Sie um die Entschädigung kämpfen?

Zeilinger: Eine Woche nach dem Dammbruch hatten Pfarrer Schmidt und ich zu einer Versammlung der Geschädigten mit der Rhein-Main-Donau AG eingeladen. Da fiel von einem ihrer Vertreter der Satz: "Der Damm konnte nicht brechen." Da können Sie sich vorstellen, was das ausgelöst hat. Das klang furchtbar. An sich aber war die Entschädigung letztlich kein Problem.

Sie waren noch fünf Jahre in Katzwang, sind dann Dekan in Windsbach geworden, leben heute in Ansbach. Haben Sie noch Kontakt zu Katzwang?

Zeilinger: Ja, es gibt noch einen kleinen Freundeskreis.

Wie gegenwärtig ist die Katastrophe nach 40 Jahren noch?

Zeilinger: Auch wenn es lange her ist: Das hat uns sehr geprägt.

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