Leben an der Autobahn: "Die A6 war unser Spielplatz"

3.8.2018, 05:37 Uhr
Gunda Seyferth, ihre Enkelin Franziska Breig und ihre Tochter Andrea Breig (von links) bekommen den Ausbau der A6 im Schwabacher Stadtteil Uigenau hautnah mit. Direkt an der Terrasse rauscht der Verkehr vorbei.

© Martin Müller Gunda Seyferth, ihre Enkelin Franziska Breig und ihre Tochter Andrea Breig (von links) bekommen den Ausbau der A6 im Schwabacher Stadtteil Uigenau hautnah mit. Direkt an der Terrasse rauscht der Verkehr vorbei.

Wo heute Autos und Lastwagen unaufhörlich entlangdonnern, hat Friedrich Seyferth früher die Frösche quaken gehört. Als der heute 72-jährige 1945 kurz nach seiner Geburt in ein 1718 erbautes Sandsteinhaus im Schwabacher Stadtteil zog, dachte dort noch niemand an eine Autobahn. Der Ort war ein idyllisches Bauerndörfchen. Wo heute die Autobahn verläuft, war keine Straße, sondern ein dichter Kiefernwald.

Daneben lag der Dorfweiher, in dem die Frösche quakten. "Als Kinder haben wir in dem Weiher gebadet. Heute führt die Autobahn direkt drüber", erzählt Seyferth. Er ist nicht erst hinzugezogen, als der Lärm schon da war. Er war schon lange vor dem Lärm in Uigenau.

Beschwert hat sich aber niemand, als die Autobahn Ende der 1960er langsam südlich von Uigenau entstand. Schließlich war damals noch nicht so viel Verkehr auf den Straßen. Außerdem hatten die Seyferths andere Dinge um die Ohren. Neben dem Sandsteinhaus, in dem Friedrich Seyferth aufgewachsen war, bauten sie ein neues Einfamilienhaus für sich und ihre vier Kinder. Kurz vor der Einweihung der Autobahn zogen sie um.

"Auf der Autobahn haben wir Fahrradfahren gelernt"

"Die Autobahn war während des Baus ein Spielplatz für uns. Ich habe meinen Puppenwagen auf der Fahrbahn geschoben. Auf der Straße haben wir das Fahrradfahren gelernt", erinnert sich Seyferths Tochter Andrea Breig. 1968 wurde sie geboren, am 1. Oktober 1973 wurde hier die Autobahn eingeweiht.

Zuvor endete die heutige A6 noch östlich von Schwabach, deutlich vor dem Stadtteil Uigenau. Ab 1973 führte sie immerhin schon bis Lichtenau, ab 1975 dann bis nach Aurach. Erst 1976 bis 1979 wurde die Lücke in Richtung Heilbronn komplett geschlossen.

"Anfangs war da fast nicht los", erinnert sich Friedrich Seyferths Frau Gunda. Lange blieb das so, nur sehr schleichend nahm der Verkehr zu. "Als der Eiserne Vorhang gefallen ist, wurde es aber schlagartig mehr", erinnert sich Friedrich Seyferth.

Seit 15 Jahren Schallschutzfenster

Die Verkehrslawinen wuchsen und wuchsen, einen Lärmschutzwall oder eine schützende Wand gab es an der Autobahn aber nicht, obwohl die Häuser hier so nahe an der Fahrbahn standen. Seit etwa 15 Jahren haben die Seyferths immerhin Schallschutzfenster in ihrem Haus.

Aber die Seyferths sind den Lärm ohnehin schon so sehr gewohnt, dass er ihnen nicht mehr viel ausmacht. Bei der derzeitigen Hitze schlafen sie mit offenem Fenster, obwohl dieses direkt in Richtung Autobahn zeigt.

Wenn sie sich im Garten unterhalten, bemerken die Seyferths die Autobahn gar nicht. "Wir waren total überrascht, als wir im Garten Videos gedreht haben. Als wir sie angeschaut haben, hat man nur das Rauschen der Autobahn gehört, die Gespräche hat man nicht verstanden", erzählt Andrea Breig, die mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in dem Sandsteinhaus lebt, in dem Friedrich Seyferth aufgewachsen ist.

880 Quadratmeter abgetreten

880 Quadratmeter ihres Grundstücks haben ihre Eltern für die jetzige Autobahnerweiterung abgeben müssen, bei der die A6 zwischen den Ausfahrten Roth und Schwabach-West von vier auf sechs Fahrstreifen verbreitert wird. 880 Quadratmeter, auf denen hohe Bäume und Büsche standen, die die direkte Sicht auf die Autobahn verdeckten. Auf 13 Metern Breite reihen sich die Überreste dieser Bäume nun als Holzscheite fein säuberlich geschlichtet im Garten der Seyferths auf. Reichlich Futter für den Kachelofen.

Seit die Bäume weg sind, haben die Seyferths freie Sicht auf die Autobahn, sehen und hören schwere Maschinen vorbeidonnern, ärgern sich, wenn die Baufirma mal wieder zu wenig Wasser gespritzt hat und die Staubschwaden auf der Terrasse und auf den Fensterbänken ihre Spuren hinterlassen.

Hohe Wand statt Kirchturmblick

Bald ist es aber vorbei mit der Autobahnsicht, und leider auch mit der Aussicht auf den Kammersteiner Kirchturm. Denn mit der Autobahnverbreiterung bekommt Uigenau (und ganz Schwabach) endlich einen echten Lärmschutz. Zehn Meter hoch wird dieser sichs am Rande des Seyferthschen Gartens erheben. Sechs Meter hoch türmen sich die Gabionen, gekrönt von einer vier Meter hoch Wand.
"Wir sind zwar an den Lärm gewohnt. Wir sind aber doch sehr froh, wenn alles fertig ist und es hier endlich ruhiger wird", betont Andrea Breig. Dann ist es endlich vollkommen, das Garten-Idyll mit Schmetterlingsflieder.

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