"Wir sind so frei": Schwabach erinnert an Reformation

31.10.2017, 15:45 Uhr
Alle Menschen auf dieser Welt haben das Recht, an allen Veranstaltungen teilzunehmen“, so Dekan Klaus Stiegler: Das Thema Inklusion war ein wichtiger Aspekt des Festabends zum Reformationsjubiläum. Er fand in der evangelischen Stadtkirche statt.

© Fotos: Wolfram Göll und Robert Schmitt Alle Menschen auf dieser Welt haben das Recht, an allen Veranstaltungen teilzunehmen“, so Dekan Klaus Stiegler: Das Thema Inklusion war ein wichtiger Aspekt des Festabends zum Reformationsjubiläum. Er fand in der evangelischen Stadtkirche statt.

Unter dem Titel "Wir sind so frei" erlebten die Gäste in der brechend vollen Stadtkirche zweieinviertel Stunden teils ironische, teils witzige, teils ernste Betrachtung des Themas Reformation und des heutigen Umgangs damit. Und alles erfreulich ökumenisch – noch vor 50 oder 100 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass der katholische und der reformierte Stadtpfarrer bei so einem Anlass mitfeiern und mitdiskutieren. Dennoch war der Abend nicht ganz frei von interkonfessionellen Spitzen.

"Die 95 Thesen von Wittenberg haben die Welt verändert", erklärte der Hausherr, Dekan Klaus Stiegler. Die Reformation sei "in ihren stärksten Impulsen eine Befreiungsbewegung" und "eine Einladung an die Christen, vor Gott selbstverantwortlich zu handeln", betonte Stiegler – ehe er einen prominenten Gast begrüßte: Den "Bruder Martinus" aus Wittenberg, alias Pfarrer Werner Konnerth im Renaissance-Gewand.

"Ziemlich katholisch schaut es hier aus", bemerkte Bruder Martinus dann stirnrunzelnd – mit Blick auf den prächtigen Hoch- und die Seitenaltäre mit gotischen Heiligendarstellungen. Diese bedeutenden Kunstwerke hätten die Schwabacher nicht herausreißen wollen, sagte Stiegler, wies aber gleichzeitig auf das dominierende, über dem Altar schwebende Kruzifix, die aufgeschlagene Bibel, die Kanzel und den Kirchenkasten für die Almosen hin – dies typisch für lutherische Kirchen.

Mehrmals in Schwabach

Interessant der Hinweis von Bruder Martinus darauf, dass der Reformator mehrmals durch Schwabach reiste – einmal Richtung Rom, einmal nach Augsburg – und vermutlich jedesmal in der Stadtkirche gebetet hat. Wichtig auch die Erwähnung der Schwabacher Artikel vom Oktober 1529 durch Dekan Stiegler, die Philipp Melanch- thon unter Mitwirkung Luthers als Blaupause für die spätere Augsburger Bekenntnisschrift erarbeitete und die im Gasthof "Goldener Stern" politisch von Hessen, Sachsen und den oberdeutschen Städten als gemeinsame Glaubensgrundlage angenommen wurden – denn dieses Vorkommnis macht Schwabach immerhin auch zu einer Reformationsstadt.

Weniger geglückt hingegen schien der Seitenhieb auf die "römisch-katholischen Brüder und Schwestern. Da hat der Heilige Geist noch etwas Arbeit vor sich": Im Denken des Reformators war diese Spitze gewiss folgerichtig, denke man nur an die heftige antipäpstliche Polemik der damaligen Zeit. Dennoch ist es etwas problematisch, wenn heute ein Kirchenmann bei der Nachbarkonfession Nachholbedarf in Sachen geistlicher Erleuchtung diagnostiziert – zumal im Deutschland des 21. Jahrhunderts, wo bekanntlich allen großen Kirchen gleichermaßen die Gläubigen davonlaufen.

Viel geschehen

Doch wurde auch deutlich, dass gerade auf dem Gebiet der Ökumene in den letzten Jahrzehnten sehr viel geschehen ist, was in früheren Zeiten niemals für möglich gehalten worden wäre: Nicht nur, dass die katholische Kirche die lutherische Rechtfertigungslehre – den Kern der Reformationsbotschaft – 1999 in Augsburg faktisch als richtig anerkannte, nicht nur, dass ganz konkret die mächtigen Glocken der evangelischen Stadtkirche zu Beginn des ur-katholischen Fronleichnamsgottesdienstes auf dem Marktplatz läuten, dass jedes Jahr ein konfessionsübergreifendes Osterfeuer auf dem Marktplatz entzündet wird.

Ökumene "unumkehrbar"

Auch der allgemeine Ton zwischen den Konfessionen wurde über die Jahre ökumenisch-versöhnlich statt konfessionalistisch-konfrontativ. Der katholische Stadtpfarrer Robert Schrollinger bezeichnete die Ökumene als "unumkehrbar" und betonte, die katholische Kirche habe im Zweiten Vatikanischen Konzil das lutherische Verständnis der Kirche als Gemeinschaft sowie der "Ecclesia semper reformanda", der fortwährend reformierungsbedürftigen Kirche, im Prinzip anerkannt.

Allerdings ist es mit dem gemeinsamen Abendmahl nicht ganz so leicht, wie viele meinen, wie auch bei diesem Festabend beklagt wurde. Es handelt sich dabei nicht um ökumenischen Unwillen auf katholischer Seite, sondern es tun sich theologische Fragen auf: unter anderem das völlig unterschiedliche Verständnis von Amt, Weihe, Eucharistie und Sakramentalität bis hin zur Apostolischen Sukzession.

Zahlreiche hochinteressante weitere Details des Reformationsjubiläums: So stellte der frühere Landesbischof Johannes Friedrich die vierte kirchenamtliche Überarbeitung der Lutherbibel vor, die zum 500. Reformationsjubiläum erschienen ist, der Vizepräsident der Landessynode, Walter Schnell, warnte vor dem Verlust der geistlichen Dimension der Kirche und der Beliebigkeit im Sinn des Zeitgeists, Kirchenmusikdirektor Klaus Peschik gab Einblick in seine umfangreiche Tätigkeit vom Orgel- und Pianospiel im Gottesdienst über Musikunterricht bis zur Leitung dreier Chöre.

© Fotos: Robert Schmitt

Die Dietersdorfer Pfarrerin Renate Schindelbauer machte sich als "Luther-Botschafterin Babett Eberlein von Schweinau" über das durchkommerzialisierte Merchandising und den Devotionalienkult rund um Martin Luther lustig, die Direktorin von "Mission EineWelt" Neuendettelsau, Gabriele Hoerschelmann, berichtete über die weltweite Perspektive der lutherischen Kirche, der Rother Landrat Herbert Eckstein (SPD, evangelisch) und der Schwabacher Oberbürgermeister Matthias Thürauf (CSU, katholisch) würdigten die Bedeutung der kirchlichen Tätigkeit innerhalb der Kommunen.

Der Arbeitskreis Inklusion schließlich buchstabierte seine Forderungen an die behindertengerechte Ausgestaltung des kirchlichen Lebens mit dem Wort "INKLUSIV".

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