Vegane Kost in Bayerns Kitas? Experten sind skeptisch

25.6.2018, 17:12 Uhr
Vegane Kost in Bayerns Kitas? Experten sind skeptisch

© Foto: Georg Wendt/dpa

Das neue Betreuungsangebot im Münchner Stadtteil Sendling kommt offensichtlich gut an, die Anmeldeliste für den Start im November 2018 ist bereits voll. Zwölf Eltern haben sich dafür zur Initiative "Erdlinge e. V." zusammengeschlossen, der entscheidende Impuls zu dem veganen Pilotprojekt kam von Anna-Sophie Staudacher, die seit drei Jahren ausschließlich pflanzliche Lebensmittel verzehrt und auch ihre eineinhalbjährige Tochter auf diese Art und Weise ernährt.

"Es gibt zwar schon Kindergärten, in denen es mit der veganen Verpflegung irgendwie klappt. Aber das Kind hat dort dann immer die Außenseiterrolle", begründet Staudacher ihr Engagement. Die Initiatoren von "Erdlinge e.V." wollen ihren Kindern vermitteln, dass Tiere Lebewesen mit Rechten seien – "das ist schwierig, wenn nebenbei ins Wurstbrot gebissen wird".

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht den Plan der Münchner Initiative, Kleinkinder ausschließlich pflanzlich zu ernähren, skeptisch. "Hauptgrund ist, dass Vitamin B12 über vegane Ernährung nur sehr schwer gedeckt werden kann. Und es gibt noch weitere kritische Nährstoffe, auf die bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase zu achten ist", erklärt Ernährungswissenschaftlerin Sonja Fahmy. Auch das Bundeszentrum für Ernährung warnt: "Je einseitiger die Ernährungsweise und je jünger das Kind ist, desto größer ist das Risiko für einen Nährstoffmangel."

Weißwurst-Frühstück in Zirndorfer Kita

In der Zirndorfer Bewegungskita Purzelbaum dagegen wird das Speisenangebot wohl kaum einseitig werden. Einmal pro Monat gibt es zum Beispiel ein Weißwurst-Frühstück. "Mit Brezen und süßem Senf, aber natürlich ohne Weißbier", sagt Christina Schaller und lacht. Ein Highlight für die Schützlinge der Betreuungseinrichtung im Landkreis Fürth: "Die Kinder freuen sich immer total darauf", erzählt die Kita-Leiterin, die vor einiger Zeit auch die Eltern in Sachen Verpflegung mit ins Boot geholt hat.

Als früher ein Teil der 74 Purzelbaum-Schützlinge regelmäßig mit Schokohörnchen oder Sandwiches aus dem Supermarkt als Frühstücksverpflegung ankam, grätschte Schaller irgendwann dazwischen. Mittlerweile erhalten die Eltern Einkaufslisten, und mit den frisch angelieferten Zutaten bereiten die Betreuerinnen – oft zusammen mit den Kindern – täglich ein anderes Frühstück zu. Das kann ein Obstsalat mit Vollkornkeksen oder auch mal ein mediterraner Start in den Tag mit Fladenbrot, Oliven und Schafskäse sein. "Wir wollen den Kindern damit vermitteln, wie vielfältig Ernährung sein kann", erklärt Christina Schaller.

"Natürlich gibt es regelmäßig vegetarische Tage, aber eine komplett fleischlose Ernährung haben wir nicht in unseren Einrichtungen", ergänzt Andreas Müßig, Geschäftsführer der Kinderarche gGmbH, die neben mehreren Kindergärten und -krippen auch heilpädagogische Tagesstätten betreibt. Anfragen von Eltern nach rein vegetarischer oder gar veganer Verpflegung sind noch nicht zu Müßig durchgedrungen.

Caterer meldete Insolvenz an

Oft spielen auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle, dass ein Großteil der bayerischen Betreuungseinrichtungen für Kinder inzwischen zwar eine ausgewogene Verpflegung mit regionalen Zutaten und Bio-Produkten, aber eben keine vegane Kost, anbietet. "Bei uns gab es in zwei Horten temporär einen veganen Essensanbieter, aber der ist mittlerweile insolvent", berichtet Joachim Feichtl, Sprecher des bayerischen Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Jetzt gebe es in den beiden Einrichtungen wieder "alles" zu essen.

Initiiert worden sei das vegane Angebot auch nicht von den Eltern, sondern vom Hort-Team, weil große Fleischmengen immer weggeschmissen werden mussten. "Den Kindern hat es einfach nicht geschmeckt, auch weil die Fleischqualität der Großküche zu wünschen übrigließ", erklärt Feichtl.

Dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) wäre es am liebsten, wenn in den Kindertagesstätten täglich frisch gekocht würde,  "aber das geht schon rein von der Logistik her leider nicht", bedauert Michael Bauer, Vorstand des HVD Bayern. 19 Kitas betreibt der Verband im Freistaat, einen großen Teil davon im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen, und überall legt man Wert darauf, dass dem Nachwuchs keine vorgekochten Convenience-Produkte und kein Fleisch aus Massentierhaltung serviert wird. "Alles andere würde unserem ethischen Anspruch widersprechen", sagt Bauer.

Generell tun sich kleine freie Träger leichter mit einer individuellen Verpflegung ihrer Schützlinge als die großen Sozialverbände. In der vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Rödl & Partner in Nürnberg betriebenen Kinderkrippe "Schlaue Füchse" zum Beispiel gibt es dreimal pro Woche vegetarisches Essen, und regelmäßig backen die Kinder ihr eigenes Brot aus Dinkelmehl. "Sie machen auch Brotaufstriche und ziehen sich im Garten ihr eigenes Gemüse", erzählt Personalleiter Michael Rödl. Der völlige Verzicht auf tierische Produkte ist allerdings auch bei den "schlauen Füchsen" kein Thema.

 

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