Leistung ohne Notendruck

9.2.2011, 09:40 Uhr
Leistung ohne Notendruck

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Oder es heißt: Ihr seid doch die, die immer in den Wald gehen und in der Erde buddeln. Und am Ende bekommt ihr das Bio-Abitur geschenkt.“

Sabine Zäpfel muss schmunzeln. Für viele sind Waldorfschulen noch immer eine fremde Welt. Kein Sitzenbleiben, Noten erst ab der neunten Klasse, Lernen ohne Druck. Das klingt für immer mehr Eltern attraktiv. Aber bereitet so eine Schule wirklich auf ein Leben in einer Leistungsgesellschaft vor?

„Super-schöne Zeit“

„Wir wollen eine kleine Entscheidungshilfe geben, so oder so“, sagt Sabine Zäpfel zu den interessierten Eltern, die zu einer Premiere gekommen sind. Zum ersten Mal hatte die Waldorfschule Wendelstein zu einem Informationsabend der besonderen Art eingeladen. Nicht Lehrer erklären ihre Schule, sondern ehemalige Waldorfschüler und heutige „Waldorf-Eltern“ gaben am vergangenen Freitag „Berichte aus dem Schulalltag“.

Isabella Drozynski, Harald Benkert und Martin Boldt erzählten mit geradezu ansteckender Begeisterung. „Ich hatte eine super-schöne Schulzeit“, erinnert sich Martin Boldt, der heute bei Siemens den Audiologie-Kundenservice leitet. Der Wirtschafts-Ingenieur und Diplomkaufmann Harald Benkert spricht von einer „großen Familie“.

„Ganz normale Kinder“

Dabei trage auch in einer Waldorfschule „keiner einen Heiligenschein“, auch hier gebe es durchaus Konflikte. „Das sind ganz normale Kinder von ganz normalen Eltern“. sagt die Fremdsprachenassistentin Isabella Drozynski. Und doch empfindet sie auch heute noch ein Gefühl des „Aufgehobenseins“.

„Wir haben in den Mitschülern immer das Positive gesehen“, erklärt Benkert. „Wenn jemand gut malen konnte, dann war es total egal, ob er schlecht in Mathe war. So entstehen erst gar nicht so viele Konflikte.“

Selbstbewusst und mündig

Eine Erfahrung, in der sich Waldorf-Pädagogik widerspiegelt. „Es geht nicht nur ums Kognitive, es geht auch um Kunst, um Musik, um Handarbeit“, erklärt Rainer Brügmann, der von 1993 bis 2010 Geschäftsführer Waldorf-Schule Wendelstein war und die Schule mitaufgebaut hat. „Wir wollen die Kinder zu selbstbewussten, mündigen Menschen erziehen. Hier kann man so vieles einüben, dass man mit allem zurecht kommt.“

Auch mit Prüfungen. „95 Prozent unserer Schüler machen Mittlere Reife oder Abitur“, berichtet Wolfgang Debus von der Schulleitung. Abgelegt werden die Prüfungen wohlgemerkt unter Aufsicht staatlicher Schulen. Von wegen „Bio-Abitur“. Den Hauptschulabschluss dagegen kann man an der Waldorfschule nicht erwerben. Doch wenn es mit einem weiterführenden Abschluss nicht klappt, kümmert sich die Schule um Lehrstellen. Bisher mit Erfolg. „Wir entlassen niemanden ins Nichts“, betont Debus.

„Keine elitäre Schule“

Waldorfschulen sind rechtlich gesehen so genannte „genehmigte Ersatzschulen“. Sie bekommen staatliche Zuschüsse, die aber längst nicht alle Kosten decken. Wie alle Privatschulen muss die Waldorfschule deshalb einen finanziellen Beitrag der Eltern erheben.

„Wir wollen aber keine elitäre Schule sein“, betont Rainer Brügmann. Deshalb ist das Schulgeld kein fester Betrag, sondern der für alle gleiche Anteil am Einkommen. Für das erste Kind beträgt das Schulgeld 5,25 Prozent des monatlichen Bruttogehalts. Bei zwei Kindern sind es 7,9 Prozent, bei drei 10,05.

Hinzu kommen noch Beiträge zum Schulverein (97 Euro pro Jahr je Familie), ein Familienbeitrag von 25 Euro pro Monat und vor allem ein Baukostenzuschuss von 10 Prozent eines Bruttojahresgehalts je Familie. Davon sind bis zu 2500 Euro eine Schenkung, der Rest ein zinsloses Darlehen.

Der Baukostenzuschuss ist notwendig, weil die Waldorfschule derzeit erweitert wird. Die Zahl der Schüler soll von 450 auf rund 600 steigen. Damit reagiert die Schule auch auf die wachsende Nachfrage.

Nähere Infos im Internet unter www.waldorfschule-wendelstein.de