Vortrag in Schwabach: Wir bezahlen mit unseren Daten

28.11.2017, 05:57 Uhr
Ewald Wessling war Gast der Sparkasse.

© Foto: Robert Schmitt Ewald Wessling war Gast der Sparkasse.

Kommunizierende Maschinen, vernetzte Autos, Ersatzteile vom Drei-D-Drucker. So lauten die Meldungen aus der Zukunft, die uns schon nicht mehr sehr verblüffen. Fahrzeuge, die freie Parkplätze errechnen und sich von selbst dorthin bewegen. Taxis, die das Ziel bereits kennen, ehe der Kunde Platz genommen hat. Die Vorhersage eines Herzinfarkts. Das sind Prognosen, die wir nur sehr schwer für realistisch zu halten vermögen. Ewald Wessling glaubt nicht nur an diese Entwicklungen. Er ist von ihrem Eintreten überzeugt.

Gefährlicher Staat

Dabei hat er mit Blick auf große Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple nicht allzu große Befürchtungen in Sachen Datenschutz und Datenmissbrauch. "Google hat ein Prinzip: Tu nichts böses", anderenfalls wäre die Suchmaschine seiner Einschätzung nach schnell weg vom Fenster. "Die Nutzer würden sich abwenden, wenn Google Kinderpornographie oder Kriminalität stützen würde." Den Staat hält er mit Blick auf seine Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Individuum für die gefährlichere Datensammelmaschinerie. Alles in allem sieht Wessling in Digitalisierung und neuen Medien indes große Chancen.

Ausgangspunkt der digitalen Revolution und damit Wegbereiter zunehmender Digitalisierung in der Zukunft ist für den promovierten Volkswirt ein "disruptiver Wandel" in der Wirtschaft. Darunter sind innovative Marktmodelle zu verstehen, die so revolutionär sind, dass sie völlig neue Wege eröffnen und damit bisher dominierende Unternehmen verdrängen. "Disruptive Innovationen zerstören Geschäftsmodelle", so Wessling. Als Beispiele nannte er die Musik und die Fotografie. "Downloads, Streaming und Instagram" hätten die Branche revolutioniert. Seiner Meinung nach sei das ausrechenbar gewesen. "Denn nach dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich alle 18 Monate die Leistungsfähigkeit der Rechenchips."

Firmen wie Apple und Google hätten in diesem Umfeld früh die Zukunft erkannt und entsprechend gehandelt. Angebote, die Taxi-Ersatz Uber und Hotel-Ersatz AirBNB geschaffen hätten, veränderten ganze Branchen. Den Erfolg von Amazon, eBay und Co sah er in Grenzkosten, die bei Null liegen. "Alles läuft ausschließlich digital, also über virtuelle Nullen und Einsen, so dass jede zusätzliche Bestellung nichts kostet, sondern nur Gewinn produziert", erklärte Wessling. Zugleich machte er auf einen Trend aufmerksam, vor dem Kritiker seit langem warnen. "Sie bezahlen auch immer mit Ihren Daten", so Wessling in Richtung der Sparkassen-Mitarbeiter und -Kunden. "Aus Big Data wird dann das vorausschauende Netz", so Wessling.

Geschenkter Kühlschrank

Durch die Analyse des Einkaufsverhaltens von Frauen könne man erkennen, ob sie schwanger seien. Facebook sage ziemlich genau voraus, wann sich ein Paar trenne. Amazon schicke individualisierte Buchtipps und erhöhe seine Preise, wenn aus der IP-Adresse hervorgeht, dass am anderen Ende der Datenleitung ein Apple-User sitzt. Denkbar sei sogar, dass Amazon künftig jedem Kunden einen bestellenden Kühlschrank schenke. "Als Lieferant würde man dann nämlich sehr schnell Gewinn machen", schilderte er die Motivation für diese Großzügigkeit.

Als einen Grund für den Erfolg solcher Neuerungen nannte er die Bequemlichkeit der Nutzer. "Sie ist für viele bedeutender als die Privatsphäre." Dennoch werde die Richtung aller Entwicklungen insgesamt positiv sein. "Denn Menschen nützen die Angebote zu ihrem Vorteil", sagte der Kommunikationsforscher.

Geborene Digitalisten

Ewald Wessling ging auch auf das Thema der "geborenen Digitalisten" ein, also der Generation, die mit der vernetzten Welt und ihren Geräten aufgewachsen ist, und brach eine Lanze für sie. "Sie werden mehr Bildung konsumieren", war er überzeugt. Durch Tablets und entsprechende Anwendungen werde auch das Lernen in der Schule revolutioniert. "In zehn Jahren sieht das völlig anders aus", prognostizierte Wessling. "Digitale Projekte, Gruppenerlebnisse und individualisiertes Lernen", all das werde "einen Riesenschub in der Bildung" bringen.

Zugleich hielt er es auch für erforderlich, Kindern gegenüber beim Einsatz ihrer Geräte anstrengende Erziehungsarbeit zu leisten. Man könne es nicht 13-Jährigen überlassen, welche Dienste sie nützen oder welche Fotos sie posten. "Kinder und Süchtige muss man kontrollieren und regulieren", erklärte er seinen pädagogischen Maßstab.

Daniela Heil, Vorstandsmitglied der Sparkasse Mittelfranken-Süd, hatte in ihrer Begrüßung vor dem Hintergrund wachsender Digitalisierung im Bankenwesen auf ein wichtiges Prinzip der Sparkasse im Umgang mit ihren Kunden hingewiesen. "Wir bieten alle Kommunikationswege über die Netze an und bauen das auch aus", erklärte sie, "unser Königsweg ist aber nach wie vor die persönliche Beratung und das wird sich auch nicht ändern", versprach Heil.

Keine Kommentare