THW-Kräfte aus Franken: Einsatz im Katastrophengebiet

12.1.2019, 05:53 Uhr
Mit Schneeketten ist dieser Radlader des THW ausgerüstet, den ein Tieflader nach Berchtesgaden transportiert hat.

© F.: Sabine Dobel/dpa Mit Schneeketten ist dieser Radlader des THW ausgerüstet, den ein Tieflader nach Berchtesgaden transportiert hat.

Am späten Donnerstagnachmittag ging der Notruf bei Jürgen Teichert in Fürth ein. Der THW-Ortsbeauftragte klemmte sich gleich ans Telefon, um zehn junge Frauen und Männer zu finden, die am nächsten Morgen um 6.30 Uhr in den Landkreis Traunstein starten sollten.

Es funktionierte. "THW ist Teamarbeit", sagt Teichert stolz. Denn es war nicht allein damit getan, die Helfer an ihren Arbeitsplätzen und bei ihren Familien abzumelden. Das ist eigentlich unkompliziert, weil die Arbeitgeber Lohnersatz kassieren. Aber da gibt es eben noch wichtige Aufträge; gerade bei kleinen Betrieben kommt es auf jeden Mitarbeiter an. Und oft sind die Helfer auch privat eingespannt, um beispielsweise kranke Angehörige zu pflegen. "Da nehmen wir Rücksicht", sagt Teichert.

Feldbetten eingepackt

Kaum hatte der Fürther die Helfergruppe zusammengestellt, kamen die nächsten Aufgaben. Feldbetten und Verpflegung mussten gepackt werden. Ja, und dann ein technisches Problem: Schnell kauften die Mitarbeiter von Teichert breite Schneeschaufeln, denn sie wussten, das würde ihre allererste Aufgabe sein: Dächer vom Schnee zu befreien.

Punkt 6.30 Uhr am Freitag starteten die THW-Autos in Fürth. Nachmittags meldete Mathias Heinrichs vom Landratsamt in Traunstein, dass die Fürther bereits auf Hausdächern in Reit im Winkl arbeiten.

Auffällig ist die straffe Struktur des THW, wo ein Rädchen ins andere greift. Kaum hatten die Landkreise Traunstein, Berchtesgadener Land, Miesbach und Garmisch Katastrophenalarm ausgerufen und Hilfe angefordert, meldete der Landesverband den Bedarf an die Regionalbereiche weiter, die wiederum ihre Ortsbeauftragten alarmierten. Fürth, Forchheim, Schwabach, Ansbach, Baiersdorf — das sind nur einige Beispiele. Auch Nürnberg wurde angefragt, sagt Peter Brandmann vom THW. Dort startete ein Kranfahrzeug samt Kipper in Richtung Süden.

In Bayreuth sammelten sich am Freitagmorgen 32 Angehörige der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft). Erst nachts um 1.30 Uhr hatten sie ihren Einsatzbefehl erhalten. Mit Blaulicht starteten sie in ihren Kleinbussen nur fünfeinhalb Stunden später nach Traunstein. Vorerst sind die ehrenamtlichen Helfer bis Sonntag angefragt. Dazu entsendet das THW eigens geschulte Baufachberater. Sie müssen in kurzer Zeit die Statik von Gebäuden untersuchen und beurteilen, ob das Dach die Schneelast noch trägt.

Und genau das ist der Punkt, der den THW-Angehörigen Sorgen bereitet. Kalter Schnee ist erst mal vergleichsweise leicht. Doch am Samstag und Sonntag soll es wärmer werden, vielleicht sogar regnen (siehe auch untenstehenden Bericht). Dann saugt der Schnee das Wasser wie ein Schwamm auf. Das Gewicht der Dachlast nimmt ebenso exponentiell zu wie die Gefahr eines Einsturzes. Und die Einsatzkräfte sind mittendrin.

Sicher ist deshalb, dass es auch für die zu Hause gebliebenen Helfer des THW in den Ortsgruppen kein freies Wochenende geben wird. Denn erst kurzfristig wird entschieden, ob der bis Sonntag geplante Ersteinsatz verlängert wird, ob neue oder weitere Kräfte — möglicherweise auch von anderen betroffenen Landkreisen — am Alpenrand — angefordert werden.

Schweres Gerät nötig

Und dieses Szenario mag sich ohnehin niemand ausmalen: Wenn noch mehr Dächer einstürzen, reichen Schneeschaufeln nicht mehr. Dann muss schweres Gerät, also mehr Bagger, aus der gesamten Republik für die Aufräumarbeiten angefordert werden.

Dabei wissen die Ortsbeauftragten zunächst gar nicht, wo und wie ihre Leute eingesetzt sind. Das Kommando haben die Lagezentren und Krisenstäbe in den Landratsämtern. Niemand hat Zeit, am Handy mit den Freunden zu Hause zu plaudern.

Auch Alessandra Donatello hat sich auf ein langes Arbeitswochenende eingestellt. Sie ist für die Stabsstelle Kommunikation im Landesverband in München zuständig, der auch die Einsatzanforderungen an die regionalen THW-Gruppen weitergibt.

Am Freitag überschlugen sich bei ihr die Ereignisse. Doch Donatello behielt im Stimmengewirr des Großraumbüros einen kühlen Kopf und arbeitete eine Medienanfrage nach der anderen ab, während im Hintergrund schon neue Einsatzanforderungen eingingen. Auch in der Zentrale des THW war schon am Freitag spürbar, dass die Spannung vor möglichen Wetteränderungen am Wochenende steigt.

Ist das geregelte Chaos Routine beim THW? Der Fürther Jürgen Teuchert hat eine andere Erklärung. Bei Hochwassereinsätzen hat er erlebt, dass "alles schön durchorganisiert ist beim THW". In Passau konnten Helfer beim jüngsten Alarm mit dem Zug anreisen, ihre Kollegen ersetzen und deren Autos übernehmen, weil bundesweit jeder THW-Wagen in Deutschland identisch ausgestattet sei. Das sei "höchst professionell", sagt er. Aber der Respekt vor dem Einsatz bleibe dennoch. "Der Kampf gegen den Schnee ist kein Spaziergang. Das kann gefährlich werden."

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