„Offensive Frühe Chance“

17.5.2011, 07:25 Uhr
„Offensive Frühe Chance“

© Wilhelm

Seit 1. Mai ergänzt Nina Eckert-Friesen das 16-köpfige Kindertagesstätten-Team. Die 35-jährige Erzieherin und Sozialpädagogin wird zunächst bis 2014 über die bisherigen Angebote hinaus die Sprachförderung der Kinder intensivieren.

„Echter Glücksgriff“

„Sie ist ein echter Glücksgriff“, freut sich Marita Heiß-Hertle, die Leiterin der Kita. „Als Erzieherin kennt sie die Arbeit in einem Kindergarten. Zusätzlich hat sie Sozialpädagogik studiert und sich so eine wertvolle Doppelqualifikation erworben.“

Hinzu kommt: Nina Eckert-Friesen ist in Russland geboren und aufgewachsen, kam vor 17 Jahren nach Deutschland, weiß aus eigener Erfahrung, wie man Integration lebt, und spricht fließend Deutsch.

Sprache und Integration sind für eine Kita wie St. Matthäus eine alltägliche Aufgabe. Und eine Herausforderung. 79 Mädchen und Jungen besuchen drei Kindergarten- und die Krippengruppe. „49 Prozent haben Migrationshintergrund. Die Kinder kommen aus 20 verschiedenen Ländern“, berichtet Marita Heiß-Hertle. Zahlen, die mit dafür ausschlaggebend waren, dass St. Matthäus die zusätzliche Stelle bekommen hat.

„Wir sind so etwas wie ein Brennpunkt-Kindergarten, wobei ich mich gegen den Begriff Brennpunkt wehre“, so Heiß-Hertle. Vielfalt der Nationalitäten: „Das ist doch auch etwas Schönes.“ Und die Quote war vor einigen Jahren sogar noch deutlich höher.

Die Probleme kleinreden will die Kita-Leiterin aber nicht. Es gibt sie nämlich durchaus, jene Familien, die zuhause kein Wort Deutsch sprechen und es Kindergarten und Schule überlassen, ihren Kindern die nötigen Sprachkenntnisse zu vermitteln. „Wir haben sechs Kinder, bei denen das leider so ist. Sechs von 79. Das ist also nicht die Regel. Aber es sind sechs zuviel“, betont Marita Heiß-Hertle.

Mit Nina Eckert-Friesen hat sie nun eine Kollegin, die aufgrund ihrer eigenen Biographie geradezu prädestiniert ist, vor allem auf so genannte „russlanddeutsche“ Familien zuzugehen, von denen viele im Eichwasen wohnen. Sie versteht deren Kultur, sie spricht Russisch und sie kann psychologische Barrieren gegenüber deutschen Institutionen abbauen.

Auf Eltern zugehen

„Ich hoffe, dass ich einen Zugang zu den Eltern finde“, sagt Nina Eckert-Friesen. Sie selbst ist zweifache Mutter. „Deutschland ist die Heimat meiner Kinder. Ich will natürlich, dass sie die Sprache lernen.“ Genau diese Haltung will sie im Elternkontakt vermitteln.

Eine Art Nachhilfeunterricht für Kinder wird sie aber nicht geben. Und zwar ganz bewusst nicht. Denn zum einen gibt es bereits Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund durch den Integrationsbeirat, die Kita und die Christian-Maar-Schule. „Was die Grundkenntnisse angeht, sind die Kinder gut versorgt“, sagt Kita-Leiterin Heiß-Hertle.

Zum anderen verfolgt die „Offensive Frühe Chance“ ein anderes Konzept. „Es geht eben gerade nicht darum, die besonders Schwachen auszusortieren. Vielmehr wollen wir alle Kinder fördern, und zwar in ihren Stärken“, so Heiß-Hertle weiter.

Die genauen Details des Konzepts werden derzeit noch im Familienministerium erarbeitet. Nina Eckert-Friesen nutzt diese Zeit zum Kennenlernen des Teams und vor allen der Kinder. „Ich gehe in alle Gruppen und bespreche mit ihnen zum Beispiel Bilderbücher. Wir betrachten sie, wir lesen daraus vor, die Kinder kommen so ins Gespräch und reden miteinander. Und das ist ja der Sinn.“

Neubau für St. Matthäus

Träger des Kindergartens ist die evangelische Kirchengemeinde St. Martin, zu der St. Matthäus gehört. Dr. Paul-Hermann Zellfelder, der geschäftsführende Pfarrer von St. Martin, ist sehr froh über dieses zusätzliche Angebot. Einen Punkt aber sieht er kritisch: „Dass solche sozialen Projekte oft nur auf drei Jahre angelegt sind, ist eine Seuche“, formuliert er ungewohnt drastisch. „Wir wollen versuchen, die Stelle über 2014 hinaus zu finanzieren.“

Unabhängig davon stehen große Veränderungen an: Die Kindertagesstätte St. Matthäus soll einen Neubau erhalten. Im jetzigen Holzgebäude ist zum Beispiel das Dach nicht mehr dicht. Zellfelder: „Eine Sanierung lohnt nicht mehr.“