Wählscheibe drehen: Dann klingelt's noch richtig

6.5.2016, 08:30 Uhr
Wählscheibe drehen: Dann klingelt's noch richtig

© Gerner

Schon im Flur bekommt Ulrich Nowacks Leidenschaft ein Gesicht. Im Treppenaufgang hängen keine Bilder. Dort hängen ein Dutzend Telefone. „1890“, sagt Nowack und deutet mit dem Finger auf einen klobigen Holzkasten mit Muschel, Kurbel und Batteriekasten. „1893“, fährt er fort und lässt den Finger langsam nach oben wandern. Dieses Stück hat er auf einer Burg entdeckt, das nächste im Internet erstanden, das dritte auf einer Börse getauscht und das vierte auf einem Trödelmarkt gekauft.

Telefontechnik hat den Elektro-Handwerksmeister, der demnächst in den Ruhestand geht, schon immer fasziniert. Deshalb wollte er ja als junger Mann in den späten 1960er Jahren auch zur Post gehen. Zu jener „Deutschen Bundespost“, die seinerzeit noch das Telefon-Monopol in der Bundesrepublik hatte. Weil aber die Zusage der EWAG/Fränkisches Überlandwerk (heute N-Ergie) schneller kam, wurde aus dem eigentlichen Berufswunsch nichts.

Der Begeisterung fürs Telefon hat das aber nicht geschadet. „Ungefähr 1980“, schätzt Nowack, hat er damit begonnen, alte Schätze zu heben: Hölzerne Ungetüme, die einer langgestreckten Kuckucksuhr ähneln; eine Siemens-Spindel aus dem Jahr 1878, die zwei Jahre nach der patentierten Erfindung des Telefons auf den Markt kam; die schweren, schwarzen Telefone mit Hörer und Wählscheibe, die ein Loch im Fußboden hinterließen, wenn sie einmal herunterfielen; uralte Haustelefone aus dem Nachlass von Industriekapitänen oder Adeligen.

Obwohl es beim Sammeln von alten Telefonen um den Oberbegriff Kommunikation geht, hat Ulrich Nowack ein vergleichsweise einsames Hobby. „Es gibt ja nicht so viele Spinner, die das mit solch einem Enthusiasmus betreiben wie ich“, erzählt er mit ironischem Unterton.

Es gibt nicht viele. Aber es gibt sie eben doch: Struktur in Ulrich Nowacks Sammelleidenschaft kam nämlich 1992, als er sich der „Sammler- und Interessengemeinschaft für das historischen Fernmeldewesen“ anschloss. Der Verein mit Sitz in Hamburg hat etwa 250 Mitglieder, von denen sich viele wie Ulrich Nowack auf alte Telefone spezialisiert haben. Es sind aber auch Kollegen dabei, die alte Vermittlungstechnik sammeln. Die nächsten stehen mehr auf Morse-Telegrafen und Fernschreiber, die übernächsten auf Zubehör wie Schilder und Messgeräte. Und ein paar ganz Wenige können sich vor allem für historische militärische Nachrichtentechnik begeistern.

Regelmäßige Treffen

Sie alle treffen sich zweimal jährlich zum Gedankenaustausch. Erstmals seit 15 Jahren findet dieses Treffen wieder in der Region statt: in Rednitzhembach. Ulrich Nowack hat den Kleinen Saal des Gemeindezentrums angemietet, wo am Sonntag, 8. Mai, 10 bis 13 Uhr, eine öffentliche Sammlerbörse stattfindet.

Drumherum hat der Organisator ein abwechslungsreiches Programm gezimmert, das vom Besuch im Wasserkraftwerk Kuhr’sche Mühle bis zum Besuch des Fabrikmuseums in Roth reicht. Zudem ist an einem Abend eines der letzten „Fräulein vom Amt“ bei den Sammlern zu Gast. Also eine seinerzeit noch unverheiratete Frau (und nur die durften ran), die per Hand die Verbindung zweier Telefon-Gesprächspartner herstellten.

Zur Sammlerbörse könnte Ulrich Nowack einiges beitragen (was er aus organisatorischen Gründen nicht tun kann). Wer in seinem Haus vom Erdgeschoss in den Keller geht, der defiliert zunächst einmal an einem Dutzend Telefone aus dem späten 19. Jahrhundert vorbei. Unten angekommen, hängen die bis zu 50 Kilogramm schweren Münzfernsprecher an der Wand, die ältere Semester noch aus den gelben Telefonhäuschen kennen. Links hinten ist die „Abteilung DDR“, wie Nowack sagt. Und wenn man dann die Tür zum Museum aufstößt, schlägt das Herz des Sammlers wirklich höher: Telefone, Telefone, Telefone. Aus Holz, aus Metall, aus Kunststoff. Die ältesten sind fast 150 Jahre alt, die jüngsten stammen aus dem Jahr 2000. „Danach wurde nur noch Massenware produziert, alles Schrott“, sagt der Experte. Will heißen: Das Sammeln lohnt hier nicht mehr.

Dafür hat Ulrich Nowack eine neue Abteilung aufgemacht: das Handy. „Die jungen Leute müssen schließlich wissen, wie das alles angefangen hat“, erklärt er. Er hat Mobiltelefone in seinem Besitz, die noch groß und schwer sind wie Backsteine, aber auch die ersten Smartphones von 2007.

Mehr tauschen statt kaufen?

Und die Zukunft? Ulrich Nowack wird weiter seiner Sammelleidenschaft frönen. Es kann aber gut sein, dass schon aufgrund der Platznot mehr getauscht denn gekauft wird. Und wenn ihm die Geschichte mit den Telefonen einmal über den Kopf wächst, dann hat der Rednitzhembacher ja noch ein zweites Steckenpferd. Er sammelt auch: Kabel. Unter anderem hat er ein Stück ergattert, mit Hilfe dessen es 1936 die ersten Fernsehübertragungen von den Olympischen Spielen in Berlin gegeben hat. Doch das ist eine andere Geschichte.

Telefone mit Kurbel und Hörmuschel, mit Wählscheibe und „Kringelkabel“, Telefone in allen Farben und Formen, Telefone aus vielen Epochen gibt es am Sonntag, 8. Mai, 10 bis 13 Uhr, im Rednitzhembacher Gemeindezentrum zu bestaunen. Dann lädt die Sammler- und Interessengemeinschaft für das historische Fernmeldewesen zu einer außergewöhnlichen Sammlerbörse ein.

Der bundesweit tätige Verein trifft sich einmal jährlich zu einem dreitägigen Sammlertreffen. Zum ersten Mal seit 15 Jahren ist er wieder in Mittelfranken zu Gast. Um die Organisation vor Ort kümmert sich der Rednitzhembacher Ulrich Nowak, Telefon (0 91 22) 7 58 16.

Abschluss des Treffens ist die oben beschriebene öffentliche Sammlerbörse, bei der historische Kommunikationstechnik und die passende Literatur dazu getauscht oder gekauft werden kann. Der Eintritt dazu ist frei.

Schon seit den 1980er Jahren treffen sich Sammler von Fernmeldeeinrichtungen, um sich über ihr Hobby auszutauschen, Wissen zu teilen und zu erweitern, Geräte und Ersatzteile zu tauschen und neue Kontakte zu finden. Daraus entstand 1992 ein Verein, der bundesweit für alle Interessenten als Ansprechpartner dient.

Sammelgebiete sind nicht nur Telefone, sondern auch Fernschreiber und Morse-Telegrafen, Fernsprechvermittlungstechnik, Mobilfunk und militärische Fernmeldeeinrichtungen.

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