Zur Halbzeit im Plan

22.6.2012, 08:13 Uhr
Zur Halbzeit im Plan

© Hess

Es war einen Art Halbzeitbilanz, die Lemke und der Initiativkreis zogen, denn die Hälfte der geplanten fünf Bauabschnitte ist erledigt. Er erläuterte die Reparaturen und sagte nicht ohne Stolz: „Das sollte für Jahrhunderte gut sein.“

Der erste Abschnitt war die Sanierung der Turms am West-Ende der Kirche. Hier hatten Steinmetze und Zimmerer reichlich zu tun. Der Glockenstuhl wurde erneuert, das Mauerwerk die Türmerstube hergerichtet.

Der zweite Bauabschnitt lag am anderen Ende des Gotteshauses. Hier wurde schadhaftes Gebälk im Dach des Chors geflickt und die Zimmerer bauten zusätzliche Tragrahmen ein. Durch dieses Reparaturen wurden die Gewölbe entlastet, und die Statik ist wieder in Ordnung gebracht. „Der Dachstuhl ist jetzt richtig gemacht, es gibt nur noch senkrechte Lasten, keinen seitlichen Schub mehr“, erläuterte Jürgen Lemke.

Auch kleinere Arbeiten am Sandstein-Mauerwerk waren nötig. Im Chor sind inzwischen die Gewölbe stabilisiert. Laut Jürgen Lemke sind diese Gewölbe etwas ganz Besonderes: Ihre Steine bestehen aus Holzmehl, Sand, Kalk und Blut als Bindemittel. Die Gewölbe-Schalen seien nur etwa sieben Zentimeter stark, ganz leicht, aber dennoch so stabil, dass sie einen Mann tragen können (siehe „Zur Sache“).

Entlüftungslöcher wieder offen

Neu und doch wieder nicht sind etliche etwa faustgroße Entlüftungslöcher in den Gewölben. Sie wurden wieder freigelegt und leiten nun Luft aus dem Kirchenschiff in den Dachstuhl. „Das ist gut für die Bauphysik“, erklärte Lemke. Es diene dem Feuchtigkeitsaustausch.

Im Chor sind die Wände frisch getüncht. Von ihrem Weiß heben sich die originalgetreu in einem Rot-Ton gestrichenen Dienste (Fortsetzungen der Gewölberippen nach unten). Wie einst begleitet sie ein Beistrich in einem kräftigeren Rot. So sollen am Ende die Dienste im gesamten Gotteshaus aussehen. Bislang waren sie in die Seitenschiffen in unterschiedlichen Farben bemalt.

Jürgen Lemke führte den Initiativkreis auch auf die Gerüste im Inneren der Kirche. In der Rosenberger-Kapelle ist wieder alles im Lot. Sie war zuletzt wegen Baufälligkeit gesperrt gewesen.

In der Spitze der Rundbogen-Öffnung zum Seitenschiff hin hatte sich ein Riss aufgetan, in den man bequem einen Hand stecken konnte. Auch hier hatte der Dachstuhl das Mauerwerk verschoben.

Zudem war die Mauer für die Schubkräfte zu schwach dimensioniert. Nun hält eine Spannstange von Wand zu Wand den Rundbogen zusammen. Auch in den Scheitelpunkten der Fensteröffnungen machten sich die Schäden bemerkbar. „Alle Fensteröffnungen waren gerissen“, so Lemke. Spannstangen im Mauerwerk geben auch hier Halt.

Die Fenster selbst sind mittlerweile gereinigt, die Farben erstrahlen in frischem Glanz. Auch die bemalten Scheiben sind eine Besonderheit. Sie sind noch original, stammen also von beginn des 16. Jahrhunderts. Sie stammen Laut Lemke aus der Werkstatt des Nürnberger Ranaissance-Glasmalers Veit Hirsvogel.

Die Rosenberger-Kapelle bildet eine Ausnahme zum einheitlichen Design der übrigen Kirche. Die Dienste sind in einem Ocker-Ton gestrichen, doch auch hier ist der Beistrich in einem kräftigen Rot. Über der Rosenberger-Kapelle ist der Dachstuhl nun ebenfalls saniert.

Die Kapitelsbibliothek über der Sakristei ist ausgelagert. Hier ergab sich ebenfalls eine Überraschung: Früher war der Zugang über eine Stiege vom Kirchenschiff aus möglich. Im Mauerwerk über dem Marienaltar am Westende des südlichen Seitenschiffs ist nun wieder die Türöffnung freigelegt; Sie wird allerdings noch verglast. Im Bibliotheksraum bauen Schreiner neue Regale; sie kommen genau da zu stehen, wo sich die alten befanden.

Zur Halbzeit im Plan

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Balken verfault

Auf der Südseite richten derzeit unter einem Notdach Zimmerer den historischen Dachstuhl her. Auch hier die üblichen Schäden: Die Schwellen und die Fußpunkte der Sparren sind abgefault. Dies sind die Spätfolgen eines Schädlingsbefalls. Der Schädling wurde bekämpft, doch ein Pilz setzte sein Zerstörungswerk fort. Die Zimmerer arbeiten sich nach Westen vor. Nächstes Jahr kommt schließlich der Westgiebel an die Reihe. Auch der bekommt Spannstangen, die ihn ans Kirchenschiff zurren.

Dass die Kosten bislang insgesamt im Rahmen geblieben sind, liegt laut Lemke zum einen wohl daran, dass für Unvorhergesehenes bei der Sanierung des Baudenkmals zehn Prozent Sicherheit einkalkuliert waren. Zum anderen hätten auch die Firmen, die beim ersten Bauabschnitt zum Zuge gekommen waren, für die weiteren Abschnitte günstige Angebote abgeben könne. Lemke meinte, sie hätten Erfahrung gesammelt und wüssten nun, wie sie noch effektiver arbeiten könnten. Auch für die Bauleitung bringt dies einen Vorteil, denn sie hat es mit „alten Bekannten“ zu tun.

Spenden nach wie vor nötig

Obwohl die Finanzierung der laufenden Kosten gesichert ist, werden nach wie vor Spenden benötigt, um auch in Zukunft alle Rechnungen zahlen zu können. Der Initiativkreis bittet weiterhin um Unterstützung. Sprecher Altoberbürgermeister Hartwig Reimann erinnert daran, dass seinerzeit etwa 2500 Schwabacher im Lauf von rund 70 Jahren den Bau bezahlt und durch Arbeitsdienste ermöglicht hätten. Heute sei es eine ähnliche Herausforderung, den Erhalt der Bürgerkirche zu sichern.

Dir werd' ich helfen — Restaurierung der Schwabacher Stadtkirche, Telefon (09122) 9256-200. Spenden: Konto 231109232, BLZ 76450000, Sparkasse Mittelfranken-Süd und Konto 7807449, BLZ 76460015, Raiffeisenbank Roth-Schwabach. Informationen zum Stand der Sanierung im Internet unter
www.dirwerdichhelfen.org

Zur Sache:

Sand, Splitt, Holzschnitzel und Blut
Deckengewölbe aus Sandstein und aus Kalkstein sind bekannt, ebenso aus Ziegeln. Auch aus Bruchsteinen wurden sie hin und wieder gemauert. Die Gewölbe über dem Chor der Schwabacher Stadtkirche sind aus einem besonderen Material, Vergleichbares ist nicht bekannt.

Hier Auszüge aus dem Analyseergebnis des Denkmalpflege-Labors Drewello & Weißmann GmbH, Bamberg:  „Bei der Probe handelt es sich um einen organisch modifizierten historischen ,Leichtbaumörtel’ aus Sand, Ziegelsplitt oder Schlacke und Ziegelmehl, Kalkhydrat (gelöschter Kalk), Wasser, Holzschnitzel zur Gewichtsminderung (Luftporenbildner) und Blut (Proteinlieferant). Die Pozzulane des Ziegel- oder Schlackezusatzes (lösliche Kieselsäure, reaktionsfähiges Aluminiumoxid) reagierten hydraulisch mit dem Kalkhydrat und lieferten mit dem organischen Zusatz ein hinreichend stabiles Bindemittel.“ Weiter heißt es: „Dass es sich um einen Mörtel und nicht um Ziegel handelt, erschließt sich aus der zuschlagsreichen und offenporigen Struktur, die sich deutlich von niedrig gebrannten Ziegelmatrices unterscheidet."
Der so hergestellte Mörtel wurde in eine handliche Quaderform gebracht und an der Luft getrocknet.
 

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