Solawi zeigt, wie's geht: Ernteteiler helfen „Wichtelhof“

18.5.2015, 09:40 Uhr
Solawi zeigt, wie's geht: Ernteteiler helfen „Wichtelhof“

© Foto: Leykamm

Die Idee ist einfach: Mehrere Kunden, oder besser: „Ernteteiler“, beziehen ihre Lebensmittel als Abonnenten direkt von einem Bauernhof, garantieren damit sein Überleben und dürfen im Gegenzug mitbestimmen, was dort angebaut wird. So das Prinzip der Initiative „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi), die in der Biometropole Nürnberg mehr und mehr Fuß fasst und zum Beispiel auch vom „Wichtelhof“ in Wildenbergen unterstützt wird.

Ökologischer Weg ist richtig

Der Betrieb in dem Rohrer Ortsteil befindet sich derzeit in einer Umstellungsphase. Alles soll „bio“ werden: Die Gaststätte ist es schon, der Bauernhof macht sich gerade auf den Weg dorthin. Die Veränderung habe zwar das Familienunternehmen vor große Herausforderungen gestellt, erklärte Juniorchefin Sabine Schwab-Hirschmann bei einer Exkursion Solawi-Interessierte aus dem Raum Nürnberg. Doch alle auf dem „Wichtelhof“ sind überzeugt, dass der eingeschlagene „ökologische Weg“ der richtige ist.

Es herrschen klare Grundsätze: Natürliche und artgerechte Tierhaltung, nachhaltige Landwirtschaft, eigene Herstellung von Wurst- und Fleischprodukten, regionale und saisonale Produkte und verantwortungsvoller Umgang mit der Natur werden groß geschrieben. Zum Beispiel, so erläuterte es Seniorchef Wilhelm Schwab, leben die Kühe ganzjährig in Herden zusammen. Und als einer der wenigen landwirtschaftlichen Betriebe in der Region praktiziert man hier die Weidehaltung.

Dass Solawi-Betriebe unterstützt werden, versteht sich von selbst. Im Landkreis Roth betreibt Landwirt Karl Dollinger in Offenbau einen Biolandhof, wo er Gemüse, Obst und Getreide anbaut. Er ist zugleich der letzte, verbliebene Milchbauer seines Ortes. Und wird es nun dank Solawi auch bleiben können. Denn beinahe hätte der Herr über 15 Kühe deren Stalltür für immer zugesperrt. Doch dann fing Dollinger Feuer für die Idee der Solidarischen Landwirtschaft. Heute ist sein Hof, auf dem sich die Kühe nun weiterhin wohlfühlen dürfen, der mit den meisten Ernteteilern (derzeit sind es etwa 50) der gesamten Nürnberger Solawi-Initiative.

Bauer kann aufatmen

Sie ist ein Kind zweier Eltern, die optimal zusammenpassen. Sie heißen „Bio-Metropole Nürnberg“ und „Öko-Modellregion“, wie sich der Verbund von Stadt Nürnberg, Nürnberger Land und Landkreis Roth seit gut einem Jahr nennen darf.

Als beteiligter Bauer kann man in Sachen Existenzangst erst einmal aufatmen. Denn nun ist es die Vielzahl der beteiligten Privathaushalte, die die Kosten des landwirtschaftlichen Betriebes tragen, der die Teilnehmer wöchentlich mit den Ernteerträgen der jeweiligen Saison beliefert. Die Kommission der Ware hat im Hause Dollinger der Untersteinbacher Peter Seitz übernommen, der die Pakete zusammenstellt und sie jede Woche zu den diversen Depots im Raum Nürnberg sowie in Rednitzhembach fährt. Das Netz soll noch weiter ausgebaut werden.

Verpflichtung für ein Jahr

Die Ernteteiler verpflichten sich für ein Jahr zur Abnahme, ein einmonatiges „Probe-Abo“ ist möglich. Eine Kiste mit dem jeweiligen Ernteteil reicht für etwas mehr als eine Person. Die Kosten für die wöchentlichen Pakete (die derzeit hauptsächlich Gemüse enthalten, eine Komplettlösung inklusive Fleisch etc. ist aber anvisiert) bewegen sich derzeit bei 70 bis 80 Euro im Monat.

Derzeit stehe die Solawi-Initiative Nürnberg aber „noch am Anfang“, wie Werner Ebert von der Stadt Nürnberg bei der Exkursion betonte. Insgesamt gäbe es bei fünf beteiligten Bauernhöfen derzeit 80 Ernteteiler, bis zum Jahresende hoffe man aber die 100 voll zu bekommen, so Ebert. Danach soll der Stein noch mehr ins Rollen kommen.

Die Idee zieht Kreise

Die bundesweite Tendenz beeindruckt. Vor 20 Jahren noch hätte man die Solawi-Betriebe an einer Hand abzählen können, erklärt Ebert. Mittlerweile „sind 50 Projekte am Laufen und weitere 50 gerade am Entstehen.“

Die Idee zieht also Kreise, auch wenn sie ein Umdenken erfordert. Denn je nach Saison gibt es dann eben einmal viel Salat, dann mal gar keinen, dafür aber Sauerkraut. So mancher Verbraucher müsse lernen, „im Winter ohne Zucchini auszukommen“, so Dollinger. Erdbeeren gibt es auch nur dann, wenn eben ihre Zeit gekommen ist – aber dann schmecken sie ohnehin am besten.

Zudem gäbe es bei den Ernteteilern mittlerweile einen regen Austausch an saisonalen Rezepten, betont Ebert.

Die Teilnahme an dem Projekt lässt Dollinger auch an einer Tierhaltung festhalten, die ihm lieb ist: Die Kühe behalten ihre Hörner, die Kälber bekommen ihre Milch vom Euter – die Ertragsverluste nimmt der Biobauer da gern in Kauf.

Die Marschroute für dieses Jahr ist schon vorgegeben, das jährliche Planungstreffen mit den Ernteteilern fand bereits statt. Eine Werbekampagne für Solawi soll im Juni an den Start gehen.

Bewahrung der Unabhängigkeit

Sehr zur Freude etwa auch von Christine Kayser, umweltpolitische Sprecherin der Nürnberger SPD-Fraktion im Stadtrat. Solawi leiste einen entscheidenden Beitrag zur Bewahrung der Unabhängigkeit hiesiger Landwirte und stelle damit eine Gegenbewegung zum Freihandelsabkommen TTIP dar, so ihre Überzeugung.

Es versteht sich von selbst, dass Kayser noch an der Exkursion zum Ernteteiler Dollingers avancierte. Lob gab es an der Rundreise auch von Thomas Pichl, oberster Wirtschaftsförderer aus den Reihen des Landratsamtes.

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