Spiel ohne Grenzen 1971: Schwabacher erinnern sich

5.3.2019, 05:58 Uhr
Spiel ohne Grenzen 1971: Schwabacher erinnern sich

© Fotos: Privat

Klaus Huber reicht die DVD. Vorpremiere auf dem Tagblatt-Computer. Nach wenigen Clicks kommt die entscheidenden Phase. Schwabach liegt von Anfang an hinten. Drei Spiele vor Schluss steht es immer noch 8:10. Schwabach muss gewinnen. 5000 Schwabacher brüllen "Schwabach, Schwabach, ran, ran, ran", 50 Schorndorfer "Schorndorf uff, nix wie druff".

Camillo Felgen, der beliebte Moderator, sagt das Baumstamm-Wettrennen an. Ilse Katheder sitzt vorne, Hermann Botz hinten, beide paddeln mit einem Tropenhelm. "Vorne war die Intelligenz, hinten die Kraft", witzelt Hermann Botz, ein Meister-Boxer, als er die Bilder sieht. Schorndorf hat auch hier den besseren Start, liegt vorne. Doch dann gehen die Gäste buchstäblich baden. Ilse Katheder und Hermann Botz navigieren geschickter und holen mit großem Vorsprung zwei Punkte. 10:10, endlich der Ausgleich.

"Wir wollten unbedingt gewinnen, dafür hatten wir ja trainiert. Wir waren total happy", erzählt Ilse Müller, wie sie längst heißt.

Schlangenspiel bringt die Entscheidung

Dann die Entscheidung: das Schlangenspiel. Schwabachs Coach, der leider bereits verstorbene Werner Schrödel, setzt den Joker, es geht um vier Punkte. Wer die holt, liegt uneinholbar vorne. Drei Schwimmer müssen eine Riesenschlange quer übers Parkbadbecken ausrollen, zwei Mädchen drüberflitzen. Schorndorf legt vor: 1 Minute 40 Sekunden. Dann läuft die Uhr für Schwabach.

Werner Hechtel, Helmut Schindler und Karl Haag springen ins Wasser, ziehen die Schlange auseinander. Als erstes rennt Heide Blank über das Kunststofftier, dann hängt alles von Erika Kommenda ab. Leicht und locker hüpft sie über die Schlangenteile. "Das war ganz schön wackelig. Aber ich hab’ nicht lang nachgedacht und bin einfach drüber", erzählt Erika Rohrmayr, auch sie ist längst verheiratet, und lacht. "Du warst wie eine Gazelle", findet Hermann Bots. Die Uhr stoppt bei 1:18 Minuten. Der Rest ist grenzenloser Jubel.

"Unser Wunder von Bern"

Sogar getoppt wird er wenig später am 23. Juni. Schwabach hat sich für die internationale Runde in Solothurn qualifiziert. Es ist die Zeit, als vor Live-Übertragungen die Eurovisionsmusik für Gänsehaut sorgt. "Wir hatten die meisten Fans dabei", erinnert sich Karl-Heinz Kaufmann. "Die Schwabanesen mit Mecki Wagner, den Musikzug des TV 48."

Bots und Kaufmann gewinnen das erste Spiel, am Ende siegt Schwabach sogar zum zweiten Mal. Vor Millionen vor den Fernsehern in ganz Europa reckt Hanne Hauselt den Pokal, der heute im Stadtmuseum steht, in den schweizer Nachthimmel. Das Siegerfoto zeigt: Strahlender kann man nicht lachen. "Ja, das war ein schöner Moment", sagt Hanne Hauselt leise.

"Solothurn war unser Wunder von Bern", findet der damalige OB Hartwig Reimann, der sein Team begleitet hatte. "Auf der Heimfahrt hatten wir ein Transparent am Bus. In den Städten haben uns die Leute zugewunken, das war wie eine Triumphfahrt." "Unvergesslich ist auch dem Empfang vor dem Rathaus, der Marktplatz war voll", erinnert sich Hanne Hauselt.

Kostbare Erinnerungsstücke

Und heute, 48 Jahre später? "Für mich hat Spiel ohne Grenzen schon eine große Bedeutung. Den Tropenhelm habe ich noch daheim", sagt Hermann Bots. Auch Karl-Heinz Kaufmann hat noch Erinnerungsstücke aus Solothurn aufgehoben. "Beide Spiele waren ein ganz tolles Erlebnis", so Ilse Müller. "Das ist einfach eine sehr schöne Erinnerung", ergänzt Erika Rohrmayr.

"Und das Allerschönste ist", sagt Hermann Bots, "dass wir uns alle mal wieder gesehen haben."

Beste Einschaltquoten

Auch wenn man über die Begeisterung heute vielleicht schmunzeln mag: "Spiel ohne Grenzen" war das, was man einen "Straßenfeger" nannte. Die ab 1965 ausgestrahlte Show mit Geschicklichkeitsspielen ("Schmierseifenolympiade" genannt) erzielte bis in die siebziger Jahre beste Einschaltquoten.

Die Idee war einfach. Zwei Städte spielen in der nationalen Vorausscheidung gegeneinander, der Sieger qualifiziert sich für die internationalen Runden. Deren Liveübertragungen wurden mit der Eurovisionsmusik angekündigt, was wie die Ouvertüre zu einem Großereignis klang.

Schwabach wurde 1971 im Jahr der 600-Jahr-Feier Gastgeber für Schorndorf. Der WDR verwandelte das Parkbad in eine Dschungelkulisse mit Wasserspielen. Dem knappen Heimsieg folgte der Erfolg in Solothurn. Beinahe hätte es sogar fürs große Finale der jeweiligen Landesbesten gereicht. Doch im letzten internationalen Wettbewerb schaffte Offenburg noch einen einzigen Punkt mehr.

So bleibt in Schwabach nur die Erinnerung an zwei Siege, die in der Stadt eine einzigartige Begeisterung auslösten.

Film wird in voller Länge gezeigt

Lange Jahre galt das Filmmaterial als verschollen. Nach einem Brand im Archiv des Westdeutschen Rundfunks war "Spiel ohne Grenzen" aus Schwabach nicht mehr auffindbar. Doch inzwischen ist es wieder aufgetaucht, und Film-Matinee-Organisator Klaus Huber hat eine DVD der Liveübertragung für 417 Euro Lizenzgebühr erworben. So kommt es am Sonntag, 10. März, um 11 Uhr im Luna zur Premiere: Erstmals ist Schwabachs Topereignis des Jubiläumsjahrs 1971 in voller Länge zu sehen. Zudem läuft ein Super-8-Film-Film über den Jubiläumsfestzug. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.

Die Teilnehmer:

Spiel am 8. Mai 1971 im Schwabacher Parkbad gegen Schorndorf: Hans Beil, Heide Blank, Hermann Botz, Walter Döll, Helmut Gerhardt, Werner Großer, Karl Haag, Günther Häring, Werner Kammerloher, Hans Katheder, Ilse Katheder, Karl-Heinz Kaufmann, Erika Kommenda, Herbert Rößner, Walter Ryschka, Helmuth Schindler, Manfred Seifert, Helmut Steinbauer. Trainer waren Werner Schrödel, Hans Zuleeg und Rainer G. Leuthold.

Internationales Spiel am 23. Juni 1971 Solothurn gegen Melfi (Italien), Kendall (England), Mulhouse (Frankreich), Drachten (Niederlande), St. Niklaas (Belgien) und Willisau (Schweiz): Werner Schrödel, Rainer G. Leuthold (beide standen diesmal in der Mannschaft), Werner Großer, Karl-Heinz Kaufmann, Hermann Botz, Helmuth Gerhardt, Walter Ryschka, Hans Katheder, Werner Kammerloher, Helmut Steinbauer, Klaus Goller, Alfons Matula, Fritz Meier, Richard Sichert, Arthur Weiß, Ilse Katheder, Heide Blank, Hanne Hauselt, Monika Döll, Hannelore Bindl. Trainer: Hans Zuleeg.

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