Schwabach: Depression ist keine Charakterschwäche

4.4.2018, 05:58 Uhr
Schwabach: Depression ist keine Charakterschwäche

© Foto: Arno Heider

(Auf die Idee zu dem Gottesdienst war Pfarrerin Renate Schindelbauer gekommen, da sie überzeugt ist, dass in der Öffentlichkeit mehr über Depression gesprochen werden muss. "Depression ist keine Lebenseinstellung, sondern eine schwere Erkrankung", sagte sie und fand gar im Alten Testament Verse mit dem Hinweis, dass Depression nichts Neues ist.

"Ich finde keinen Schlaf und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dach. Den ganzen Tag verhöhnen mich meine Feinde. Was ich esse, schmeckt nach trockenem Staub. Was ich trinke, ist mit meinen Tränen vermischt. Mein Leben ist nur noch ein langer Schatten. Ja, ich fühle mich matt wie verdorrtes Gras", zitierte ein Angehöriger der Schwabacher Selbsthilfegruppe aus dem Psalm 102.

"Wer mit diesem Leiden leben muss, der weiß nicht mehr, wie es ihm geht", beschrieb eine Betroffene die psychische Erkrankung, auch wenn der Begriff "Burnout" statt "Erschöpfungsdepression" dies ein wenig gemildert habe. Von Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Krämpfen und Schmerzen sprach die Frau, aber auch davon, dass es aus Scham oft viel Zeit brauche, um über die Krankheit zu sprechen.

Dr. Doris Peters, die in Rednitzhembach praktiziert und in Dietersdorf wohnt, bestätigte dies. "Manchmal sehe ich es einem Patienten schon in der Türe an, dass da was in Richtung Depression sein könnte", berichtete sie aus ihrem Berufsalltag. "Nee, bei mir passt alles", diesen Satz höre sie dann immer wieder, doch erst wenn sie nachfrage, "brechen manchmal alle Dämme."

Schwabach: Depression ist keine Charakterschwäche

© Symbolbild: colourbox.de

"Das Gute ganz klein"

Natürlich erklärt die Ärztin, dass Depression keine Charakterschwäche ist, sondern eine Frage der Chemie im Kopf: Weil die beiden Gehirnhälften einfach nicht mehr kommunizieren können. "Das Schlimme wird ganz groß und das Gute ganz klein", weiß sie. Natürlich erklärt die Ärztin auch, dass Depressionen – es gibt mehrere Formen – mittlerweile gut behandelbar sind mit Medikamenten und Psychotherapie.

Und ein bisschen ungehalten wird Doris Peters, als sie auf die extrem langen Wartezeiten bei Psychotherapeuten und Psychiatern zu sprechen kommt: "Da müsste politischer Druck aufgebaut werden", sagt sie, die Krankenkassen könnten es sich durchaus leisten.

Um der Gleichgültigkeit des Gesundheitssystems etwas entgegenzusetzen, können Selbsthilfegruppe durchaus eine kleine Hilfe sein, erfahren die Gottesdienstbesucher. Ersatz für eine Therapie oder fachärztliche Behandlung sind sie freilich nicht. "Ich fühle mich unter Gleichgesinnten, habe keine Angst, über meine Probleme zu reden, fühle mich nicht alleine", machte eine depressive Frau Mut zum Besuch einer Gruppe.

"Es bringt mir nichts, die Depression zu verleugnen oder sie weghaben zu wollen", sagt ein Mann, der sich nach vielen Jahren mit der Erkrankung dazu entschlossen hat, ein Leben leben zu wollen, in dem er mit der Depression umgehen kann: "Hin zum Umgang mit der Depression – statt ein weg von ihr."

Das nächste Treffen der Selbsthilfegruppe Depression in Schwabach findet am Montag, 9. April, um 19 Uhr in den Räumen der Awo Roth-Schwabach in der Nördlichen Ringstraße 11a statt. In Roth gründet sich am Mittwoch, 11. April, um 19 Uhr in den Räumen der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (Kiss) Roth, Sandgasse 5, eine neue Gruppe. Interessenten sind herzlich willkommen. Kontaktaufnahme unter Tel. (0 91 71) 9 89 73 70 oder roth@kiss-mfr.de

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