Kirchweih-Poesie aus dem literarischen Quartett

16.9.2018, 06:00 Uhr
Ja, so schön ist´s auf der Schwabacher Kirchweih. Und zu gewinnen gibt es auch allerhand. Ganz anders als in früheren Jahrhunderten.

© Gerner Ja, so schön ist´s auf der Schwabacher Kirchweih. Und zu gewinnen gibt es auch allerhand. Ganz anders als in früheren Jahrhunderten.

Zur Einstimmung auf die Schwabacher Kirchweih begeben wir uns heute in die Welt der Kirchweih-Literatur. Auch wenn es vielleicht nicht ganz so erhaben klingt wie erhofft.

"Willst du Schläge, so tanz auf der Kirchweih."

Wir wissen nicht, welch’ bittere Erfahrung keinen Geringeren als Wilhelm Busch zur Niederschrift dieser Lebensweisheit veranlasst hat. Womöglich war der Vater von Max und Moritz ja ein Feierbiest, das dem Zünftigem ungeahnt zugeneigt war? Oder hat er bei der Auswahl seiner Tanzpartnerin deren zwei Meter großen Ehemann übersehen? Im 19. Jahrhundert war man ja noch nicht ganz so entspannt wie heute. Oder er hat den Polizeibericht in der Zeitung gelesen und seinen Kulturpessimismus in diesem Aphorismus verewigt. Einladend klingt jedenfalls anders.

Da loben wir uns schon eher Martin Greif, ein Zeitgenosse Buschs, wenn auch kein ganz so berühmter. Dessen Dichtkunst verdanken wir folgenden kleinen Vers:

"Murre nicht, wenn dich die Plage

harter Arbeit nicht verläßt!

Kirchweih ist nicht alle Tage

und nur schön ein selt’nes Fest."

Genau so isses. Kirchweih ist eben nicht der sichere Weg zur Körperverletzung, sondern so wunderbar einzigartig schön, dass man im Rest des Jahres voller Vorfreude die tägliche Maloche klaglos erträgt. Bei aller Mühsal gilt deshalb unverdrossen:

"Man muß die Feste feiern wie sie fallen."

Dieses Zitat kennt jeder, den Autoren aber nur noch Literaturwissenschaftler: Hermann Salingré (1833 - 1879), ein Berliner Possenschriftsteller. Wäre er Schwabacher gewesen, wäre er auf diese Einsicht wahrscheinlich nie gekommen.

Denn Schwabach feiert Kirchweih eben gerade nicht, wie sie eigentlich fällt. Ein immer lohnender Blick ins Stadtlexikon lehrt uns: Die Stadtkirche wurde am 6. Juni 1495 geweiht. Die erste Kirchweih ist schriftlich im Jahr 1530 erwähnt. Gefeiert aber wurde aber schon damals erst im September — am Wochenende vor Michaelis.

Wieso? Stadtarchivar Wolfgang Dippert schlussfolgert: "Der Weihetag muss also mit einer der beiden Vorgängerkirchen im Zusammenhand stehen." Doch deren Weihedatum ist nicht überliefert.

Das hat früher gegolten

Für den Herbsttermin aber sprach zudem ein kalorienhaltiges Argument: Die Lebensmittelversorgung war nach der Ernte "günstiger als im Frühjahr". Lerne: Ein voller Magen studiert zwar nicht gern, feiert aber umso lieber. Da der Nahrungsnachschub mittlerweile ganzjährig gesichert ist, könnte man bei der Terminierungen eigentlich etwas flexibler sein. Aber mal ehrlich: Wer denkt denn bei der Kirchweih wirklich noch an die Weihe einer Kirche? Die Kids wollen am Autoscooter abhängen und die Redaktion ernährt sich zehn Tage lang von Softeis und gebrannten Mandeln. So hat jeder seinen Spaß — Weihe hin, Weihe her.

Womit wir beim großen Kurt Tucholsky wären:

"Feste pflegen sich lange zu halten – ihre Motive weniger."

GÜNTHER WILHELM

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