Türkische Stadt Kemer: So geht die Partnerschaft weiter

30.5.2018, 17:48 Uhr
Angeregte Unterhaltung im Rathaus von Kemer: Bürgermeister Mustafa Gül, Oberbürgermeister Matthias Thürauf und die Vorsitzende des Schwabacher Partnerschaftskomitees, Stadträtin Ayse Biyik (v.li.). Archivfoto: Gössnitzer

Angeregte Unterhaltung im Rathaus von Kemer: Bürgermeister Mustafa Gül, Oberbürgermeister Matthias Thürauf und die Vorsitzende des Schwabacher Partnerschaftskomitees, Stadträtin Ayse Biyik (v.li.). Archivfoto: Gössnitzer

Wenn Ayşe Biyik über Schwabach spricht, merkt man, wie sehr ihr die Stadt am Herzen liegt. Bereits im Alter von 19 Jahren ist die heute 62-Jährige in die Goldschlägerstadt gekommen. Heute ist sie Vorsitzende des Städtepartnerschaftskomitees. "Schwabach ist meine zweite Heimat geworden. Da war es ein großer Wunsch von mir, für Verständigung und Toleranz zwischen beiden Ländern zu sorgen."

Seit der Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens zwischen Schwabach und Kemer im Jahr 1998 ist viel passiert. Von zahlreichen Bürgerreisen, die den kulturellen Austausch beider Städte gefördert haben, weiß Ayşe Biyik zu berichten: "Diese Reisen haben viel gebracht. Insgesamt waren dadurch sicherlich schon 1500 Schwabacher in Kemer."

Doch die Zeiten ungetrübter Reisefreude sind vorbei. In diesen Tagen hätten eigentlich wieder Bürger in die Türkei fliegen sollen. Angesichts der politischen Ereignisse in dem Mittelmeerland entschied sich Biyik jedoch dagegen, die Reise zu organisieren. Allerdings nicht wegen etwaiger Sicherheitsbedenken, wie sie betont. "Ich wollte nicht, dass wir während des Wahlkampfes in die Türkei reisen." Sie habe vermeiden wollen, dass es zu Spannungen zwischen Schwabachern und der einheimischen Bevölkerung kommt.

Keine Schülerreisen mehr

Bedauerlich, aber nachvollziehbar, findet Hanne Hofherr die Absage. Sie ist Projektleiterin der Stadt Schwabach für die Städtepartnerschaften. Sie berichtet auch, dass sich Lehrer an Schwabacher Schulen zuletzt gegen Reisen ihrer Abschlussklassen in die Türkei ausgesprochen haben. Seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 haben sich die politischen Rahmenbedingungen in der Türkei dramatisch verändert.

Einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge wurden seit Sommer 2016 über 107 000 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Außerdem sitzen permanent mehr als 120 Journalisten in Haft, schreibt Amnesty in einem Bericht vom April. Eine Delegation von Tourismusvertretern aus Kemer, die im März nach Schwabach reisen wollten, erhielt kein Ausreisevisum, berichtet Hofherr.

Post von Erdoğan im Rathaus

Darüber hinaus machte die Stadt Schwabach auch Bekanntschaft mit dem Sendungsbewusstsein der türkischen Regierung: Das Generalsekretariat Erdoğans schickte eine aufwendig gestaltete Hochglanzbroschüre ins Rathaus der Goldschlägerstadt. Titel: "Der Putschversuch am 15. Juli und der Sieg des Volkes."

Auf 124 bildstarken Seiten präsentiert die türkische Regierung ihre Sichtweise auf die Geschehnisse. Inklusive einer Liste der "Märtyrer" des 15. Juli. "Es entsetzt mich, was derzeit in der Türkei passiert. Trotzdem gibt es aber immer zwei Ebenen – die bundespolitische und die kommunalpolitische", sagt Hanne Hofherr. Die Partnerschaft mit Kemer soll daher auch in Zukunft gepflegt werden. "Wir wollen keine Brücken einreißen", bekräftigt sie.

Trotz Problemen: Partnerschaft soll bleiben

Gelegenheit zum Austausch zwischen beiden Städten wird es auf dem Schwabacher Bürgerfest geben. Es findet vom 20. bis zum 22. Juli statt. Eine türkische Malerin und ein türkischer Fotograf werden dort ihre Werke ausstellen. Von beiden Seiten gibt es also offensichtlich ein Interesse daran, den guten Kontakt zu erhalten. Und doch sagt Hanne Hofherr: "Es ist alles distanzierter geworden seit dem Putsch."

Ayşe Biyik ist die Mutter der Städtepartnerschaft

Ayşe Biyik ist die Mutter der Städtepartnerschaft © F.: Mayer

Eine Einschätzung, die Ayşe Biyik durchaus teilt. Die Ursache dafür sieht sie allerdings nicht in der Türkei. "Die Stadt Schwabach hat sich distanziert", findet sie. Überhaupt gebe es eine Tendenz in Deutschland, "Türken pauschal als Erdoðan-Wähler abzustempeln". Trotzdem sei sie optimistisch, dass sich die Atmosphäre zwischen beiden Ländern wieder entspannt.

Die Städtepartnerschaft ist Biyik ohnehin eine Herzensangelegenheit. Sie kündigt an: "Wenn nichts dazwischen kommt, wird es nächstes Jahr in der zweiten Pfingstwoche wieder eine Bürgerreise nach Kemer geben." Die 20 Jahre währende Verbindung sei für die Bürger äußerst wertvoll. Nicht ohne Stolz sagt sie: "Die Partnerschaft mit Kemer ist mein Kind."

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