Sie sprechen die Sprache der Straße

29.5.2016, 10:01 Uhr
Sie sprechen die Sprache der Straße

© Foto: Hippel

Schon als kleines Mädchen war Aylin Erciyas zweimal mit der Polizei konfrontiert. Zweimal wurde sie von Polizisten aufgegriffen – Begegnungen, die die heute 38-Jährige nachhaltig beeindruckt haben. „Einmal hat mir ein Verkehrspolizist auf dem Weg zur Schule mein Fahrrad aufgepumpt. Er konnte sich nicht mit ansehen, wie platt mein Reifen war.“ Ein andermal ging sie als Kind verloren. Ein Polizist nahm sie mit, sang ihr auf der Wache „Alle meine Entchen“ vor.

Diese Erlebnisse hat die in Deutschland aufgewachsene Tochter einer Syrerin und eines Türken nie vergessen. Obwohl sie nach dem Abitur erst einmal Englisch und Französisch studierte, am Forschungsinstitut Garching arbeitete und im Abendstudium noch die Tücken des Management kennenlernte – die Polizei ging ihr nie aus dem Kopf.

2012 kündigte sie dann Job und Wohnung und ging zur Polizei-Ausbildung in die Kaserne nach Dachau. Heute bringt Erciyas Münchner Grundschülern Verkehrsregeln bei.

Polizeibeamte wie die Münchnerin werden immer wichtiger für die bayerische Polizei. „Sie haben einen direkteren Draht zu den Menschen mit Migrationshintergrund, da sie deren Sprache und Mentalität besser kennen. Ich erhoffe mir dadurch auch eine bessere polizeiliche Aufklärungsarbeit und Konfliktlösung“, meint Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Wie viele Polizisten mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit es in Bayern gibt, kann niemand genau beziffern. Solche Zahlen können aus Schutz vor Diskriminierung nicht festgehalten werden. Sicher ist: Es werden stetig mehr, schließlich ist auch die Polizei ein Abbild der Gesellschaft.

Genau beziffern kann man hingegen die Zahl der Polizisten in Bayern, die keinen deutschen Pass haben. 159 hat man seit 1993 eingestellt, darunter 57 Türken, 17 Italiener und 16 Kroaten und zehn Bosnier.

Eine von ihnen ist Mesrure Koldemir, die als Kinder türkischer Gastarbeiter im oberfränkischen Hof geboren ist. Seit 2005 ist sie bei der Polizei, seit Februar arbeitet sie nun als Ermittlungsbeamtin bei der Polizeiinspektion Nürnberg-Mitte in Nürnberg.

„Dass ich die Türkisch spreche, erleichtert mir oft die Arbeit. Wobei ich das Türkische sogar noch öfter im Gespräch mit Bulgaren brauche als mit Türken“, erzählt sie.

„Viele tun auch so, als ob sie kein Deutsch sprechen könnten. Wenn man sie dann in ihrer Muttersprache anspricht, können sie nicht mehr aus und man bringt sie zum Reden“, ergänzt Erciyas.

Mesrure Koldemir ist seit 2008 deutsche Staatsbürgerin, und auch künftig werden nicht viel mehr Ausländer eingestellt werden wie bisher, kündigt Minister Herrmann an. Das liegt schon daran, dass Bewerber mindestens seit fünf Jahren in Deutschland leben und die Sprache sehr gut beherrschen müssen.

Allerdings werden es immer mehr mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit sein. 15 Sprachen etwa beherrschen die Polizeianwärter in einem der Ausbildungsstandorte, darunter neben Italienisch, Griechisch, Polnisch und Kroatisch auch Algerisch, Urdu oder das im Senegal verbreitete Wolof.

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