Schwabach: Bachs Johannes-Passion in der Stadtkirche

3.4.2017, 14:04 Uhr
Schwabach: Bachs Johannes-Passion in der Stadtkirche

© Hans von Draminski

Man weiß heute, dass Bach ziemlich sicher alle vier Evangelien hinsichtlich des Passionsgeschehens vertont hat. Erhalten blieben freilich nur die Johannes- und die deutlich ausgedehntere Matthäus-Passion.

Dem "kleineren" (und älteren) Werk widmeten sich Klaus Peschik und sein spürbar motiviertes Ensemble mit viel Herzblut und jenem Maß musikalischer Souveränität, das für diese anspruchsvolle Komposition zwingend erforderlich ist.

Denn Bach machte es sich und den Ausführenden gewiss nicht leicht: Komplexe Kontrapunkte, überraschende Harmonie- und Tonartenwechsel sowie vielgestaltige Rhythmik dienten dem Thomaskantor dazu, Verurteilung und Kreuzigung Jesu Christi in ein ebenso dramatisches wie differenziertes Gewand zu kleiden.

Auf den Punkt vorbereitet

Klaus Peschik weiß um die Stolpersteine und die Klippen dieses Werkes, das dem Musiktheater-Gedanken sehr nahe kommt. Peschik hat nicht nur seinen Chor auf den Punkt vorbereitet und dem Orchester hörbar Aufmerksamkeit angedeihen lassen, sondern auch bei der Auswahl der Solisten zu regionalen Kirchenmusik-"Stars" gegriffen. Der Tenor Reiner Geißdörfer zählt derzeit zu den führenden Sängern seiner Zunft in der Metropolregion, auch die Sopranistin Corinna Schreiter, die Mezzosopranistin Renate Kaschmieder und der Bass Andreas Czerney sind ausgesprochen gefragte Persönlichkeiten mit viel Erfahrung bei der Interpretation kirchenmusikalischer Werke.

Schwabach: Bachs Johannes-Passion in der Stadtkirche

© Hans von Draminski

Im Jahr 2017 kommt man an den Erkenntnissen der Historischen Aufführungspraxis längst nicht mehr vorbei, selbst wenn man wie Peschik & Co. auf die Klanggewalt eines Orchesters aus modernen Instrumenten setzt. Deshalb ist auch die Gambistin Christina Hussong dabei: Eine Viola da Gamba als Accompagnato-Instrument gibt Soloarien eine andere Färbung, einen anderen Hautgôut, der mit einem Barockcello so nicht zu erreichen wäre.

Geschärfte Artikulation

Zudem lässt Peschik "historisch informiert" musizieren. Die Tempi sind straff, wenngleich nie überzogen schnell; die Artikulation erscheint geschärft. Und außerdem legte der Dirigent bei Chor und Soli hörbares Gewicht auf Wortverständlichkeit: Das dramatische Geschehen bekommt man auch ohne Lektüre des Programmheftes mit.

Zugleich achtete Klaus Peschik sorgsam darauf, kein akustisches "Sandalenkino" zu inszenieren, wie dies beispielsweise vor rund 50 Jahren Karl Richter tat. Stattdessen darf Bachs Musik ebenso für sich selbst sprechen, wie der plastisch ausformulierte Text, der Pilatus‘ Seelenqualen ebenso beleuchtet wie die Wut des jüdischen Volkes und Petrus‘ Verrat an seinem Messias. Innere Bewegtheit ersetzt äußerlichen Aktionismus.

So entsteht eine Passionsdeutung aus einem Guss, zumal die Ausführenden auch stimmlich ansprechend disponiert sind und sich von der Werk-immanenten Macht des Bach-Opus mitreißen lassen. Gelebter Glaube in dieser Intensität kann Kirchenwände zum Wackeln bringen.

1 Kommentar