Notärzte verärgert: Einsatzpauschale um die Hälfte gekürzt

17.1.2015, 10:30 Uhr
Notärzte verärgert: Einsatzpauschale um die Hälfte gekürzt

© Foto: dpa

Die Notärzte verstehen die Welt nicht mehr. Auch Thomas Hollweck, ein Notarzt im Zuständigkeitsgebiet der Rettungsleitstelle Schwabach und viele seiner Kollegen können das nicht nachvollziehen.

Gewinner und Verlierer

Das neue Vergütungsmodell, das seit Anfang Januar in Kraft getreten ist, bietet nach Darstellung der Kassen und der KVB den rund 4500 einsatzbereiten Notärzten in Bayern eine „leistungsgerechte Honorierung“ ihrer Einsätze. Zwar profitieren dabei ländliche Standorte mit nur wenigen Einsätzen, Bereiche mit einer hohen Auslastung wie vor allem Nürnberg, Augsburg und Würzburg haben aber den schwarzen Peter gezogen.

Schwabach mit einer durchschnittlichen Einsatzfrequenz von sieben Einsätzen in 24 Stunden liegt im Mittelfeld und wird wohl insgesamt gesehen nicht viel verlieren. „Es geht mir aber vielmehr um die Wertschätzung meiner Arbeit. Um drei Uhr morgens zu einem Einsatz, der vielleicht zwei Stunden dauert, auszurücken, dafür mein Leben bei einer Anfahrt mit Blaulicht und Glatteis zu riskieren, mein medizinisches Wissen in einer absoluten Stresssituation abzurufen und danach 45 Euro brutto zu verdienen, das halte ich für eine nicht leistungsgerechte Bezahlung“, sagt Thomas Hollweck aus Schwand. „Da ändert für mich auch die erhöhte Bereitschaftspauschale nichts.“

Bayerns Notärzte teilen diese Einschätzung. Statt der bisher tagsüber 91 Euro oder nachts 111 Euro reduziert sich eben diese Einsatzpauschale auf 45 Euro. Zwar erhöht sich die Bereitschaftspauschale, die Notärzten pro Stunde bezahlt wird, je nach Einsatzort auf 13 bis 23 Euro, „doch unter dem Strich werden die Notärzte in Schwabach weniger bekommen“, meinen Andreas Wilhelm, Leitender Notarzt und Ärztlicher Leiter der Notaufnahme am Stadtkrankenhaus Schwabach und sein Kollege Dr. Erwin Horndasch, Vorsitzender des Schwabacher Notarztvereins, im Gespräch mit dem Schwabacher Tagblatt.

Freiwilliger Dienst

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (abgn), der Würzburger Notarzt Dr. Peter Sefrin, befürchtet nach einem Bericht der Main-Post Würzburg gar, dass unter den neuen Bedingungen viele seiner Kollegen nicht mehr arbeiten wollen. Man dürfe nicht vergessen, sagt Sefrin, dass die Notärzte den verantwortungsvollen Dienst freiwillig leisteten – und das zusätzlich zu ihrem hauptamtlichen Dienst in Krankenhäusern oder in ihren Praxen.

Die schlimmste aller schlimmen Szenarien sehen Thomas Hollweck und Andreas Wilhelm für den Notarztstandort Schwabach im Augenblick zwar noch nicht, denn der überwiegende Teil der 15 hier engagierten Kollegen sind „alte Hasen“ und oft schon seit mehr als zehn oder 15 Jahren an Bord. Die meisten sind „Überzeugungstäter“, sagt Wilhelm: sie stammen aus der Jugend des Roten Kreuzes oder der Johanniter, haben Zivildienst im Krankenhaus gemacht und dann Medizin studiert.

Er findet es allerdings befremdlich, dass die KVB, die ja für die Notarztversorgung in Bayern zuständig ist, den Kolleginnen und Kollegen in Zukunft nicht gerade mehr Lust auf Notarzt macht. Standorte wie Greding oder Neuendettelsau (obwohl es dort ein Krankenhaus gibt) könnten schon heute nur schwer besetzt werden, weiß der Mediziner. Da werde auch die erhöhte Bereitschaftspauschale nichts ändern. Denn junge Kollegen haben kein Interesse auf einer Rettungswache herumzusitzen und Däumchen zu drehen. „Die wollen was arbeiten.“

Es sei ein weiterer Baustein, den Notarztdienst unattraktiver zu machen, meint Thomas Hollweck, der schon auch im Hinterkopf hat, dass in naher Zukunft – ähnlich wie in den USA – Notfallsanitäter die Notärzte ablösen könnten. Seit dem Jahr 2006 habe es für Notärzte keine Honorarerhöhungen mehr gegeben, stellt er fest, und jetzt komme der Rasenmäher.

Andreas Wilhelm rechnet zudem vor, dass sich die Einnahmen eines Notarztdienstes um etwa 50 Prozent reduzieren durch Abgaben wie Steuer und Kosten für Fortbildungen (fünf bis sechs pro Jahr), Beiträge zur Krankenkasse und zur Berufsgenossenschaft, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen.

„Was man uns zahlt für einen oft lebensrettenden Einsatz ist weniger als das, was ein Handwerker verdient“, sagt Wilhelm. Und er befürchtet, wie seine Kollegen, dass die Präsenz heimischer Notärzte mit langjähriger Erfahrung in Schwabach und damit die Qualität insgesamt schlechter wird. Die Kenntnis der regionalen Versorgungsstrukturen sei neben der Ortskenntnis ein wichtiges Kriterium, das im Notfall Leben retten könne. Die Kassen könnten hier unnötige Kosten einsparen, wenn ein einheimischer Notarzt zu einem Patienten gerufen werde, der die Patienten und die geeigneten Krankenhäuser kennt.

So hoffen Andreas Wilhelm, Dr. Horndasch, und die meisten im Krankenhaus angestellten Notärzte – wie ihre niedergelassenen Notarztkollegen in ganz Bayern – auf Nachverhandlungen. „Auch wenn ich mich von der KVB als Arzt im Krankenhaus nicht wirklich vertreten fühle“, sagt Wilhelm.

Keine Kommentare