Kunst-Wettbewerb: Enttäuschung statt Begeisterung

14.3.2012, 09:16 Uhr
Kunst-Wettbewerb: Enttäuschung statt Begeisterung

© Gerner

Der Fahrplan sah so einfach aus: die bundesweite Ausschreibung eines Kunst-Wettbewerbes, eine thematische Vorgabe („Verbindungen“), eine faire Auslosung, 15 Künstler, 15 anonyme Vorschläge, eine 13-köpfige Jury, ein erster Preis, eine Entscheidung im Kreisausschuss, und fertig ist das Kunstwerk am Gymnasium Wendelstein. Nun ist der Fahrplan etwas ins Stocken geraten.

Die Jury aus sieben Künstlern und sechs Kommunalpolitikern und Baufachleuten konnte sich nach neunstündigen Beratungen zwar dazu durchringen, in einer knappen Mehrheitsentscheidung einen ersten Preis zu benennen (wir berichteten). Der jedoch fiel in der Sitzung des Kreisausschusses glatt durch. Mit dem etwas sperrigen und schwer zugänglichen „Moonwalk“ des Berliner Künstlers Sven Kalden konnte kein Kreisrat etwas anfangen. Kalden hat das Modell von zwei Primaten/Urmenschen eingeschickt, beide sitzend, einer hält einen Knochen in der Hand. Ein Stück weiter ist die Nachbildung der Mondoberfläche zu sehen, darauf der Fußabdruck eines Astronauten. „Odyssee in Wendelstein“ hat Kalden im Untertitel dazugeschrieben.

Wie bei „2001“

Der Vergleich zu Stanley Kubricks legendärer Weltraumoper „2001 – Odyssee im Weltraum“ ist dabei durchaus beabsichtigt. Auch dort sind in einer der berühmtesten Szene der Filmgeschichte affenartige Urmenschen zu sehen, die in Tierknochen eine Waffe erkennen. Einer wirft den Knochen zur Musik von Johann Strauss, „Also sprach Zarathustra“ in die Luft – Schnitt – und schon schwebt nach einem Zeitsprung von ein paar Millionen Jahren ein knochenartiges Raumschiff Richtung Mond.

Was das Ganze mit Wendelstein zu tun hat? Nun, von der ersten Idee für ein drittes Landkreisgymnasium in den 1970er Jahren bis zur Fertigstellung im Jahr 2012 sind ja auch nach vielen Irrungen und Wirrungen bald 40 Jahre vergangen. Bloß: Stanley Kubrick begann mit den Dreharbeiten zu seinem bahnbrechenden Science-Fiction-Film 1965 und schloss sie 1969 ab. Zu einer Zeit also, als viele Eltern der künftigen Schüler noch nicht einmal geboren waren. Und dann die Geschichte mit den Primaten: „Dann müssten wir für unsere Schule nicht mehr lange nach einem Spitznamen suchen“, empörte sich Kreisrätin Dorle Schäfer (CSU) in der Sitzung des Kreisausschusses: „Affenhaus“.

„20 Grad himmelwärts“

Der „Moonwalk“ war also schneller aus dem Rennen als ein Künstler drei Pinselstriche auf ein Papier werfen kann. In die nächste Runde schaffte es dafür Platz zwei: „20 Grad himmelwärts“ heißt es und ist eine Gemeinschaftsproduktion von Reiner Hofmann aus Schwabach und Angelika Salomon aus Spalt. Sie wollen auf dem gesamten Schulgelände bunte, mit überdimensional langen Lehnen versehene Stühle aus Acrylglas stellen, die allesamt um 20 Grad nach hinten geneigt sind. Gefällig, aber nicht sonderlich überraschend. Und: Dieses Konzept ist mehr Design als Kunst. Dennoch: tendenziell konsensfähig.

Auch der vom vorberatenden Preisgericht vergebene dritte Preis ist noch dabei: Der Berliner David Reinhard Mannstein hat – in Anlehnung an den Schulstandort – sogenannte „Wendelsteine“ entworfen – mit Kunststoff überzogene, überdimensionale kieselsteinähnliche Gebilde aus leichtem Material, die, ähnlich wie die schiefen Stühle, auf dem Schulgelände verstreut zu finden sein sollten. Eine nette Idee aus der Pop-Art-Szene für knuffige Sitz- und Liegemöglichkeiten, fanden die Kreisräte, aber: Wie haltbar und farbfest ist der Kunststoff-Überzug? Eine Frage, die vor Ort (noch) nicht beantwortet werden konnte.

Lobend erwähnt hatte die Jury in ihrer Empfehlung für den Kreisausschuss den Vorschlag „ad Astra“ von Klaus Leo Drechsel aus Büchenbach, der dann tatsächlich gut ankam. Drechsel will in seinen bis zu sieben Meter hohen Stelen aus Glas und Stahl die Wissenschaft der Astronomie mit ansprechender Optik verschmelzen. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sollte vielleicht einmal sein Sternentor auf dem Rednitzhembacher Kunstweg unter die Lupe nehmen. Der Wettbewerbsbeitrag des Stahl- und Glaskünstlers ist futuristisch und optisch bestechend, aber eben auch typisch ein typischer Drechsel.

Doch noch aufgenommen

Zwei weitere Arbeiten, die das Preisgericht eigentlich schon aussortiert hatte, nahm der Kreisausschuss dafür wieder auf: Zum einen „Bandverbindungen“ von Claudia Scheffler aus Dresden, die ein buntes, geringeltes Band aus nur 30 Millimeter dünnem Faserbeton, ähnlich einer großen Luftschlange, durch das ganze Schulareal schlingt. Die technische Umsetzung – Stichwort Festigkeit und Haltbarkeit – und die möglichen Unfallgefahren hatten vor allem die Baufachleuten in der vorberatenden Jury von einer Zustimmung abgehalten – nicht aber nun den Kreisausschuss.

Mit dem Dampfhammer

Und zum Abschluss beförderte das Gremium den Vorschlag „Kreis und Gerade“ von Verena Reimann aus Georgensgmünd eine Runde weiter. Viele Sitzmöglichkeiten im Halbrund korrespondieren hier mit dem sehr streng architektonischen, rechteckigen Schulhausbau. Auffälligstes Merkmal ist jedoch ein über fünf Meter hoher Zirkel, unter dem die Schüler allmorgendlich in die Schule strömen. Der überdimensionale Zirkel erinnerte allerdings nicht nur Kreisrat Dr. Manfred Weiß ein wenig an aufgelassene Zechen im Ruhrgebiet.

Außerdem ist ein Stahlzirkel nun nicht unbedingt die alleroriginellste Idee für ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium (mit wirtschafts- und sozialwissenschaftlichem Zweig), wie in Wendelstein. Ein bisschen Kunst mit dem Dampfhammer, gewissermaßen.

Kurz und knapp: Kein einziger Vorschlag war dabei, der Jury und Kommunalpolitiker sofort vom Stuhl riss. „Ich bin, ehrlich gesagt, von der Güte der Arbeiten insgesamt enttäuscht“, fasste SPD-Fraktionssprecherin Christine Rodarius die Stimmung zusammen. „Vom Wettbewerb hatte ich mir mehr versprochen.“

Extra-Beratungskringel

Aber: Der Wettbewerb ist inzwischen zu weit fortgeschritten, um ihn noch zu stoppen. Doch ist noch genügend Zeit, um ein paar Extra-Beratungskringel zu drehen. „Schließlich muss das Kunstwerk nicht stehen, wenn die Schule im September ihren Betrieb aufnimmt“, meinte Rodarius.

Also dürfen in einer nächsten Runde die fünf ausgewählten Künstler beziehungsweise Projektgemeinschaften ihre Arbeiten persönlich vorstellen (oder soll man sagen: „verteidigen“?) und möglicherweise Verbesserungsvorschläge präsentieren; wichtig vor allem dann, wenn es um die Haltbarkeit der Kunst, die schließlich Wind und Wetter (und sicher auch mal ungestümen Schülern) ausgesetzt ist.

Sollte sich in der nächsten Runde ein klarer Favorit herauskristallisieren, will der Kreisausschuss selbst entscheiden. Wenn nicht, sollen unter Umständen diejenigen einbezogen werden, die am meisten vom Kunstwerk haben sollen: die Schülerinnen und Schüler des künftigen Gymnasiums – Kunst sozusagen als Anschauungsobjekt für Basisdemokratie.

Der Kommentar:
Den Sinn einer Jury ad absurdum geführt

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