Versteht Gott Spaß?

2.8.2012, 17:23 Uhr
Versteht Gott Spaß?

© dapd

Vor ungefähr 1800 Jahren kritzelte ein Römer in schnellen Strichen einen gekreuzigten Esel an die Wand, und davor einen Menschen, der ihn anbetet. Es ist die älteste heute bekannte Zeichnung, die ihren Spott mit den Christen treibt – und sie erinnert durchaus an heutige „Titanic“-Titelbilder.

Blasphemie, also Gotteslästerung, wird gerade wieder heiß diskutiert – weil der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick gefordert hatte, sie unter Strafe zu stellen. Schick spricht von einem „Gesetz gegen die Verspottung religiöser Werte und Gefühle“, genau genommen also nicht von Gotteslästerung. Seit der Aufklärung hat sich in Europa die Ansicht durchgesetzt, dass der unendliche Gott – so es ihn denn gibt – von der „Ameise Mensch“ überhaupt nicht beleidigt werden kann. Seitdem geht es in der Debatte meist nicht mehr um die Gefühle Gottes, sondern um die Gefühle der an Gott glaubenden Menschen.

„Die Zensur verfeinert den Stil“

In den deutschen Feuilletons läuft die Blasphemie-Debatte schon seit mehreren Wochen. Entfacht hat sie der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Martin Mosebach. In einem Beitrag für die „Berliner Zeitung“ hatte der bekennende Katholik die These aufgestellt, dass es dem „sozialen Klima“ und auch der Kunst dienen würde, wenn Gotteslästerung unter Strafe gestellt würde. Seine Begründung: Wenn der Staat das Gewaltmonopol beanspruche, dann habe er auch die Pflicht, die Ehre seiner Bürger zu schützen – und dazu gehöre, ihn vor der Verletzung seiner religiösen Gefühle zu bewahren.

Was die Kunst betrifft, so argumentiert Mosebach, die Beschränkung der künstlerischen Freiheit habe in der Vergangenheit oft zu kreativen Höchstleistungen angespornt, nach der Devise „Die Zensur verfeinert den Stil“. „In diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass ich unfähig bin, mich zu empören, wenn in ihrem Glauben beleidigte Muslime blasphemischen Künstlern – wenn wir sie einmal so nennen wollen – einen gewaltigen Schrecken einjagen.“ Es war vor allem dieser Satz, der massive Kritik auslöste, weil er vielen nach einer Entschuldigung von Gewalt klang.

Die meisten Publizisten, die auf Mosebach reagierten, widersprachen ihm denn auch. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ende erst, wenn es um Gewaltaufrufe, Störung des öffentlichen Friedens oder Volksverhetzung gehe, so der Tenor. Alles andere müsse der Gläubige in einer freiheitlichen Demokratie aushalten. Der Philosoph Robert Spaemann gab allerdings in der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“ zu bedenken, dass es auch heute noch ein Thema
gebe, über das man sich nicht lustig machen dürfe, ohne Strafverfolgung zu riskieren: „Der Völkermord an den Juden in Europa ist seit den siebziger Jahren in eine quasi sakrale Ebene erhoben worden.“

 Schrille Protestaktion

Einer der überzeugendsten Einwände gegen ein Blasphemie-Verbot ist sicherlich der, dass ein solches Gesetz irgendwann zu politischen Zwecken missbraucht werden könnte. Als abschreckendes Beispiel erscheint der Moskauer Prozess gegen die Punkband „Pussy Riot“, die in der Erlöserkathedrale gegen Präsident Wladimir Putin protestiert hatte und nun wegen „Rowdytums aus Motiven des religiösen Hasses“ vor Gericht steht.

Eine schrille Protestaktion wie diese hätte allerdings auch im Kölner Dom Konsequenzen. Zwar käme man dafür kaum ins Gefängnis, aber eine Anzeige wäre sicher und eine Geldstrafe wahrscheinlich. „Die Würde des Doms zwingt uns, dagegen vorzugehen“, sagte Dompropst Norbert Feldhoff der Nachrichtenagentur dpa. Der Straftatbestand wäre in diesem Fall „Störung einer religiösen Stätte“.

Die Blasphemie-Debatte ist nach der Diskussion zum Beschneidungsverbot schon die zweite über ein religiöses Thema in nur wenigen Wochen. Dabei drängt sich zuweilen der Eindruck auf, dass die Gläubigen auf der einen und die Ungläubigen und Gleichgültigen auf der anderen Seite kaum noch Berührungspunkte haben. Die Religionen der Christen, der Juden und der Muslime erscheinen vielen Bürgern heute wohl ähnlich exotisch wie die Götter der Maya.

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