Verbrecherische „Dachau-Empfehlung“ auf Facebook

15.1.2016, 09:47 Uhr
Ein Tor zur KZ-Gedenkstätte Dachau.

© Tobias Hase/dpa Ein Tor zur KZ-Gedenkstätte Dachau.

Wegen Volksverhetzung musste sich die junge Frau am 12. Januar 2016 am Amtsgericht Schwabach verantworten.

„Ich weiß auch nicht, was mit mir an diesem Tag los war“, sagte Kerstin K. (Name geändert) eingangs der Verhandlung auf eine entsprechende Frage von Jugendrichter Reinhard Hader. Ihr sei es psychisch einfach schlecht gegangen.

Psychische Auffälligkeiten

Im Jahr 2005 war die Verkäuferin nach Angaben von Petra Zwingel von der Jugendgerichtshilfe am Landratsamt Roth erstmals wegen eines Borderline-Syndroms behandelt worden. Sie habe sich selbst verletzt, die Arme zerschnitten. Man konnte die Narben im Gerichtssaal sehen.

Dass sie ein Nazi ist, das konnte sich die Sozialpädagogin nach dem Gespräch mit der jungen Frau überhaupt nicht vorstellen. Und Petra Zwingel gab zu, dass sie eine ganz andere Person zum Gespräch vor dieser Verhandlung erwartet hatte. Nicht die sympathische junge Frau, die ihr da gegenüber saß.

Von Ausländern begrapscht

Kerstin K. plauderte offen darüber, dass sie manchmal Verfolgungsängste hat, dass sie vor nicht allzu langer Zeit (im Sommer) von mehreren Ausländern verfolgt, bedrängt und begrapscht worden sei.

Dass der Arbeitgeber mit über 30 E-Mails beschimpft wurde, weil er so eine Unperson beschäftigte (bevor er ihr fristlos kündigte), tat ihr genauso leid wie ihr Kommentar auf Facebook. „Ich wollte, ich hätte das nie gemacht“, sagte die beinahe 21-Jährige. Sie habe nichts gegen Ausländer, verfolge das dramatische Schicksal vieler Flüchtlinge, und sie sei bereit, sich in einem Helferkreis für Asylbewerber zu engagieren.

Grausames Geschehen

Richter Hader konnte es sich dennoch nicht verkneifen, Fragen zur Staatsbürgerkunde zu stellen: „Wissen Sie eigentlich, wer alles in Dachau umgebracht wurde?“, fragte er. Und nachdem die Antwort von Kerstin K. auf „Juden“ beschränkt war, klärte er auf: „Es waren eben neben Juden auch einfach nur Andersdenkende, Gewerkschaftler, Anhänger der SPD und Menschen mit psychischen Problemen.“ – Das machte die junge Frau nachdenklich, wie ihr anzusehen war, ist sie doch selbst mit psychischen Problemen gefordert.

Petra Zwingel plädierte für die Anwendung von Jugendstrafrecht, da Kerstin K. in Bezug auf ihre berufliche Karriere zwar sehr zielorientiert sei, ihre emotionale Reife sei aber nicht adäquat.

Therapie erforderlich

Dringend will sich die Jugendgerichtshelferin um einen Therapieplatz für ihre Klientin bemühen. Borderline sei eine wirklich schlimme Krankheit, machte Petra Zwingel deutlich.

Staatsanwältin Ines Gölzer empfand das Auftreten von Kerstin K. eher als erwachsen denn jugendlich. Sie forderte ob der „Gutschriften“ von Geständnis, ehrlicher Reue und der fristlosen Kündigung eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 30 Euro. Eine Verurteilung nach dem Erwachsenen-Strafrecht also.

Reue traf auf offene Ohren

Richter Reinhard Hader verkündete schließlich 20 Tagessätze zu 40 Euro. Er sprach in seiner Urteilsbegründung von „asozialem Blödsinn“, zu dem sich Kerstin K. in einer persönlichen Krise hat hinreißen lassen. Sie habe aber glaubhaft geschildert, dass ihr die verbale Entgleisung leid tue.

„Die Dachau-Empfehlung“ sei „verbrecherisch“ und habe einfach Wellen geschlagen. „Jeder absurde Gedanke wird jetzt in den scheiß neuen Medien verbreitet“, sagte Hader, um junge Leute zu bewahren, unvorsichtig damit umzugehen.

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