Stimmen aus Schwabach und Roth: Wie weiter nach Jamaika?

20.11.2017, 14:41 Uhr
 Stimmen aus Schwabach und Roth: Wie weiter nach Jamaika?

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Schwabachs CSU-Kreisvorsitzender Karl Freller und der Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser sehen die SPD nun in der Verantwortung und ziehen eine neue große Koalition Neuwahlen vor. Schwabachs SPD-Vorsitzender Peter Reiß und der Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert halten von einer schwarz-roten Neuauflage dagegen wenig.

Das Tagblatt hat am Montagvormittag erste Reaktionen eingeholt. Ein Überblick:

"Schade, aber nachvollziehbar"

Axel Rötschke (Schwabachs FDP-Kreisvorsitzender und Stadtrat): "Ich finde es schade, aber absolut nachvollziehbar", kommentiert Rötschke das Vorgehen der Parteispitze um Christian Lindner. "Das wäre eine neue Chance gewesen. Aber die letzten Wochen haben ja gezeigt, dass es diverse Knackpunkte gibt. Es hat sich abgezeichnet, dass es schwierig wird." Den Jamaika-Parteien habe "die große Vision für Deutschland gefehlt". Jetzt werde jeder versuchen, "mit dem Finger auf die anderen zu zeigen", befürchtet Rötschke.

"Wir aber machen keine Schuldzuweisungen. Es hat eben inhaltlich nicht gereicht." Dass Lindner diesen Schritt längst geplant habe, das glaube er nicht. Wie weiter? "Ich weiß es nicht", sagt Rötschke offen. "Der Ball liegt bei Kanzlerin Merkel. Sie muss die Regierung bilden und vielleicht etwas ambitionierter rangehen als nur zu moderieren."

"Neue Große Koalition"

Karl Freller (Kreisvorsitzender der CSU Schwabach und Landtagsabgeordneter): "Es sieht so aus, als seien sich Union und Grüne näher gekommen, aber dann hat die FDP einen Schnitt gemacht", sagt Freller, der sich mit anderen Landtagsabgeordneten auf einer Dienstreise befindet und von Estland aus die Ereignisse verfolgt hat. "Jetzt wird wieder die SPD ins Spiel kommen. Sie hat nun eine Riesenverpflichtung" betont Freller. Die SPD könne nicht mehr einfach weiterhin "ohne uns" sagen. "Eine neue große Koalition wäre mir lieber als Neuwahlen, die der AfD wahrscheinlich weitere Zugewinne brächten." Innerhalb der CSU mahnt Freller nun schnelle personelle Entscheidungen mit Blick auf die Landtagswahl 2018 an und macht aus seinem Favoriten keinen Hehl: "Markus Söder kann ich mir als sehr guten Ministerpräsidenten vorstellen."

"Personell neu aufstellen"

Michael Frieser (direkt gewählter CSU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürnberg-Süd/Schwabach): "Zumindest der Zeitpunkt ist schon eine Überraschung. Jetzt haben wir eine bedenkliche Situation, aber keine Katastrophe. Es gibt ja eine Reihe von Optionen." Eine Minderheitenregierung aber sei "keine Dauerlösung". Und eine Neuwahl? "Keiner glaubt, dass sie ein wesentlich anderes Ergebnis brächte. Außerdem sind wir keine Bananenrepublik, die solange wählen lässt, bis es den Politikern passt." Wie Freller favorisiert Frieser eine Neuauflage der großen Koalition: "Eine Partei mit der demokratischen Tradition der SPD sollte sich zumindest zu Gesprächen bereit erklären. Sie kann nicht in der Schmollecke bleiben."

Und Frieser ergänzt: "Dass es jetzt nicht mehr allein um Inhalte und Themen geht, ist auch klar. Die CSU ist gut beraten, sich schnellsten personell neu aufzustellen. Es ist unbestritten, dass dabei Markus Söder eine tragende Rolle spielen wird." Ob dies der Anfang vom Ende nicht nur für Seehofer, sondern auch für Merkel sei? "Ich habe anderen Parteien nichts zu raten. Aber personelle Fragen stellen sich auch andere."

"Ich will keine GroKo"

Peter Reiß (Schwabachs SPD-Vorsitzender und Stadtrat): "Damit hätte ich nicht gerechnet. Man hatte doch den Eindruck, als wäre man bei der Sondierung gar nicht mehr so weit auseinander", so Reiß. "Die SPD hat jetzt eine Schlüsselrolle. Die Verantwortung ist riesig", räumt Reiß ein. Doch Verantwortung wahrzunehmen bedeute nicht zwingend eine neue große Koaltion. "Bei uns an der Parteibasis ist die Stimmung eindeutig: keine große Koalition. Das hat eine Mitgliederversammlung gezeigt, und zwar unabhängig von Jamaika."

Ein "weiter so" dürfe es nicht geben. "Ich lehne eine große Koalition auch zum jetzigen Stand ab", stellt Peter Reiß klar. "Es sei denn, es käme von der Union ein so großes Angebot, dass es wirklich mehr wäre als ein bloßes ,weiter wie bisher’."

"Das schließe ich aus"

Martin Burkert (auch für Schwabacher zuständiger SPD-Bundestagsabgeordneter aus Nürnberg): "Ich habe schon gedacht, dass sie sich einigen. Gerade den Grünen war die Vorfreude aufs Regieren ja anzusehen, entsprechend viele Kompromisse haben sie auch gemacht. Aber die Jungspunde von der FDP haben erkannt, dass sie gar nicht regierungsfähig sind", erklärt Burkert süffisant. Also nun doch wieder große Koalition? "Das schließe ich aus", betont Burkert. "Wir sind deutlich abgewählt worden. Auch die Themen für eine große Koalition haben sich erschöpft." Wichtige SPD-Forderungen wie die Bürgerversicherung seien mit der Union nicht zu machen.

"Ich bin froh über die vielen Dialogveranstaltungen mit unserer Basis", sagt Burkert. Die Stimmung sei eindeutig. "Wir haben 28 000 neue SPD-Mitglieder. Die haben Riesenerwartungen, die wir nicht enttäuschen wollen." Realistisch seien deshalb nur Neuwahlen. "Ich gehe davon aus, dass die SPD dann auch besser abschneiden wird. Die Wahl in Niedersachsen hat gezeigt, dass das geht."

"Ich hätte es gerne gesehen"

Bernhard Spachmüller (Schwabachs Grünen-Kreisvorsitzender): "Es ist schade, dass es dieses Experiment nun nicht geben wird. Ich hätte es gerne gesehen, wenn wichtige Themen wie der Klimaschutz vorangebracht worden wären", sagt Spachmüller. "Wir sind mit unserer Verhandlungsgruppe sehr zufrieden. Sie hat sich vor den Kameras jeder Polemik enthalten und konstruktive Kompromisse angeboten."

Es gebe auch Leute, denen Kompromisse "generell verdächtig" seien. "Aber eine solche Haltung ist unverantwortlich."

Vor Neuwahlen hätten die Grünen "keine Angst", betont Spachmüller. "Alle Meinungsumfragen zeigen, wie wichtig den Menschen das Thema Klimawandel ist."

"Größter Wackelkandidat"

Marlene Mortler (CSU-Bundestagsabgeordnetefür den Landkreis Roth): "Die FDP war von Anfang an der größte Wackelkandidat", sagt Mortler, die bei einigen Sondierungsgesprächen dabei war. "Wir waren kompromissbereit. CSU und CDU sind stets geschlossen aufgetreten." Das Scheitern sei jedoch "kein Weltuntergang". Neuwahlen schließt sie aus, da sich kaum etwas ändern werde. Nun gelte es, "alle Möglichkeiten auszuloten, auch wenn der Preis ein sehr hoher sein kann".

"Verantwortungslos"

Ursula Burkhardt (Kreisvorsitzende Die Grünen, Landkreis Roth): "Total ärgerlich" sei dieses Scheitern. "Sehr verantwortungslos, was Herr Lindner da getan hat."

"Keine Umfaller"

Dr. Walburga Kumar (FDP-Stadträtin in Roth und Mitglied im Kreisvorstand): "Jetzt kann man uns nicht mehr das Mäntelchen der Umfaller und Mehrheitsbeschaffer umlegen. Unsere Verhandlungsführer haben sich nicht von dem abbringen lassen, was dem Wähler versprochen wurde. Der Schlussstrich ist konsequent."

"Neuwahl beste Lösung"

Sven Ehrhardt (SPD-Kreisvorsitzender Landkreis Roth): "Nach vier Wochen Verhandlungen hätte ich schon gedacht, dass sie noch die Kurve kriegen", reagiert Sven Ehrhardt überrascht. "Die FDP hat vor Stärke ja kaum laufen können. Aber der aktuelle Führungsstreit innerhalb der CSU hat die Kompromissbereitschaft nicht eben erhöht."

Die Konsequenz ist für Ehrhardt klar: Ein neue Große Koalition lehnt er ab. Denn: "Mit einer so zerstrittenen Union wäre das auch keine stabile Regierung." Sein Vorschlag: "Ich halte Neuwahlen für die beste Lösung. Die SPD muss sich wieder als klare Alternative positionieren, dass ist eine Neuwahl auch aussichtsreich."

 

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