„Wir brauchen dringend mehr Hauptamtliche“

12.2.2016, 09:10 Uhr
„Wir brauchen dringend mehr Hauptamtliche“

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„Natürlich können wir nicht unendlich Menschen aufnehmen“, erklärte Martin Burkert. Aber wer in Deutschland Schutz suche, müsse auch menschenwürdig behandelt werden.

Ortstermin in der Außenstelle des Erstaufnahmelagers Zirndorf in der Nördlinger Straße. Rund vier bis sechs Wochen werden hier die Flüchtlinge untergebracht, ehe sie weiter verteilt werden.

Niemand muss frieren. Die „Leichtbauhalle“ ist winterfest. Die Essensversorgung funktioniert, es gibt ausreichend sanitäre Anlagen. Für die allerwichtigsten Grundbedürfnisse ist gesorgt. Und doch fühlt sich Irmgard Adelmann, eine der rund 100 Schwabacher ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, eher „an ein Tierheim“ erinnert. Mehrere Personen teilen sich kleine Kabinen. Sie schlafen in Stockbetten. Die Wände sind dünn, es gibt keine Zimmerdecke. Auch keinen Schrank. Nichts, wo man Wertsachen wie wichtige Papiere wegschließen könnte. Selbst ein Minimum an Privatsphäre ist in solchen Unterkünften kaum möglich.

Warten auf den Wasserkocher

„Anfangs gab es im Gemeinschaftsraum nicht einmal einen Wasserkochen, damit die Leute sich Tee kochen können“, berichtet Christa Höfler, die die Sozialbetreuung der Diakonie leitet. „Es hat zwei Monate gedauert, bis wir einen bekommen haben. Dabei sollte das doch zur Grundausstattung gehören.“

Keine Verbindung

Was es in den Regierungsunterkünften ebenfalls nicht gibt: W-LAN. Dabei sei der Kontakt zu Angehörigen für die Flüchtlinge so wichtig, betonen die Betreuer. „Deshalb treffen sich dann manche Flüchtlinge vor dem Rathaus, weil sie dort eine Verbindung haben“, erklärt Evy Grau-Karg vom Asylcafe.

„Da frage ich nach“, verspricht Martin Burkert. Auch für einen Fonds will er sich einsetzen, den die Ehrenamtlichen anregen. Wenn die Helferkreise auch nur 1000 Euro bekämen, könnten sie viele Kleinigkeiten wie nötiges Geschirr schnell besorgen. Jetzt zahlen die Helfer manches einfach selbst, weil sie nicht erst Anträge stellen wollen. Doch der SPD-Politiker nimmt noch weitere Gedankenanstöße mit nach Berlin.

Stichwort Familienzusammenführung: „In der Flüchtlingsunterkunft in Schwarzach wohnt eine 73 Jahre alte Frau, die zu Verwandten in Schleswig-Holstein ziehen könnte, darf aber nicht. Das verstehe ich nicht“, sagt Christa Höfler. Da müsse es doch unbürokratischere und menschlichere Lösungen geben.

Stichwort Arbeitserlaubnis: „Die Leute sind hochmotiviert und wollen ihr eigenes Geld verdienen“, berichtet Evi Grau-Karg. Doch die Arbeitsvermittlung ist streng geregelt. Deutsche und EU-Bürger haben Vorrang. Kein Job bedeutet: eintönige Tage, wachsender Frust, auch Probleme mit Alkohol.

Stichwort Betreuung: „Wir brauchen dringend mehr Hauptamtliche“, betont Jürgen Meier, der Geschäftsführer des Diakonischen Werks. Für die rund 700 Schwabacher Flüchtlinge hat er derzeit zwei Vollzeitstellen, die sich fünf Sozialpädagoginnen teilen. „Eigentlich sollte der Betreuungsschlüssel 1:150 sein. Wir bräuchten somit vier bis fünf Stellen, also eine Verdoppelung“, rechnet Meier vor. Der Staat übernimmt 70 Prozent der Personalkosten, die restlichen 30 zahlt die Kirche.

Zusammen mit der Asylsozialberatung im Landkreis Roth und einem EU-Projekt in Zirndorf beschäftigt die Diakonie derzeit 19 hauptamtliche Kräfte im Bereich der Asylsozialarbeit. Insgesamt werden rund 2500 Flüchtlinge betreut.

Sicherheit und Wohnungen

Zu tun gibt es viel. Seit den Kölner Übergriffen ist das nicht einfacher geworden. „Ich bekomme viel Post zu dem Thema“, berichtet Burkert. „Die Stimmung ist sehr gespalten.“

Sicherheit ist für Burkert ein zentrales Anliegen. „Null Toleranz bei Übergriffen gegen Frauen“, stellt er klar. Gegen organisierte Kriminalität von Einbruchsbanden fordert die SPD deutlich mehr Polizei. „Die Sorgen sind berechtigt“, sagt Burkert. „Da müssen wir was tun.“

Das gelte auch für das Ziel, sozialen Sprengstoff zu entschärfen. Niemand dürfe das Gefühl bekommen, durch Flüchtlinge benachteiligt zu werden. Ein Schlüssel dazu: „Wir müssen mehr für den Wohnungsbau tun“, betont Martin Burkert, „und zwar für alle Bevölkerungsgruppen.“

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