Wie aus Partnern und Kollegen Freunde werden könnten

16.4.2016, 07:51 Uhr
Wie aus Partnern und Kollegen Freunde werden könnten

© Foto: Gerner

Es begann vor gut zwei Jahren mit einer unverbindlichen Anfrage. Ob denn der Kammerchor aus dem polnischen Teschen (Cieszyn) bei einer Konzertreise durch Deutschland denn auch in Schwabach auftreten könne, um ein wenig Geld für die sanierungsbedürftige Orgel in der heimischen Jesuskirche zu sammeln.

Er konnte.

Aus dem Erstkontakt hat sich in kurzer Zeit Erstaunliches entwickelt. Seit dem vergangenen Jahr verbindet die beiden evangelischen Kirchengemeinden eine offizielle, per Vertrag besiegelte Partnerschaft. Es gab Besuche und Gegenbesuche. Gemeinsam wanderten die Freunde in der Fränkischen Schweiz und in den südpolnischen Beskiden. Bei der Wiedereröffnung der Schwabacher Stadtkirche im vergangenen Jahr war wie selbstverständlich eine polnische Delegation zu Gast. Dass damals die Hälfte der Kollekte in die Teschener Orgel-Renovierung floss, fanden alle Seiten gut.

„Es passt zusammen“

Schwabach und Teschen. „Es passt einfach gut zusammen“, findet Dr. Paul-Hermann Zellfelder, geschäftsführender Pfarrer der Kirchengemeinde Schwabach/St. Martin und einer der Motoren der Partnerschaft. Die Größe der Städte (Schwabach 40 000 Einwohner, Teschen 35 000) ist vergleichbar, die Größe der Kirchengemeinden (Schwabach 9000 Mitglieder, Teschen 7500 Mitglieder), selbst die Autokennzeichen ähneln sich: SC steht für Schwabach, SCI für Schlesisches Cieszyn). Und sowohl Schwabach wie auch Teschen haben zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation den Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“ erhalten.

Doch es gibt auch Unterschiede. Die Protestanten sind in Schwabach gewissermaßen „Platzhirsch“, die Zahl der Protestanten ist deutlich höher als die der Katholiken. Im katholisch geprägten Polen sind die Protestanten dagegen eine verschwindend kleine Minderheit. Immerhin: Teschen beherbergt mit der Jesuskirche das größte lutherische Gotteshaus im östlichen Europa, und rund um die Kirche bietet die Kirchengemeinde praktisch alles, was man mit dem Oberbegriff „Bildung“ umschreiben kann: Kindergarten, sechsstufige Grundschule, dreijähriges Gymnasium und dreijähriges Lyzeum, nach dem man dann das mit Bayern vergleichbare Abitur in der Tasche hat.

In dieser Woche wurde ein neues Kapitel der Partnerschaft zwischen den beiden Kirchengemeinden aufgeschlagen. Denn an der Seite von Paul-Hermann Zellfelder und dem jungen Kirchenvorstandsmitglied Oliver Lott konnten Marita Heiß-Hertle (Leiterin der Kindertagesstätte St. Matthäus/ Eichwasen), Brigitte Fürbeth (Leiterin der Kindertagesstätte St. Martin), Birgit Stadler (Leiterin der Kindertagesstätte St. Lukas/Penzendorf) und Nina Eckert-Friesen (Familienzentrum „MatZe“/Eichwasen) in Teschen Kontakte zum dortigen evangelischen Kindergarten knüpfen.

Dort gibt es einige Dinge, die sich die Expertinnen auch für Deutschland wünschen: gleiche Bezahlung von Erzieherinnen und Lehrern zum Beispiel oder kleine Gruppen im Kindergarten (je nach Alter zwischen 8 und 17 Kinder).

Und auch ansonsten sind die polnischen Kindertagesstätten anders strukturiert. Das gemeinsame Frühstück und Mittagessen ist obligatorisch, schon für die Dreijährigen gibt es einen regelrechten Stundenplan mit Englisch- und Musikunterricht. Übungen mit Buchstaben machen die polnischen Knirpse schon am interaktiven Whiteboard. Marta Raszka, die im evangelischen Kindergarten in Teschen Englisch unterrichtet, hat das gleiche Grundstudium wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Schule, sie könnte auch bis zur dritten Klasse der Grundschule lehren.

Der größte Unterschied: In polnischen Kindergärten liegt der Fokus klar auf der Schul-Vorbereitung. Die individuelle Arbeit mit dem einzelnen Kind steht dagegen weniger im Vordergrund. „Ich denke, da geht unser System mehr auf die Kinder ein“, sagt Marita Heiß-Hertle. Persönliche Entwicklung vor Lerninhalte, heißt hier das Zauberwort.

Gegenbesuch

Der Austausch, so viel war nach drei Tagen klar, wird keine Einbahnstraße bleiben. Die Kolleginnen aus Polen sollen spätestens im nächsten Jahr zum Gegenbesuch nach Schwabach kommen. Und bis dorthin gibt es ja noch eine große Begegnung. Am 30. Oktober wird der Schwabacher Kammerchor den festlichen Gottesdienst zum Start in das Re-
formations-Jubiläum in Teschen musikalisch umrahmen. Dann wird erstmals wieder die mächtige Teschener Orgel mit ihren 2200 Pfeifen erklingen, zu deren 650 000 Zloti (150 000 Euro) teure Sanierung auch die Schwabacher Spender ihr kleines Scherflein beigetragen haben.

In der gleichen Woche ist ein zweiter Bus mit interessierten Gemeindemitgliedern in der seit dem Ende des 1. Weltkriegs geteilten südpolnischen Stadt zu Gast, deren südliche Hälfte zu Tschechien gehört. Das entsprechende Programm hat Paul-Hermann Zellfelder mit seinem polnischen Kollegen Janusz Sikora bereits in groben Zügen ausgearbeitet. „Die Partnerschaft“, freut sich Zellfelder, „wächst also weiter“.

Keine Kommentare