Kannste knicken: Pisa für Erwachsene

12.4.2014, 08:06 Uhr

Zu den 20 Prozent Eichwasenern, die wählen gehen, auch wenn die Stadt das Wahllokal in die sibirische Maar-Schule verlegt hat? (Schwabacher CSU und SPD empört über Wahllokal-Verlegung) Nein, ich bin gar kein Eichwasener.

Zu den 20 Prozent, die noch glauben, dass Herr Drmic den Club zum Klassenerhalt schießt? Da kann ich nur mit Klopp antworten: „Denken Sie, ich bin ein Idiot.“

Zu den 20 Prozent, die in Bayern noch SPD wählen? Naja, zumindest denkbar, dass ich ein Idiot bin.

Zu den 20 Prozent, die zu blöd sind, einen Fahrkartenautomaten zu bedienen? Also, äh, Treffer versenkt!

Schon als ich die Meldung gelesen hatte, da beschlich mich sofort so ein Schrecken des Ertapptseins. Jeder fünfte Schüler ist laut Pisa-Studie nicht in der Lage, Alltagspraktisches wie den Kauf eines Bahntickets hinzukriegen.

Zuerst habe ich mich noch selbst belogen: Was geht’s mich an, bin ja kein Schüler mehr. Aber dann kam das Unvermeidliche. Eine Nürnberg-Fahrt mit meiner Frau. Ich würde ja einfach mit dem Auto fahren. Doch sie ist so furchtbar vernünftig. Aber immerhin kompromissbereit. Ich warte mit am zugigen Bahnsteig und setze mich in den muffigen Zug, sie kauft dafür das Ticket an diesen dämlichen Kisten mit den vielen Tasten. So funktionieren die 20 Prozent harmonische Ehen. Zumindest bis zur Rückfahrt.

Da sitzen wir also im Zug, freuen uns, nicht im Stau zu stehen bis — meiner Frau zwei Minuten vor der Abfahrt einfällt, dass sie vergessen hat, die beiden Streifenkarten abzustempeln. Natürlich hätte ich auf die innerfamiliäre Arbeitsteilung verweisen und Zeitung lesen können.

Doch in einem ungeahnten Moment grenzenloser Galanterie nehme ich die Tickets, lasse sie von meiner Frau noch schnell korrekt knicken, haste aus dem Abteil, renne die Treppe hinunter, entdecke tatsächlich diesen roten Drucker, stecke die Karten rein und — nichts.

Zweiter Versuch: wieder nichts. Noch 45 Sekunden. Panik in der Unterführung. Dritter Versuch, irgendwie, ganz egal. Da! Ein Knacken! Ein Stempel! Ich hechle hinauf zum Zug. Dort wartet meine Frau, wirft einen Blick auf die Streifen und schüttelt den Kopf: „Du hast ja einen zuviel gestempelt. Dabei hatte ich’s doch schon vorgeknickt.“

Uns gegenüber sitzen zwei Frauen, wohl Mutter und Tochter. Die Mutter solidarisiert sich mit meiner Frau und grinst. Nur die Tochter hat Mitleid: „Wenn er sonst immer Auto fährt, wie soll er’s können?“

Ganz genau! Und das mach’ ich in Zukunft auch: Autofahren. Zur Not alleine. Zugfahrkarten? Kannste knicken!

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