Info-Abend in Treuchtlingen räumt Bedenken aus dem Weg
7.10.2015, 11:57 UhrSchulleiterin Gabriele Gippner zeigte sich bei der Begrüßung der etwa 80 Gäste erfreut darüber, dass die Stimmung unter den Eltern insgesamt offenbar sehr unaufgeregt und vernunftsbezogen sei, was sie auch aus den bislang eingegangenen Anrufen habe entnehmen können. Dennoch sei ein solcher Informationsabend im Sinne der Transparenz wichtig.
Landrat-Stellvertreter Robert Westphal erklärte in seinen Ausführungen, wie es zur Auswahl der Turnhalle in der Senefelder-Schule als Notunterkunft gekommen war. Der Landkreis sei von der Regierung von Mittelfranken aufgefordert worden, neben der Unterkunft im Pleinfelder Ortsteil Mackenmühle nach einer zusätzlichen und adäquaten Unterbringung zu suchen. Die Turnhalle habe sich wegen ihrer Übersichtlichkeit, der ebenerdigen Ausrichtung und der vorhandenen sanitären Anlagen angeboten.
Da nur die Zweifach-Turnhalle als Unterkunft genutzt werde, stehe die nicht betroffene Dreifach-Turnhalle weiter für den Schulsport und die Vereine zur Verfügung. Dennoch sei das Ganze nicht als langfristige Lösung zu sehen, sondern nur als vorübergehender Notbehelf. Westphal verwies dabei auf die derzeit in Gunzenhausen entstehende Halle. Nach deren Fertigstellung noch in diesem Jahr werde die hiesige Schule entlastet, hieß es.
Sebastian Münch, Sachgebietsleiter am Landratsamt für Soziales und Senioren, bot einen Gesamtüberblick über die Flüchtlingsproblematik. Bereits Anfang der 1990er Jahre habe Deutschland vor dem Hintergrund des damaligen Balkankrieges rund 430.000 Flüchtlinge aufgenommen.
Im Jahr 2014 seien es insgesamt 230.000 Menschen gewesen, die in unserem Land Zuflucht gesucht haben. Im laufenden Jahr seien von Januar bis Ende September 577.000 Flüchtlinge zu verzeichnen gewesen, knapp 200.000 davon aus Syrien. Allein im Monat September seien 263.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, rund die Hälfte davon Syrer.
Bayern trägt die Hauptlast
Im sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ ist festgelegt, wie die einzelnen Bundesländer an der gemeinsamen Lastenverteilung zu beteiligen sind. Der Anteil richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl. Bayern trägt derzeit die Hauptlast und hat gemäß diesem Schlüssel eigentlich zu viele Flüchtlinge zu schultern.
Amelie Strauß von der Regierung von Mittelfranken erläuterte, dass der Flüchtlingszustrom in diesem Ausmaß zuvor nicht vorhersehbar gewesen sei. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf kämen derzeit täglich etwa 250 Flüchtlinge an. Die Kapazität dort von ursprünglich 650 Menschen habe man mit Hilfe von Zelten, Schaffung von Außenstellen und anderen Maßnahmen auf 1.200 erweitern können. Die Verweildauer der Flüchtlinge speziell in Treuchtlingen sei auf die Zeit der „Sachbearbeitung“ begrenzt – also auf etwa drei bis vier Wochen.
Münch betonte nochmals, dass in der Treuchtlinger Schule lediglich die Zweifach-Turnhalle vorübergehend als Flüchtlingsunterkunft genutzt werde, nicht die Dreifach-Turnhalle. Die Menschen dort seien nicht eingeschlossen, sondern könnten sich frei bewegen. Ein Sicherheitsdienst übernehme die Aufsicht. Anhand von Bildern zeigte Münch die Art der Unterbringung im Schlaf- bzw. Ruhebereich sowie im Essens- bzw. Aufenthaltsbereich auf.
Sichtschutzwände sorgten dabei für ein Mindestmaß an Privatsphäre. Warmes Essen gebe es mittags von einem Catering-Service, für das Frühstück und Abendessen würden Lunch-Pakete an die Menschen verteilt. Die ärztliche Versorgung bewerkstelligten örtliche Hausärzte. Nötige Arzttermine würden durch den Sicherheitsdienst organisiert. Die Flüchtlinge in Treuchtlingen hätten jedoch bereits vor ihrer Ankunft allesamt einen medizinischen Check durchlaufen.
Die sozialen Leistungen für die Betroffenen teilten sich in Sachleistungen (Kost und Logis, Kleidung, medizinische Versorgung usw.) und Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens auf. Einem Alleinstehendem stehen demnach 140 Euro im Monat zu, dem Ehepartner 126 Euro sowie den Kindern – je nach Alter – zwischen 82 und 90 Euro. Münch zufolge orientieren sich die Sätze an Hartz IV. Der Besuch des Kindergartens bzw. der Schule seitens der Flüchtlingskinder ist in der Altmühlstadt nicht vorgesehen.
Laut Anita Enser vom Ordnungsamt der Stadt werde derzeit eine Kleiderausgabe organisiert. Bei vielen Maßnahmen sei ein ehrenamtlicher Helferkreis mit mehreren Dutzend Leuten sowie das Diakonische Werk tätig. Es gebe große Anstrengungen im Bereich der Sprachförderung sowie auch bei der Betreuung der Flüchtlingskinder, in die der städtische Sozialpädagoge Martin Bruhn mit seinem Mitarbeiter Alexander Hammel und einer Reihe von Helfern involviert seien.
Fragen aus dem Publikum
Anschließend kam noch eine Reihe von Fragen aus dem Publikum, so z.B. nach der Bereitstellung von eigenen Internet-Anbindungen für den Kontakt der Flüchtlinge mit ihren Familienangehörigen. Münch meinte, dass in Treuchtlingen das bestehende Mobilfunknetz hierfür ausreiche. Zusätzliche Angebote gebe es nicht. In einer weiteren Frage wurde die Sorge um den empfindlichen Turnhallenboden laut. Münch wie auch Gippner versicherten, dass nach Beendigung der Unterbringung der Boden wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werde.
Ohnehin werde die Schule in naher Zukunft neu gebaut. Da die Dreifach-Turnhalle nach wie vor für Schule und Vereine zur Verfügung stehe, seien der Sportunterricht sowie Sportveranstaltungen weiter möglich – wenn auch mit kleineren Einschränkungen. Auch bei den Schulpausen gebe es keine Probleme, da die Bereiche für die Flüchtlinge und die für Schüler voneinander getrennt seien. Überhaupt gebe es im täglichen Ablauf praktisch keine Berührungspunkte.
Warum nicht im Aldi-Markt?
Ein Frager schlug alternativ zur Schule den leerstehenden Aldi-Markt an der Heusteige als Notunterkunft vor. Münch hielt dem entgegen, dass es dort keine sanitären Einrichtungen gebe und dass Sanitär-Container und Toilettenwagen aufgrund der immensen Nachfrage derzeit schlichtweg nicht zeitnah zu bekommen seien. Zudem seien keine Fluchtwege vorhanden. Das Gebäude erfülle auch sonst nicht die geforderten baurechtlichen und sicherheitsrelevanten Bestimmungen. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei der Suche nach angemessenen Notunterkünften den ganzen Landkreis abgefahren und die denkbaren Objekte genau geprüft haben“, so Münch.
Eine Mutter gab ihrer Sorge Ausdruck, dass die Schüler mit Blick auf die völlig neue Situation an der Schule mit den vielen fremden Menschen tiefsitzende Ängste haben könnten, und fragte nach, wie die Schule damit umgehe. Gippner berichtete, dass es bislang diesbezüglich keine Nachfragen oder Äußerungen seitens der Schüler gegeben habe. Vielmehr seien nur positive Reaktionen der Schüler sowie deren Mitgefühl mit den Flüchtlingen zu verzeichnen gewesen.
Eine weitere Wortmeldung beschäftigte sich mit dem seelischen Zustand der Flüchtlinge. Münch stellte dar, dass die Neuankömmlinge in der Hauptsache erst einmal ein paar Tage bräuchten, um nach dem langen Fluchtweg und dem Erlebten etwas zur Ruhe zu kommen und „durchzuschnaufen“. Zudem blieben die Betroffenen ohnehin nicht lang in Treuchtlingen und würden bald weiterverteilt. Er selbst habe die Unterkünfte im Landkreis aufgesucht und festgestellt, dass die Leute insgesamt recht entspannt seien. Eine psychologische Betreuung sei jedoch grundsätzlich möglich. Da die Verweildauer der Menschen hier recht kurz sei, sei eine gezielte psychologische Unterstützung durch einen Fachmann allein schon hinsichtlich der Terminfindung schwierig.
Keine "Dauerlösung"
Der Informationsabend zeigte, dass der Austausch zwischen Schule und Eltern von elementarer Bedeutung ist, gerade auch in einer solchen Ausnahmesituation, die dieses Land – und eben nicht nur Treuchtlingen – sicher noch weiter intensiv beschäftigen wird. Die Stimmung in der Runde war vor diesem Hintergrund erfreulicherweise sehr unaufgeregt und sachbezogen.
Wie sich jedoch die Lage weiter entwickeln könnte, wusste freilich auch Münch nicht vorherzusagen. Allerdings scheidet die Senefelder-Schule als „Dauerlösung“ allein schon wegen des anstehenden Neubaus des Schulhauses aus.
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