Siemens streicht weitere 7800 Jobs, 1200 in Mittelfranken

6.2.2015, 17:43 Uhr
1200 Stellen werden in Mittelfranken gestrichen - 900 im Raum Erlangen, 300 in Nürnberg.

© dpa 1200 Stellen werden in Mittelfranken gestrichen - 900 im Raum Erlangen, 300 in Nürnberg.

Die Zeit läuft für Siemens-Chef Joe Kaeser. Möglichst rasch muss er den Elektroriesen mit einem radikalen Umbau auf Trab und gegen die starke Konkurrenz in Stellung bringen. Es gehe vor allem um Verwaltungsstellen. Laut Unternehmenskreisen werden dabei im Raum Erlangen 900 Stellen wegfallen, in Nürnberg sind 300 Stellen betroffen. Auch München leidet unter dem Umbau, 500 Stellen sollen hier gestrichen werden.

Zu bürokratisch, zu schwerfällig und vor allem zu weit weg vom Kunden - diese Probleme will Kaeser jetzt angehen, wie er auch in einem Brief an die Mitarbeiter bekräftigte, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag: "Wir machen Ernst damit, Siemens einfacher und schneller zu machen, und wir wissen, dass man noch vieles verbessern kann."

Es dürfte allerdings Jahre dauern, bis das Ganze richtig greift. Erste Verbesserungen erwartet der Siemens-Chef für 2016, erst 2017 will er dann die Früchte der Neuordnung ernten. In der Zwischenzeit aber wird die Konkurrenz nicht schlafen: Siemens hängt Wettbewerbern wie dem US-Erzrivalen General Electric schon seit längerem hinterher.

Selbst Arbeitnehmervertreter hatten deshalb bereits in der Vergangenheit schlankere Prozesse und Bürokratieabbau bei Siemens gefordert - einen Stellenabbau aber klar abgelehnt. "Wir fordern Qualifizierung und interne Versetzungen statt Abbau. Es werden harte Verhandlungen", erklärte Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn. Siemens selbst will sich dabei nach den Worten der neuen Personalchefin Janina Kugel um sozialverträgliche Lösungen bemühen. Dabei soll gemäß einer geltenden Beschäftigungssicherung auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden.

Spar- und Umbauprogramme gehören bei Siemens mit seinen zuletzt weltweit noch 343.000 Beschäftigten und zahlreichen verschiedenen Geschäftsfeldern fast zum Tagesgeschäft. Noch unter Kaesers Vorgänger Peter Löscher waren rund 17.000 Jobs weggefallen, bevor Kaeser selbst dann 2013 den Abbau von rund 15.000 Arbeitsplätzen verkündete.

Die Zeichen der Zeit wurden nicht erkannt

Siemens kämpft im wichtigen Energiegeschäft vor allem mit der mauen Nachfrage nach großen Gasturbinen. Zur Hauptversammlung Ende Januar hatte Kaeser seinem Ärger über die Probleme in der Sparte, die mittlerweile unter neuer Führung steht, recht unumwunden Luft gemacht: Die Zeichen der Zeit wie wachsender Preisdruck und Überkapazitäten seien nicht erkannt worden, wetterte der Vorstandschef.

Janik äußert sich zur Personalsituation

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik äußerte sich zu der Situation wie folgt: "Offenbar sollen zwar weniger Arbeitsplätze und Funktionen entfallen als man noch vor kurzem befürchten musste und es wird weiterhin auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Dennoch stehen vielen Menschen in unserer Stadt schwierige Monate bevor."

Janik führte am Freitag Telefonate mit Siemens-Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm und Arbeitnehmervertretern aus Erlangen. Gerade jetzt gelte es, die Zukunftschancen für den Standort entschieden zu nutzen, sagte das Stadtoberhaupt im Anschluss an die Telefonate.

"Siemens hat sich mit den Investitionsentscheidungen Campus und Healthcare Headquarter klar für unsere Stadt positioniert. Diese Projekte werden wir als Stadtverwaltung auch weiterhin nach Kräften unterstützen." Den Einsparungen müssen nun dringend mutige Investitionen in die zukunftsfähigen Branchen im Konzern folgen, forderte Janik.

IG-Metall kritisiert die Reduzierung

Die Vertreter der Arbeitnehmer stimmen sich schon jetzt auf harte Verhandlungen ein, und die Aktionäre verlangen mehr Tempo - der Druck kommt also von allen Seiten. Die Frage ist dabei vor allem: Schafft Siemens wieder den Anschluss an die internationalen Wettbewerber?

Betriebsbedingte Kündigungen sollten entsprechend geltender Vereinbarungen in dem Unternehmen vermieden werden. Die IG Metall kritisierte die Abbaupläne. Zwar stelle sich die Gewerkschaft nicht prinzipiell gegen "die Reduzierung überflüssiger Bürokratie und die Verschlankung unnötig komplizierter Prozesse", sagte der bayerische IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Wechsler. "Wir lehnen es aber entschieden ab, dass eine Umstrukturierung wie so oft mit Personalreduzierungen einhergeht."

Kaeser hatte den größten Konzernumbau seit 25 Jahren im Mai 2014 gestartet. Die Sektoren-Einteilung des Geschäfts wurde gekippt, die Zahl der Divisionen von 16 auf 9 reduziert. Die Medizintechnik wird verselbstständigt, auch der Verkauf von Randaktivitäten wie der Hörgerätesparte oder des Anteils am Hausgerätehersteller BSH gehört zu dem Konzept.

Einsparungen sollen in Innovationen fließen

Die internen Abläufe bei Siemens sollen gestrafft und vereinfacht werden. Mit den Plänen will Kaeser den Elektroriesen verschlanken und fitter für den Wettbewerb machen sowie die Kundennähe erhöhen. Zugleich sollen die Kosten um eine Milliarde Euro gedrückt werden. Die entsprechenden Einsparungen sollen in Innovationen, eine höhere Produktivität und Wachstum investiert werden, wie Siemens erklärte.

Dank der so freigesetzten Investitionen dürfte die weltweite Mitarbeiterzahl von zuletzt 343.000 am Ende annähernd stabil bleiben. Allein in den ersten vier Monaten des Geschäftsjahres seien weltweit schon mehr als 11.000 Mitarbeiter neu eingestellt worden, davon mehr als 1500 in Deutschland, hieß es.

Dieser Artikel wurde am 06.02.2015 um 17.39 Uhr aktualisiert.

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