Verbote nutzen wenig

11.7.2018, 08:00 Uhr
Verbote nutzen wenig

© Petra Schönberger/imago

Bei der Alternative für Deutschland (AfD) ist man sauer auf den Rapper Farid Bang. Dieser hatte in dem sozialen Netzwerk Instagram einen Ausschnitt aus seinem neuen Song veröffentlicht. Darin bezeichnet er die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, als "Nazi-Bitch" und sagt auch, dass er ihr gerne das Nasenbein brechen würde – eine Reaktion auf Weidels vorangegangene Abschiebe-Forderung gegen den Rapper. Verschiedene AfD-Politiker zeigten sich daraufhin von den Inhalten des Rap-Textes schockiert und wütend. Weidels Sprecher erklärte, die Politikerin wolle auch mögliche rechtliche Schritte gegen Bang prüfen.

Wenig Erfolg verspricht ihr dabei Mustafa Temmuz Oðlakcıoðlu, wissenschaftlicher Mitarbeiter und akademischer Rat an der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Zusammen mit seinem FAU-Kollegen Christian Rückert beschäftigt er sich seit 2015 intensiv mit den Straftatbeständen der Beleidigung und Volksverhetzung in solchen Musikstücken. Aus dieser Arbeit ist ein Vortrag entstanden, den die beiden bereits vor einem breiten Publikum bei der langen Nacht der Wissenschaften 2017 und vor Kollegen an der Bucerius Law School in Hamburg gehalten haben. Anhand von Hörproben und Video-Ausschnitten aus Rap-Titeln untersuchen die beiden Juristen die Songs direkt auf der Bühne auf ihre strafrechtlichen Gesichtspunkte.

Künstlerische Freiheit

"Was wie eine üble Beleidigung klingt, unterliegt in Rap-Songs fast immer der künstlerischen Freiheit, die in Artikel fünf, Absatz drei des Grundgesetzes verankert ist", erklärt Oðlakcıoðlu. Dasselbe gelte auch für bedrohend oder nötigend wirkende Textstellen. Das sieht nicht nur der Erlanger Jurist so, sondern auch die Gerichte. So wurde beispielsweise im Jahr 2015 eine Anklage gegen den Rapper Bushido wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellung aus eben diesem Grund nicht zugelassen. Auch die Musiker selbst gehen so gut wie nie juristisch gegeneinander vor, sondern kontern ihrerseits mit Versen.

So vulgär und schockierend manche Rap-Texte über Gewalt, Drogen und sexuelle Diskriminierung also klingen mögen – es handelt sich dabei um Kunst. Oðlakcıoðlu weiß: "Wie Schauspieler in Filmen schlüpfen die Rapper mit ihren Songs in Rollen, die sie am Ende des Musikstücks wieder ablegen." Zudem würden sich scheinbare thematische Vorlieben der Rapper häufig schnell relativieren.

Zum Beispiel appellieren Bang und Kollegah in ihrem Lied "Weihnachtsgeschichte", dass Heilig Abend das Fest der Nächstenliebe und Hoffnung sein sollte – unabhängig davon, ob man Jude, Christ oder Moslem ist. Dieser Titel befindet sich auf demselben Album wie das Lied "0815", für dessen Textpassagen die Rapper mit Vorwürfen des Antisemitismus konfrontiert wurden. Der Ethik-Beirat des Musikpreises Echo hatte allerdings entschieden, das Album aufgrund der künstlerischen Freiheit weiter an der Preisvergabe teilnehmen zu lassen.

Von den beiden Rappern gab es im Zuge der Vorwürfe Entschuldigungen und Klarstellungen in sozialen Netzwerken. Sie baten Holocaust-Überlebende um Verzeihung und distanzierten sich von jeglicher Form des Antisemitismus oder des Hasses gegen Minderheiten. Bei dem Satz "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" würde es sich um einen "geschmacklosen Battle Rap Vergleich" handeln, nicht um eine politische Äußerung.

Verbote nutzen wenig

© Burghardt

"Ganz unabhängig von der Kunst-Frage ist bei Themen rund um den Zweiten Weltkrieg das Problem, dass die älteren Generationen von jungen Menschen dieselbe Erinnerungskultur erwarten wie von sich selbst", meint Oðlakcıoðlu. Der Erlanger Jurist glaubt zudem auch nicht, dass Texte von Farid Bang, Kollegah und Co einen muslimisch motivierten Antisemitismus hervorrufen würden, über den zuletzt erneut eine hitzige öffentliche Debatte entbrannt war. "Wenn überhaupt, dann wirkt die Musik nur verstärkend bei Menschen, die ohnehin schon solche problematischen Einstellungen teilen", so Oðlakcıoðlu. Darüber hinaus hätten Kinder und Jugendliche über das Internet regelmäßig Zugang zu weitaus extremerem Material. Auch im Fernsehen würden US-amerikanische Serien laufen, die mit ihren Parodien vor keiner Minderheit Halt machen.

Der Rechtswissenschaftler glaubt, dass es falsch wäre, aus Jugendschutzgründen oder bloßer Empörung die künstlerische Freiheit zu beschneiden. Schließlich würde Verbotenes stets einen ganz besonderen Reiz ausüben. Vielmehr sieht er Politik und Gesellschaft, aber auch die Künstler in der Pflicht, sich mehr in Sachen Prävention zu engagieren.

Den Staat sieht Oðlakcıoðlu gefordert, wo Eltern nichts mehr ausrichten können: "Wenn eine Internetseite fragt, ob man schon 18 ist und der Klick auf Ja genügt – für solche Angebote brauchen wir eine Neujustierung des Jugendschutzes."

Ihren Vortrag zur Strafbarkeit von Gangsta-Rap halten die Erlanger Juristen im Rahmen des Taubertal-Festivals am 11. August in Rothenburg ob der Tauber.

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