Trotz Verbot: Mehrfachehen sind auch in der Region Realität

25.3.2018, 05:24 Uhr
Trotz Verbot: Mehrfachehen sind auch in der Region Realität

© Foto: Saeed Khan, afp

Ein Fall aus dem Landkreis Pinneberg hat, vor allem durch die Verbreitung über das Internet, vor kurzem Aufmerksamkeit erregt. Dort durfte ein Flüchtling aus Syrien, der seit 2015 mit seiner Frau und vier Kindern in Deutschland lebt, seine Zweitfrau zu sich nachreisen lassen. Der Behördensprecher des Kreises Pinneberg in Schleswig-Holstein sagte, es handle sich keineswegs um eine "pauschale Regelung" - sondern um das Ergebnis einer "sorgfältigen Einzelfallprüfung".

Die Entscheidung habe man "zum Wohl der Kinder" des Antragsstellers gefällt, so der Sprecher weiter. Die vier Kinder, mit denen das Paar 2015 nach Deutschland geflüchtet war, sind demnach biologische Nachkommen der Zweitfrau, die damals im bürgerkriegsgeplagten Syrien zurückgeblieben war. Diese sollten nicht ohne ihre leibliche Mutter aufwachsen.

In Nürnberg ist kein Fall bekannt

Über einen vergleichbaren Fall aus dem Landkreis Neumarkt haben die Nürnberger Nachrichten berichtet. Demnach lebt dort ein Iraker zusammen mit seinen zwei Ehefrauen und insgesamt 13 Kindern "unauffällig" in einer Wohnung im Landkreis. "Ein ähnlicher Fall ist uns in Nürnberg nicht bekannt", teilt Olaf Kuch mit, Leiter des Einwohneramtes der Stadt. "Möglich" sei ein solcher Fall allerdings schon.

Kuch erklärt auf NZ-Anfrage die komplizierte Rechtslage in solchen Fällen und die möglichen Folgen. Ganz grundsätzlich, so Kuch, ist die Mehrehe in Deutschland verboten, man könne sie hier deshalb rechtsgültig auch nicht schließen; ein Verstoß dagegen könne nach Paragraf 172 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. "Aus diesem gesetzlichen Verbot der Mehrehe in Deutschland folgt jedoch nicht, dass tatsächlich im Ausland oder unerkannt im Inland erfolgte weitere Eheschließungen automatisch unwirksam werden", betont Kuch. Auf Antrag eines Ehegatten – oder auch einer zuständigen Behörde – könne aber eine solche im Inland geschlossene Mehrehe aufgehoben werden.

Formal anerkannt würden Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, auch Mehrfachehen, in Deutschland nicht, so Kuch, allerdings können solche Ehen durchaus Rechtsfolgen haben, etwa im Familien- oder Erbrecht oder bei Aussageverweigerungsrechten.

Auch wenn es um die Eheschließung mit Minderjährigen geht, dann gelte nach dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) für jeden Verlobten das Recht des Staates, dem er angehört. Bei der Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe sei in Deutschland aber eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, "wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist". Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Anwendung nicht mit den Grundrechten vereinbar ist. Was die Mehrfachehe angehe, die nach dem Heimatrecht der Ehegatten zulässig ist, so sei die Rechtsprechung hierzulande "grundsätzlich uneinig", berichtet Kuch. Urteile unterlägen hier der Prüfung des jeweiligen Einzelfalls und der richterlichen Unabhängigkeit.

Nachzug von Zweitfrauen zu den Kindern wird gestattet

Für die Ausländerbehörden gelte, dass nach dem Aufenthaltsgesetz bei gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheirateten Ausländern, die bereits mit einem dieser Ehegatten im Bundesgebiet leben, "keinem weiteren Ehegatten der Familiennachzug gewährt wird". Wenn aber schon gemeinsame Kinder mit einer "Zweitfrau" im Lande sind, dann könne der Nachzug dieser Ehefrau zu den Kindern ermöglicht werden und nicht zum Ehemann – so etwa in dem Fall aus dem Kreis Pinneberg. "Solche Fälle dürfte es auch bei uns geben", sagt der Nürnberger Behördenleiter Kuch.

Im Asylbewerberleistungsgesetz ist geregelt, welche Sozialleistungen für den "notwendigen Bedarf" gezahlt werden. Leben Asylbewerber außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung, erhalten Alleinstehende 332 Euro im Monat, zwei Erwachsene, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen, je 299 Euro, Jugendliche vom Beginn des 14. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 265 Euro, Kinder vom Beginn des sechsten bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres 258 Euro, Kinder bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres 206 Euro.

Zum Vergleich: Der Regelsatz für Langzeitarbeitslose (Hartz IV) beträgt für Alleinstehende 416 Euro, für Partner in einer Bedarfsgemeinschaft je 374 Euro. Wohnungskosten werden extra übernommen.

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