Trotz Anmeldung

Raven bis die Polizei kommt: Streife löst Elektro-Party in Erlangen auf

20.8.2018, 13:37 Uhr
Die Feiernden hatten ihre Veranstaltung zwar angemeldet - trotzdem rückte in der Nacht die Polizei an.

© Bastian Gothe/privat Die Feiernden hatten ihre Veranstaltung zwar angemeldet - trotzdem rückte in der Nacht die Polizei an.

Bis etwa 1 Uhr nachts ist es ein schöner Abend. Das Lagerfeuer sprüht Funken, die Lichterketten leuchten, die Körper der tanzenden Gäste winden sich im Schein der Schwarzlichtlampen. Zwei DJs haben schon aufgelegt, Goa, Progressive, House dringt aus den Boxen über den Rasen am Herbstwiesenweg in der Nähe des Erlanger Emmy-Noether-Gymnasiums. Dann erhellen Autoscheinwerfer die Sommernacht. Mehrere Streifenwagen fahren vor, Polizisten in Zivil und Uniform steigen aus und beenden die Party. Die Musik verstummt, und keine 20 Minuten später ist aus der tanzenden Menge von etwa 100 Leuten ein ernüchterter, rasch kleiner werdender Haufen geworden.

Dabei hatten die Organisatoren diesmal versucht, alles richtig zu machen. Sie hatten sich bei der Stadt nach Flächen erkundigt und für den 6. Juli die Freizeitanlage am Herbstwiesenweg für eine "Veranstaltung mit Musik und Tanz" gemietet. Allerdings nur bis 23 Uhr. Und auf eine Party, bei der eine Stunde vor Mitternacht der Stecker gezogen wird, hatte dann doch keiner Lust.

"Ursprünglich war die Feier mit Open End genehmigt", erzählt Philipp, der den Rave federführend organisiert hat. Der 26-Jährige, der lieber nur seinen Vornamen nennen will, ist kein Neuling in der Rave-Szene. Bisher feierten er und seine Freunde allerdings immer illegal. Im März hatten sie zum Beispiel das Gelände der alten Günther Düngemittelfabrik in Eltersdorf als Location auserkoren. Auch da kam die Polizei, die Party war vorbei, bevor sie richtig beginnen konnte.

Solche Partys sind keine Seltenheit, wie die Erlanger Polizei mitteilt: Vor allem im Sommer werde im Stadtgebiet gern im Freien gefeiert, immer wieder kommen Beschwerden von Anwohnern. Die alte Günther-Fabrik ist ein beliebter Treffpunkt und den Bürgern in Eltersdorf schon seit längerem ein Dorn im Auge. Eine Statistik zu Raves führt die Polizei allerdings nicht.

Raven mit Genehmigung

Weil es frustrierend ist, Boxen, DJ-Pult, Laptops, Kabel und Beleuchtung in stundenlanger Arbeit an einen Ort zu transportieren, aufzubauen und Deko anzubringen, wollten Philipp und seine Mitstreiter es diesmal anders versuchen. Legal Raven, mit Genehmigung, ohne schlechtes Gefühl. "Ich hatte von Bekannten gehört, dass man bei der Stadt Flächen mieten kann", erzählt Philipp.

Wer in Bayern an öffentlichen Orten feiern will, muss sich mit dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) auseinandersetzen. Dort regelt Artikel 19 die "Veranstaltung von Vergnügungen". Wer feiern will, muss dass der Gemeinde melden. In Erlangen ist das Amt für Soziokultur zuständig, solange es sich um private Feiern handelt. Bei öffentlichen Veranstaltungen geht der Fall an das Bürgeramt für Sicherheit und Ordnung.

Bedenken von Seiten der Polizei

Im ersten Akt der Genehmigung erhielten Philipp und seine Freunde die Erlaubnis, an der Wöhrmühle im Erlanger Wiesengrund privat zu Feiern – und zwar die ganze Nacht lang, ohne Gebühr. "Ich fand das einen fairen Deal", sagt Philipp. Dann meldete die Stadt die Veranstaltung an die Polizei. Ein üblicher Vorgang, wie sowohl das Amt für Soziokultur als auch die Erlanger Polizei bestätigen. Letztere war allerdings von der Party an der Wöhrmühle wenig begeistert und meldete Bedenken an. Zwar hat ihr Veto nur eine "beratende Funktion", wie Ralf Rupp, Einsatzgruppenleiter der Erlanger Polizeiinspektion, erklärt - die Stadt schien in diesem Fall aber recht beratungswillig zu sein.

Also wurde Philipp zwei Tage vor dem Rave erneut zum Amt für Soziokultur zitiert. Von Open End war dann keine Rede mehr. Und weil die Wöhrmühle laut der zuständigen Sachbearbeiterin ein ungünstiges Lärmgutachten hat, legte sie den Veranstaltern nun das Gelände am Herbstwiesenweg nahe des Emmy-Noether-Gymnasiums ans Herz. Für Philipp hieß das: Umplanen, Gäste informieren, zweiten Versuch starten. Im neuen Vertrag war die Party allerdings auf die Zeit bis 1 Uhr nachts beschränkt, ab 23 Uhr nur noch ohne Musik.

Bass wummerte auch in Schlafzimmern der Anwohner

"Es war ein Fehler, es halb legal zu machen", sagt einer der DJs, der an dem Abend auflegen sollte, aber durch das Einschreiten der Polizei nicht mehr zum Zug kam. "Ich fühle mich jetzt wie ein Krimineller", sagt Philipp, der nun ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen unzulässigem Lärm am Hals hat und aller Voraussicht nach ein Bußgeld zahlen muss. Denn während die etwa 100 Gäste seiner Feier ekstatisch zu Elektroklängen zappelten, wummerte der Bass wenige hundert Meter weiter auch in den Betten einiger Anwohner.

Die Party am Herbstwiesenweg war in vollem Gange - allerdings waren einige Anwohner wenig begeistert von den Bässen, die zu ihnen herüberschallten.

Die Party am Herbstwiesenweg war in vollem Gange - allerdings waren einige Anwohner wenig begeistert von den Bässen, die zu ihnen herüberschallten. © Bastian Gothe/privat

Mehrere Anrufer hätten sich am Freitagabend über den Lärm beschwert, berichtet Rupp, der den Polizeieinsatz in der Juli-Nacht leitete. "Wir sind dann halt die Spielverderber, aber das ist eben so", kommentiert er. Die Polizei ist in diesem Fall allerdings nur ausführende Gewalt - "die Verfolgungsbehörde ist die Stadt", erklärt Jochen Blum von der Erlanger Polizei. Die zuständigen städtischen Behörden wickeln das Ordnungswidrigkeitsverfahren ab und entscheiden auch über die Höhe des Bußgeldes.

"Wir sind ja kulturaffin"

Das Amt für Soziokultur steckt dabei in einer undankbaren Zwickmühle, wie Leiter Stephan Beck erklärt. Einerseits wollen die Beamten Feiern genehmigen – andererseits dürfen sie die Anwohner nicht vergraulen. "Bei Musikveranstaltungen besteht generell das Problem, dass sie sehr lange gehen", sagt Beck. "Dafür haben wir keine geeigneten Flächen. So leid uns das tut." Auf der einen Seite wollen Leute feiern, auf der anderen Seite wollen Menschen schlafen, irgendwann. "Die Nachtruhe ist ein hohes Gut." Sein Amt sei daher angehalten, restriktiv zu sein.

"Wir sind ja kulturaffin – wir wollen möglichst viel genehmigen", fährt Beck fort. "Wenn wir Flächen hätten, die sich lärmtechnisch abschotten lassen, wäre das was anderes." Dietmar Radde, der den Bereich Kinder- und Jugendkultur leitet, erinnert sich, dass man in Erlangen früher immer wieder nach einem Gelände für Open-Air-Veranstaltungen gesucht habe. Das sei aber am Ende immer an den Lärmbestimmungen gescheitert.

Beck schlägt daher vor, auf andere Orte auszuweichen. Das E-Werk biete Kooperationen an, auch den Jugendclub Omega an der Werner-von-Siemens-Straße im Erlanger Süden kann man mieten. Überhaupt sei die Stadt weniger restriktiv als andere Kommunen. Und in der absoluten Mehrheit der Fälle mache man positive Erfahrungen, normalerweise gebe es keine Beschwerden.

Warten auf den Bußgeldbescheid

Wer allerdings wie Philipp die Auflagen verletzt, steht in Zukunft unter genauerer Beobachtung. Im Amt für Soziokultur hat der 26-Jährige momentan keinen guten Stand: "Ich habe mich noch einmal bei der Sachbearbeiterin gemeldet, um mich zu entschuldigen", sagt Philipp. Die habe ihm aber mitgeteilt, dass sie kein Interesse an einem Gespräch habe.

Nun wartet er auf den Bußgeldbescheid. Außerdem geht die Polizei noch der Frage nach, ob es sich statt der angemeldeten Privatfeier nicht eher um eine öffentliche Veranstaltung handelt. Die Grenzen sind hier fließend. Ob die Sache so glimpflich ausgeht wie nach dem illegalen Rave in der alten Düngemittelfabrik im Frühjahr, ist ungewiss. Die Anzeige wegen Hausfriedensbruch wurde damals letztendlich fallen gelassen.

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