Verhandlung am OLG: Wer muss für Brücke zahlen?

22.2.2017, 05:54 Uhr
Verhandlung am OLG: Wer muss für Brücke zahlen?

© Archivfoto: dpa

Ein gewaltiger Knall, Feuer und jede Menge Rauch: Kurz nachdem ein niederländischer Frachter mit der Protzenweiherbrücke kollidiert war, mussten Rettungskräfte am 13. März 2008 ein regelrechtes Inferno im Regensburger Viertel Stadtamhof bekämpfen.

Nachdem sich der Qualm verzogen hatte wurde klar: Ein Kranausleger der "Sento Rotterdam" hatte die Hauptgasleitung, die unter der Brücke verläuft, aufgerissen. Das Gas explodierte, der anschließende Großbrand beschädigte das Bauwerk über dem Europakanal so stark, dass es abgerissen werden musste. Wie durch ein Wunder kamen damals keine Menschen zu Schaden. Auch der Stadtteil Stadtamhof, der zusammen mit der Regensburger Altstadt das UNESCO-Weltkulturerbe bildet, wurde verschont.

Nach drei Jahren rollte der Verkehr wieder über einen Brückenneubau. Seit der Einweihung wird aber über die Schadensregulierung gestritten. Bundesbehörden schätzen den Schaden auf rund 3,5 Millionen Euro.

780.000 Euro in erster Instanz

2013 verhandelte das Amtsgericht Regensburg, als zuständiges Gericht für die Binnenschiffahrt, den Fall. Unter anderem weil der Kapitän Frau und Kinder an Bord hatte, glaubte das Gericht nicht an Vorsatz. Der Mann habe grob fahrlässig, aber nicht leichtfertig gehandelt, so die Einschätzung der Richter. Für solche Fälle sieht das Schifffahrtsrecht eine Haftungsbeschränkung vor. Der Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin der Brücke wurden damals 780.000 Euro zugesprochen.

Der Bund ging in Berufung, da er nicht auf dem Großteil des Schadens sitzen bleiben wollte. Nun befasst sich das OLG Nürnberg als sogenanntes Schifffahrtsobergericht mit dem Fall: Der zuständige 9. Zivilsenat beauftragte zunächst Sachverständige mit Gutachten und hörte Zeugen. Bei der Vernehmung des Kapitäns im April vergangenen Jahres ergaben sich dann neue Fakten.

Früher hatte der Mann angegeben, sich bei der Höhe verschätzt zu haben. Nun kam heraus, dass er gar nicht genau wusste, wie hoch sein Schiff und vor allem der teilweise ausgefahrene Kran tatsächlich waren. Eine Schätzung war dem Schiffsführer nach Ansicht der OLG-Richter deshalb gar nicht möglich. "Der Senat ist der Auffassung, dass er leichtfertig und mit dem Bewusstsein, dass so ein Schaden eintreten könnte, handelte. Wir müssen ein qualifiziertes Verschulden annehmen", sagte ein Senatsmitglied in der gestrigen Verhandlung. Bei einem leichtfertigen Vorgehen würde nach aktueller Gesetzeslage die Haftungsbeschränkung wegfallen. Der Binnenschiffer und seine Versicherung – sofern sie denn einspringt – müssten für den ganzen Schaden aufkommen.

Was ist Grundlage für Haftungssumme?

Wie hoch die Summe ist, ist ebenfalls umstritten: Sind die 3,4 Millionen Euro, die der Bund fordert, gerechtfertigt? Kann man den Abriss- und Neubau der Brücke als Grundlage der Berechnung ansetzen oder dürfen nur die Wiederherstellungskosten berücksichtigt werden? Fließen Mittel für Verkehrssicherung und Behelfsbrücken in die Berechnung mit ein? Ein Vertreter der klagenden Bundesrepublik verweist außerdem auf eine weitere Million Euro an Verzugszinsen, die mittlerweile aufgelaufen seien.

Um die genaue Schadenshöhe zu berechnen, wären nach Ansicht des Gerichts weitere Expertengutachten nötig. Weil diese viel Geld und Zeit verschlingen, appellierte der 9. Zivilsenat an die Streitparteien, sich gütlich zu einigen.

Bis Ende März will das Gericht seine Einschätzung schriftlich niederlegen. Dann haben die Streitparteien Zeit, Stellung zu nehmen und Vergleichsvorschläge zu machen.

Ebenfalls ohne Ergebnis blieb ein zweites Verfahren gestern vor dem OLG gegen den Binnenschiffer:
Der Regensburger Energieversorger Rewag ist als Anlagenbetreiber in der Mithaftung für das Unglück. Er möchte sich Forderungen des Bundes von dem Kapitän zurückholen. Außerdem fordert Rewag insgesamt 160 000 Euro für die Ersatzleitung, das ausgetretene Gas und den Feuerwehreinsatz.