Stromtrassen-Moratorium: Scharfer Protest gegen Seehofer

6.2.2014, 16:23 Uhr
Die Stromautobahn durch Bayern und Franken bleibt ein Politikum. Für Horst Seehofer wird's langsam unangenehm.

© dpa Die Stromautobahn durch Bayern und Franken bleibt ein Politikum. Für Horst Seehofer wird's langsam unangenehm.

CSU-Chef Horst Seehofer zieht mit seinem Ruf nach einem Planungsstopp für große Stromtrassen in den Süden massive Kritik auf sich. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte Seehofer einen "feigen Populisten". "Gerne will die CSU für die Energiewende sein, aber wenn es um unangenehme Themen geht, wird populistisch dagegen geschossen", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitag). Die für die Steuerung des deutschen Stromtrassenausbaus zuständige Bundesnetzagentur betonte am Donnerstag, es gebe trotz der geplanten Ökostrom-Reform mit einer Drosselung des Windausbaus keinen Bedarf für eine "grundsätzliche Strukturänderung" der Stromnetzausbaupläne.

Die bayerische Staatsregierung um Ministerpräsident Seehofer argumentiert, durch die Reform ändere sich die Geschäftsgrundlage, es müsse geschaut werden, wie viel Bedarf es an Höchstspannungstrassen überhaupt noch gebe. In dem jährlich festzulegenden Szenariorahmen würden die Pläne ohnehin laufend überprüft, sagte hingegen eine Sprecherin der Netzagentur. Bislang sei es aber nur zu Anpassungen in Randbereichen gekommen. So wurde eine Maßnahme zur Netzverstärkung in Baden-Württemberg nicht mehr als notwendig erachtet, sagte sie.

Im Netzentwicklungsplan hätten die Netzbetreiber 90 Maßnahmen aufgeführt, davon seien 56 von der Bundesnetzagentur als vordringlich eingestuft worden. Wichtigstes Kriterium sei die Auslastungsgrenze von mindestens 20 Prozent, sagte die Sprecherin. Vom Norden und Osten sind drei große Trassen in den Süden geplant, die längste soll der insgesamt 800 Kilometer lange "SuedLink" werden. In Bayern gibt es Proteste, nachdem mögliche Trassenverläufe bekannt geworden sind.

Online-Petition gegen Stromtrassen

Derweil formiert sich in der Oberpfalz weiter Protest gegen die geplanten Stromtrassen. Die Freien Wähler starteten nun eine Online-Petition. Nach gerade einmal 24 Stunden hat die bereits 648 Unterzeichner (06.02.2014). "Die geplante Trasse soll im sächsischen Bad Lauchstädt, in Mitten der Braunkohlereviere Mitteldeutschland und Lausitz, ihren Ursprung nehmen. Mit Ausnahme von Braunkohlestrom, dessen intensivierte Verwertung der Energiewende diametral entgegensteht, findet dort keine Art der Energieerzeugung statt", heißt es in der Begründung der Petition. "Uns erschließt sich deshalb nicht, weshalb eine 450 Kilometer lange Stromautobahn notwendig sein soll." Bereits am Mittwoch demonstrierten Trassen-Gegner auf dem Berchinger Rossmarkt.

Kritik kam auch von Nürnbergs Oberbürgermeister und  Präsidenten des Deutschen Städtetags Ulrich Maly. Der verlangt von Horst Seehofer mehr Ehrlichkeit. Es dürfe nicht nur darum gehen "irgendwelche Wahlen zu überstehen", sagte Maly und forderte eine offene und transparente Diskussion mit den Bürgern. Ob es allerdings ein Moratorium geben müsse, wisse er nicht, so der Nürnberger Oberbürgermeister.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) kritisierte die Bedenken der bayerischen Regierung. In Bayern gingen "in den nächsten Jahren große Kernkraftwerke vom Netz", sagte Oettinger der "Welt". "Die Leitungen sind notwendig - und zwar sehr schnell." Oettinger rief Seehofer zum Einlenken auf. "Wenn er den Bau der Stromtrassen ermöglicht und mitwirkt, dass die Akzeptanz steigt, ist das sehr willkommen", sagte der CDU-Politiker. Zugleich forderte er eine enge Einbindung der Bürger in den Netzausbau. In den nächsten Monaten sollen die möglichen Trassenverläufe mit den Bürgern erörtert werden.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, es wäre gut, wenn sich Seehofer an die von ihm mitgetragenen Beschlüsse im Bundesrat erinnern würde. Sie befürchte zwar keine Verzögerung beim Ausbau des Stromnetzes. "Aber ich sehe die Gefahr, dass durch dieses Verhalten alle Beteiligten verunsichert werden."

Der "SuedLink" soll von Schleswig-Holstein nach Bayern führen. Als zweites Großprojekt ist eine 450 Kilometer lange Trasse zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Meitingen (Bayern) geplant. Das dritte Großprojekt ist eine rund 500 Kilometer lange Trasse von Emden über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nach Philippsburg in Baden-Württemberg. Hierzu gibt es aber noch keine Trassenvorschläge.

Als Gesamtkosten werden mindestens zehn Milliarden Euro für insgesamt 36 Ausbau- und Netzverstärkungsprojekte veranschlagt. Insgesamt sollen 2800 Kilometer neu gebaut und 2900 Kilometer optimiert werden.

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