Schwabach und Roth sagen Nein zu neuer GroKo

16.1.2018, 05:58 Uhr
Fortsetzung der GroKo? Nicht, wenn es nach den Delegierten aus Roth und Schwabach geht.

© dpa Fortsetzung der GroKo? Nicht, wenn es nach den Delegierten aus Roth und Schwabach geht.

Peter Reiß, Vorsitzender Schwabach: Er vertritt Schwabach beim Parteitag als einer der 600 Delegierten, wird also den Kurs mitentscheiden. "Im Bewusstsein dieser Verantwortung" hat er am Montag eine Rundmail an die Mitglieder geschickt.

Die zentrale Botschaft: "Ich stimme gegen Koalitionsverhandlungen", kündigte er auf Tagblatt-Nachfrage an. "Mir fehlt der große Wurf. Ein ,Weiter so‘ will ich aber auf keinen Fall." Das habe auch die jüngste Mitgliederversammlung der SPD so gesehen. Reiß weiter: "Es gibt nur einige Tropfen auf den heißen Stein. Das kann ich so nicht mittragen." Eine Koalition auf Basis dieser Sondierung wäre "der erste Schritt in die vollkommene Bedeutungslosigkeit der SPD."

Tatsächlich habe die SPD "gute Bausteine" untergebracht, etwa die Stabilisierung des Rentensystems und sozialen Wohnungsbau gegen explodierende Mieten. "Und doch frage ich mich: Soll das alles sein?" Die Union habe die Bürgerversicherung verhindert und setze mit ihrer Obergrenze für Flüchtlinge auf Abschottung.

Sein Fazit: "Es reicht mir nicht, dass die Sozialdemokratie sich für die Regierungsbildung so weit verbiegen muss, dass sie Gefahr läuft, nicht mehr Sozialdemokratie zu sein."

Reiß wäre für eine Minderheitsregierung, weiß aber auch, dass sie kaum realistisch scheint. Deshalb: "Wir müssen selbst Neuwahlen in Kauf nehmen, selbst wenn diese für uns noch schlechter als die letzten Wahlen ausgehen."

Haltung bestärkt

Eine Versammlung sei so kurzfristig nicht organisierbar gewesen. So stellt sich Reiß zumindest per Mail der Diskussion und bittet die Mitglieder um ihre Meinung (peter.reiss@spd-schwabach.de). "Ich will Kritik gerne ernst nehmen", versichert Reiß. Die ersten Reaktionen hat er schon am Montagvormittag erhalten. Die meisten hätten ihn in seiner Haltung bestärkt.

Schwabach und Roth sagen Nein zu neuer GroKo

© Zeichnung: Michael Süllner

Helga Schmitt-Bussinger, Landtagsabgeordnete: "Ich kann die Position von Peter Reiß nicht teilen. Auch ich würde mir eine Bürgerversicherung und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes wünschen, aber wir sind eben nur einer der Koalitionspartner."

Umgekehrt gebe es eine Reihe von wichtigen sozialdemokratischen Punkten in dem Sondierungspapier: "Mehr Geld für Pflege, paritätische Krankenkassenfinanzierung, gebührenfreie Kitas, sozialer Wohnungsbau, Sicherung der Rentenniveaus, Solidarrente", listet sie auf. "Das alles sind Punkte, die ohne uns nicht verwirklicht werden." Deshalb ist Schmitt-Bussinger dafür, "auf jeden Fall Koalitionsverhandlungen zu führen". Die letzte Entscheidung falle dann ohnehin in einem Mitgliedervotum.

Was ist die Alternative?

Zudem sei zu fragen: Was ist die Alternative? Da die Union eine Minderheitsregierung ablehne, bliebe nur die Neuwahl. "Die stärkt nur die Ränder. Wenn wir nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, dann ist ein gutes Ergebnis utopisch."

Petra Metzger, Delegierte für den Unterbezirk Roth: Es ist beileibe nicht der erste SPD-Bundesparteitag, auf dem Petra Metzger als Delegierte dabei ist. Doch wenn es schlecht läuft, könnte es der letzte sein. "Wenn wir noch einmal GroKo machen, dann muss ich mir schon überlegen, ob die SPD noch meine politische Heimat ist", sagt die Frau, die seit 47 Jahren das rote Parteibuch hat. Für Metzger ist klar, dass sie sich am Sonntag in Bonn gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussprechen wird.

"So was von egal"

Und wenn ihr Bundesvorsitzender Martin Schulz im Falle einer Abstimmungsniederlage mit Rücktritt droht, dann ist es Metzger "so was von egal".

Die Vorsitzende des kleinen SPD-Ortsvereins Kleinschwarzenlohe zählt sich zu den aufrechten Sozialdemokrat(inn)en, denen es um die Sache geht. Sie weiß aber auch, dass ihre SPD in einem außergewöhnlichen Dilemma ist: "Ob wir noch einmal mit der Union koalieren oder ob wir uns diesmal verweigern. Wir werden auf jeden Fall Prügel beziehen und bei der nächsten Wahl noch einmal deutlich in der Wählergunst abrutschen."

Im Vorfeld des Parteitages werden sich die 78 bayerischen Delegierten am Freitag in Nürnberg treffen. Metzger sagt, dass es schon einen gewissen Druck vom Vorstand gebe, die Koalitionsverhandlungen abzusegnen. "Doch wir Bayern", so gibt sich die Kleinschwarzenloherin zuversichtlich, "sind da ganz renitent".

Kritische Basis

Sven Ehrhardt,SPD-Kreisvorsitzender Roth: "Die Sondierung ist nicht der große Wurf", sagt er. Ohnehin sei er kein großer Freund einer weiteren Regierungszusammenarbeit von CDU/CSU und SPD. Auch habe sich gezeigt, dass viele "Herzblutthemen" wie die Bürgerversicherung oder die Erhöhung des Spitzensteuersatzes mit der Union nicht zu machen seien. GroKo-kritisch habe er als Kreisvorsitzender in den vergangenen Tagen auch die Basis im Landkreis erlebt.

Schade wäre es, wenn das Aus der GroKo auch das Aus für Martin Schulz bedeuten würde. "Ihn schätze ich sehr", betont Sven Ehrhard. "Aber eine Erneuerung innerhalb der Führungsriege an der Spitze der SPD würde der Partei insgesamt guttun."

Der Wind hat sich gedreht

Marcel Schneider, SPD-Landtagskandidat aus Rednitzhembach: Der Wind hat sich gedreht. Wer ihn zu Beginn der Sondierung gefragt hätte, ob er pro oder kontra "GroKo" sei, dann hätte Schneider wohl für das "Pro" plädiert. Doch die Sondierung habe ihn eher ernüchternd. "In dem 28-Seiten-Papier sind mir zu wenige sozialdemokratischen Themen drin."

Und dann noch das ständige Nachtreten von CSU-Mann Alexander Dobrindt, der SPD-Vorsitzenden Martin Schulz aufgefordert hat, den "Zwergenaufstand" in der SPD zu beenden. Für Schneider sind solche Aussagen "Unverschämtheiten und völlig unakzeptabel." Da würden die ganz normalen SPD-Mitglieder beleidigt und verunglimpft. So schaffe man kein Vertrauen zwischen möglichen Partnern.

Deutliche Jusos

Magdalena Reiß, stellvertretende Juso-Vorsitzende Schwabach, Maximilian Lindner, Vorsitzender Jusos Roth: Die Jugendorganisation hat für Martin Schulz nur beißende Ironie übrig. Das zeigt die Karikatur, die sie der Pressemitteilung angefügt hat, davon zeugt aber auch der Ton.

"Danke, lieber Martin! Danke, liebes Sondierungs-Team", beginnt der offene Brief, "so viele Stunden habt ihr euch für unsere Partei um die Ohren geschlagen, um 28 Seiten Papier zu füllen. Für solch einen Ofenanzünder hätten wir aber auch in den Baumarkt fahren können."

Weiter heißt es: "Die präsentierten Kompromisse sind ein Verrat an unseren Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Und sie sind von sozialer Gerechtigkeit Lichtjahre entfernt." Dieses Resultat "zerstört das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit".

Zögerliches Ja

Felix Fröhlich, Bürgermeister von Rohr: "Ich würde für Ja stimmen, weil Deutschland bei der derzeitigen Situation in Europa eine stabile Regierung braucht." Schlimm wäre, wenn sich die Verhandlungen nur auf das Thema Flüchtlinge konzentrieren würden. Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich zunehmend, Verbesserungen für Arbeitnehmer seien nötig und auch der Klimaschutz dürfe nicht wieder zurückgefahren werden. Nachverhandlungen sind für Fröhlich kein Tabu. "Nachdem die Jamaica-Sondierungen so kläglich gescheitert sind, wäre es arrogant zu sagen: Da geht nichts mehr."

Kein "weiter wie bisher"

Robert Pfann, Schwanstettens Bürgermeister: "Der große Wurf – wie uns das die Vorsitzenden aller drei Parteien weiß machen wollen – ist das nicht." Er vermisst die sozialdemokratische Handschrift. Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, schwer zu bezahlende Mieten, eine schwindende Mittelschicht, das müsse ernst genommen werden. Der Kompromiss laufe zu sehr auf ein "weiter wie bisher" hinaus.

Bei Aussagen wie der von Dobrindt zum "Zwergenaufstand" gehe "so manchem in der SPD das Messer in der Tasche aufgeht". Es müsse vernünftig miteinander verhandelt werden. Wenn jedoch "nicht deutlich nachgebessert wird", würde Pfann eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung vorziehen. "Das wäre zwar anstrengend, könnte dem Land aber guttun."

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