Ludwigskanal: „Pflege muss aus einer Hand kommen“

30.5.2015, 09:49 Uhr
Ludwigskanal: „Pflege muss aus einer Hand kommen“

© Foto: Nahr

Der Ludwigskanal ist ein Denkmal, das sich auf über 170 Kilometern durch fünf bayerische Regierungsbezirke zieht. Unübersichtliche Behördenzuständigkeiten bewirken, dass Einzeldenkmäler des Kanals einfach sich selbst überlassen oder nachlässig gepflegt werden.

Manfred Kimmig fordert, dass das einmalige Verkehrsdenkmal in eine öffentliche Hand kommt, damit es erhalten werden kann. Kimmig ist Leiter des Kanalmuseums in Burgthann und der beste Kenner des Ludwig-Donau-Main-Kanals.

Vor mehreren Jahren wurde am Dörlbacher Einschnitt des Kanals die Böschung mit Millionenaufwand saniert. Trotzdem ist diese Sanierung nicht erfolgreich gewesen...

Manfred Kimmig: An mehreren Stellen sind die Ufermauern eingebrochen. An einer Stelle bis unter die Wasserlinie, an einer anderen Stelle sind Mauerteile oberhalb der Wasserlinie abgebrochen. Das ist nur mit Schotter ausgebessert worden. 2012 war die Sanierung beendet. Ich habe angenommen, dass die Schäden 2013 beseitigt werden. Mittlerweile haben wir 2015, und bislang ist nichts geschehen. Für den Gesamteindruck eines Denkmals ist es äußerst negativ, wenn mittendrin ewige Baustellen sind.

Ludwigskanal: „Pflege muss aus einer Hand kommen“

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Ist es richtig, dass dringend etwas gemacht werden muss, um die Mauer zu retten?

Kimmig: Die schadhaften Stellen müssten repariert werden.

Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit etwas passiert? Denn es muss der Freistaat ja etwas tun.

Kimmig: Offiziell sind den Wasserwirtschaftsämtern ja genügend Mittel zugeteilt, um Instandsetzungen durchführen zu können. Wie diese die Gelder einteilen, das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es gibt eine Aussage des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg, und ich gehe davon aus, dass das noch heuer repariert wird.

Der Kanal reicht ja historisch von Kelheim bis Bamberg und ist auf der Strecke unterschiedlich gut erhalten. Zuständig sind mehrere Wasserwirtschaftsämter. Ist der Erhalt des Ludwigskanals bei diesen Ämtern uneingeschränkt in besten Händen oder gibt es da Unterschiede?

Kimmig: Es gibt tatsächlich Unterschiede. Es hat den Anschein, dass vor allem das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg die Erhaltung des Ludwigskanals nicht mehr als ehrenvolle Aufgabe ansieht, sondern als lästige Tätigkeit. Erinnert sei an das Zuschütten der Böschungstreppen an den Schleusen. Dass eine akute Gefahr für den Ludwigskanal bestünde, ist aber nicht erkennbar. Das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg macht die Routinearbeiten schon: das Freischneiden der Ufer und notwendige, kleinere Reparaturen. Die meisten Schleusen wurden ja in den 1990er Jahren restauriert und saniert. Momentan geht allenfalls die Schleuse 35 am Bahnhof Burgthann am Unterhaupt buchstäblich aus den Fugen.

Ludwigskanal: „Pflege muss aus einer Hand kommen“

© Foto: Manfred Kimmig

Das Wasserwirtschaftsamt Regensburg braucht den Kanal im Kreis Neumarkt, weil er weitgehend erhalten ist und im Wasser-Kosmos eine wichtige Funktion hat. Warum ist das so?

Kimmig: Der Kanal spielt für die Wasserwirtschaft eine wichtige Rolle — auch als Hochwasser-Verhinderer. Man denke bloß an die Einleitung der Pilsach, des Kettenbachs und des Hausheimer Bachs. Die Pilsach ist der Hauptlieferant für Kanalwasser. Wenn viel Wasser in den Kanal abgezogen wird, dann entsteht wenig Hochwasser in der Pilsach.

Es gibt ja auch historische Einzeldenkmäler des Ludwigskanals außerhalb der Landkreise Neumarkt und Roth zum Beispiel Richtung Donau im Altmühltal. Das Ensemble an der Schleuse 5 Kastlhof mit Wehr, Schleuse und Schleusenwärterhaus macht nicht den Eindruck, dass es da Erhaltungsmaßnahmen gibt.

Kimmig: Meines Wissens gehört das Schleusenwärterhaus der Uni Regensburg. Offensichtlich geschieht dort nichts, das steht immer leer. Ich habe dort nie jemanden gesehen, der beispielsweise die Fenster geöffnet hätte. Das Haus muss inzwischen innen völlig verstockt sein. Warum man ein solches Gebäude einfach vor sich hin gammeln lässt, verstehe ich nicht.

Ludwigskanal: „Pflege muss aus einer Hand kommen“

© F.: Etzold

Auch die Schleuse ist in einem bedauernswerten Zustand, die Tore sind verrottet. Da gibt es anscheinend niemanden, der sich für diese Denkmäler interessiert. Im Altmühltal neben dem Rhein-Main-Donau-Kanal gibt es quasi kein wasserwirtschaftliches Interesse.

Kimmig: ...wasserwirtschaftlich gibt es keine Hochwasser mehr zwischen Dietfurt und Kelheim...

Aber muss man dann nicht erkennen: Die Wasserwirtschaft allein ist nicht in der Lage, die noch übrig gebliebenen Einzeldenkmäler des Ludwigskanals zur Gänze zu erhalten. Dann stellt sich die Frage: Wer nimmt den Denkmalschutz ernst und wer nimmt ihn wahr? Und das bei einer Liegenschaft, die dem Freistaat gehört und die der Freistaat formal unter Denkmalschutz gestellt hat.

Kimmig: Das ist wahrscheinlich eine Lücke im bayerischen Denkmalschutzgesetz. Denkmäler werden immer nach Regionen aufgeteilt und nicht in ihrem Zusammenhang gesehen. Und der Kanal geht von Oberfranken bis nach Niederbayern. Überall gibt es einen Denkmalschutz mit unterschiedlichen Vorstellungen. Das ist ein Fehler. Ein solches Denkmal in dieser Länge gehört durch eine Hand verwaltet und gepflegt — und nicht durch fünf verschiedene Behörden.

Und das Landesamt für Denkmalpflege ist nicht diese Instanz?

Kimmig: Meine Meinung über den bayerischen Denkmalschutz ist nicht sehr hoch. Deshalb denke ich eher nicht, dass das Landesamt für Denkmalpflege die richtige Stelle wäre. Die Schleuse 94 in Oberfranken als trockenliegendes Bodendenkmal und als Veranstaltungsort ist ein gutes Beispiel. Solche Projekte bringen den Kanal wieder ins Bewusstsein zurück.

Heißt das, man muss eine aktuelle Nutzung finden oder es muss jemand die Initiative ergreifen, damit Denkmalschutz erfolgreich ist? Wer kann, wer muss die Initiative ergreifen?

Kimmig: Bei unserer föderalen Struktur ist es nur den örtlichen Lokalpolitikern vorbehalten, weil offensichtlich ein landesweites Agieren nicht möglich ist. Die Schleuse 94 in Eggolsheim war zunächst ein Projekt des dortigen Bürgermeisters, der selbst als Kind in der Schleuse gebadet hat. Eine Bürgerinitiative hat am Ende die Sanierung durchgesetzt.

Dort haben sich die Bürger stark gemacht. Aber man hat manchmal den Eindruck, dass sich viele Bürger ganz allgemein mit dem Ludwigskanal relativ wenig identifizieren.

Kimmig: Der Eindruck ist richtig. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass in den 50er Jahren kaum Literatur über den Ludwigskanal vorlag. Geschrieben wurde immer der gleiche Stiefel: Der Kanal ist zu lang, zu schmal, zu seicht. Das Image des Kanals ist schlechtgeredet worden.

Im Landkreis Neumarkt sind die Kommunen relativ aktiv, zum Beispiel in Mühlhausen, wo die Gemeinde das Schleusenwärterhaus 25 übernommen hat und sich auch ansonsten stark einsetzt. Was den Denkmalschutz angeht, kann man den Freistaat in manchen Teilbereichen vergessen. Entscheidend ist wohl, dass die Kommunen die Initiative ergreifen?

Kimmig: Die dezentrale Denkmalpflege, wenn man sie so nennen will, ist Sache der Bürger vor Ort.

Gibt es auch positive Beispiele im Nürnberger Land, wo Kommunen oder Bürger etwas auf die Beine gestellt haben?

Kimmig: Die Autobahn-Rastanlage Nürnberg-Feucht ist ein positives Beispiel. Die Planung für die Erweiterung sah vor, diese bis zum Schwarzacher Brückkanal auszudehnen. Der Proteststurm der Bürger war so stark, dass das Straßenbauamt eingeknickt ist und der Parkplatz anders angelegt worden ist.

An der Schleuse 30 bei Greißelbach sind die Tore talseits ausgebaut und lagern auf einem Gelände des Wasserwirtschaftsamtes im Freien. Da hört man nur unverbindliche Absichtserklärungen. Gibt es da Handlungsbedarf?

Kimmig: Der notwendige Sicherungsdamm am Oberhaupt ist für ein Denkmal nicht schön. Der Damm besteht schon mehrere Jahre und ist richtig eingewachsen. Da hätte man schon etwas machen können und sollen.

Ein solcher Behelfsdamm kann doch nur entfernt werden, wenn die Schleuse funktionsfähig beziehungsweise dicht ist. Wäre als wünschenswert und notwendig, dass die fehlenden Schleusentore ersetzt werden?

Kimmig: Falls das nicht kurzfristig geschehen kann, muss man halt — wie es der Baumeister des Ludwigskanals Heinrich von Pechmann vorgesehen hat — am Oberhaupt eine Dammbalkensperre einlegen. Dafür gibt es ja die Mauernuten.

Das Wasserwirtschaftsamt in Regensburg erklärt, dass die alten, ausgebauten Tore nur noch das Maß für einen Nachbau liefern sollen. Eigentlich ist es jammerschade um die alten Schleusentore. Gibt es aus Ihrer Sicht als Museumsleiter eine Idee, ob man die historischen Schleusentore erhalten und dem Publikum zugänglich machen kann?

Kimmig: Man könnte sie zum Beispiel ausstellen, wie es ja bei der Landesgartenschau in Neumarkt der Fall war. Damals 1998 waren Sicherheitstore ausgestellt. Das könnte man in diesem Fall auch machen.

Apropos Sicherheitstore: In der Scheitelhaltung des Kanals im Landkreis Neumarkt rotten diese Tore vor sich hin. Das Wasserwirtschaftsamt Regensburg sagt: Ja, die sind zwar in einem schlechten Zustand, aber die sind derzeit noch nicht dran. Müsste da nicht etwas getan werden, um den wertvollen historischen Zustand zu erhalten?

Kimmig: Da spielt der schlanke Staat mit herein. Nachdem man das Personal der Flussmeisterstellen gegen Null tendieren lässt, können solche Vorhaben nicht mehr in Eigenregie gemacht werden.

In Regensburg hat man vor, Schleusentore von einer Privatfirma anfertigen zu lassen. Das kann so ausgehen wie seinerzeit beim Bau des Ludwigskanals im Ottmaringer Tal. Ein Schreiner hat damals den Zuschlag für zehn Schleusen bekommen. Die hat er wie Scheunentore gebaut. Als der Kanal geflutet worden ist, ist das Wasser aus allen Ecken geschossen. Das musste dann äußerst aufwändig nachgebessert werden.

 

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