Schwabach: Paukenschlag im Prozess gegen Polizisten

1.11.2018, 05:58 Uhr

Der Mann steht vor Gericht, weil er als Führungsperson seinen Kontrollpflichten nicht nachgekommen sein soll und weil er bei einem Prozess vor einem Jahr gegen seine ehemalige Mitarbeiterin falsch ausgesagt haben soll.

Zu Unrecht angeklagt?

Noch zu Prozessbeginn hatte Richterin Andrea Elfrich angedeutet, dass man das aufwändige Verfahren deutlich hätte abkürzen können. Denn sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft hätten mit einem Strafbefehl gegen den Polizeibeamten gut leben können – ein Indiz dafür, dass man die Verfehlungen des früheren Kommissariatsleiters nicht allzu schwer eingestuft hatte.

Doch der Polizist sieht sich zu Unrecht in der Schusslinie – und wollte den Fall bis zum Ende mit seinem Verteidiger Christian Veit ausfechten. Er sei seinen Kontrollpflichten einer Mitarbeiterin gegenüber durchaus im Rahmen des Üblichen nachgekommen – er sei aber von dieser Mitarbeiterin mehrfach belogen worden, sagte er vor Gericht. "Ich habe ihr geglaubt. Die Erklärungen, warum an manchen Fällen so lange gearbeitet worden ist, waren schlüssig", erklärte der Angeklagte.

Tragischer Fall

Der Fall hatte, wie berichtet, überregional für Schlagzeilen gesorgt. Bei einer versuchten sexuellen Nötigung einer jungen Frau auf dem Radweg zwischen Wolkersdorf und Schwabach hatte die Polizei DNA-Spuren des zunächst unbekannten Täters sichergestellt. Hätte die mit dem Fall betraute Polizistin diese DNA-Spuren von der Gerichtsmedizin in Erlangen auswerten lassen, wäre man dem Täter schnell auf die Spur gekommen, denn er war in einem ähnlichen Fall zuvor schon einmal in Augsburg aufgefallen.

Die Polizistin behauptete gegenüber ihrem Vorgesetzten – dem jetzt angeklagten Kommiassriatsleiter —, dass die DNA-Auswertung keinen Treffer ergeben habe. Dabei hatte sie die Proben gar nicht nach Erlangen geschickt. Nur deshalb konnte der Täter Monate später in Forchheim noch einmal zuschlagen, ehe er geschnappt wurde. Die Polizistin, die sich seit Jahren in psychischer Behandlung befindet, wurde im November 2017 wegen dieses und wegen einiger anderer Fälle wegen "Strafvereitelung im Amt" angeklagt und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt (wir berichteten). Sie ist inzwischen aus dem Polizeidienst entlassen. Der Fall war damit aber nicht abgeschlossen. Jetzt saß ihr damaliger Chef auf der Anklagebank, der beim Prozess vor einem Jahr als Zeuge ausgesagt hatte.

Schwere Vorwürfe

Diesmal als Zeugin vor Gericht: Die Chefin des ehemaligen Chefs, also Cora Miguletz, die Leiterin der Kriminalpolizei Schwabach. Und sie machte dem früheren Kommissariatsleiter schwere Vorwürfe. Der Fall der sexuellen Nötigung sei zwar nicht einmalig, aber doch von herausragender Bedeutung gewesen. Da könne ein Kommissariatsleiter bei der Kontrolle seiner Mitarbeiter nicht die 08/15-Methode anwenden. "Die sensiblen Fälle muss man im Blick haben", sagte Miguletz.

Es sei ein Versäumnis des Kommissariatsleiters gewesen, von der Mitarbeiterin, die bei der Kripo ohnehin als eher schwache Polizistin eingeschätzt gewesen sei, nichts Schriftliches angefordert zu haben, warum die Bearbeitung von einzelnen Fällen so lange dauere. "Das kann man nicht auf Zuruf machen."

Frist bis 9. November

Damit war der Angeklagte schwer belastet. Das kam überraschend, denn die zwei Zeugen zuvor – der Vorgänger des Angeklagten als Kommissariatsleiter und der aktuelle Leiter dieses Kommissariats – hatten entweder eher die Version den Angeklagten gestützt oder sich tendenziell unverfänglich geäußert.

Nach der ausführlichen Aussage von Kripo-Chefin Miguletz zogen sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Rechtsgespräch zurück. Und danach stand keine Geldstrafe mehr im Raum wie noch am Morgen, sondern eine Bewährungsstrafe. Bis 9. November gab Richterin Elfrich dem Angeklagten Zeit, über das "Angebot" des Gerichts nachzudenken. Lehnt er es ab, wird der Prozess am 13. November fortgesetzt.

Schwer nachvollziehbar

Egal, wie dieser Fall ausgeht, die Öffentlichkeit bleibt einigermaßen ratlos zurück. Die Verfehlungen gab es ja im "K1", gewissermaßen dem "Königs-Kommissariat" der Kriminalpolizei. Dort also, wo die wirklich großen Dinge auf den Schreibtischen der Beamten landen: Tötungsdelikte, Sexualstraftaten, Kinderpornographie. Warum ausgerechnet eine, wie alle Beteiligten betonen, sehr leistungsschwache Polizistin mit heiklen Sexualstrafsachen betraut wird, ist kaum nachzuvollziehen.

Allerdings kann man das wohl nicht nur dem direkten Vorgesetzten anlasten. Er habe bei seiner Vorgesetzten durchaus darauf aufmerksam gemacht, dass die (inzwischen entlassene) Kollegin, was ihre Leistungen angehe, eigentlich nicht ins "K1" passe, sagte der Angeklagte vor Gericht.

Das bestätigte die Kripo-Chefin später im Zeugenstand. Eine Zuständigkeit bei sich sah sie aber nicht. "Man kann nicht Personen einfach von A nach B verschieben. Ein Kommissariatsleiter ist ein hochdotierter Beamter. Er hätte seine Mitarbeiterin einfach enger und besser führen müssen."

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