Volksbegehren für Bienen: "Keine Zeit mehr für Freiwilligkeit"

29.1.2019, 05:31 Uhr
Den Initiatoren des Volksbegehrens geht es nicht um kitschige Blümchen-Fantasien, sondern um knallharte Vorgaben zu Schnittzeitpunkten, Pestizideinsatz oder verpflichtenden, fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen.

© Ralf Hirschberger (dpa) Den Initiatoren des Volksbegehrens geht es nicht um kitschige Blümchen-Fantasien, sondern um knallharte Vorgaben zu Schnittzeitpunkten, Pestizideinsatz oder verpflichtenden, fünf Meter breiten Gewässerrandstreifen.

Frau Becker, Ihr Gesetzentwurf enthält sehr viele Details, von Flächenquoten für Öko-Landwirtschaft über Schnittzeitpunkte für Grünland bis hin zu Gewässerrandstreifen wird vieles festgelegt. Warum wollen Sie die Landwirtschaft bis ins Detail reglementieren, wie Ihnen die Bauern nun vorwerfen?

Agnes Becker: Wir hätten sogar gern noch mehr gemacht. Aber bei einem Volksbegehren darf man nur ein einzelnes Gesetz ändern, in diesem Fall eben das Bayerische Naturschutzgesetz. Es gilt außerdem der Finanzvorbehalt, die Änderungen dürfen also nichts kosten. Wir haben uns deshalb lange mit Juristen, Artenschutz-Experten und auch Bauern beraten und versucht, ein möglichst großes Maßnahmenbündel zu schnüren. Wir können letztendlich aber nur die Richtung und die Ziele festlegen. Umsetzen muss es dann die Staatsregierung und ihr Verwaltungsapparat.

Die Detailfülle ist aber auch problematisch. Wenn ich nur gegen eine dieser Maßnahmen bin, muss ich ja eigentlich das ganze Volksbegehren ablehnen.

Becker: Die Staatsregierung hat die Möglichkeit, wenn es zu einem Volksentscheid kommt, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, in dem sie einzelne Punkte übernimmt und andere ändert. Dann können die Bürger selbst entscheiden, was sie für sinnvoller halten. Fakt ist aber: Wenn wir das Volksbegehren nicht angestoßen hätten, hätte sich gar nichts bewegt.

 

Hehre Ziele im Umwelt- und Klimabereich gibt es viele. Ein Großteil davon wird aber nicht erreicht. Was passiert denn, wenn Ihr Vorschlag zum Gesetz wird, aber die Ziele verfehlt werden?

Becker: Wir fordern von der Staatsregierung einen jährlichen Statusbericht. Sie muss im Landtag erklären, welche Ziele erreicht und welche aus welchen Gründen verfehlt wurden. Der Freiwilligkeitsideologie im Naturschutz muss ein Ende gemacht werden. Sie hat uns zu einem dramatisch großen Artensterben gebracht. Der größte Artenschwund ist in der Agrarlandschaft zu beobachten, dort muss die Wende her. Für Freiwilligkeit haben wir jetzt keine Zeit mehr.

Sie fordern einen Anteil der ökologischen Landwirtschaft an den landwirtschaftlich genutzten Flächen von 30 Prozent bis 2030. Bis 2025 sollen es 20 Prozent sein. Der Bauernverband ist der Meinung, damit würde der Markt für solche Produkte ruiniert werden, kleine Betriebe würden zuerst zugrunde gehen.

Becker: Über solch eine Argumentation kann ich nur den Kopf schütteln. Hat denn das, was die Politik die letzten Jahrzehnte gemacht hat, die kleinen Bauern geschützt? Wohl kaum. Wir haben in den letzten Jahrzehnten ein Höfesterben erlebt wie nie zuvor. Wir wollen mit unserem Gesetz der Landwirtschaft eine Perspektive eröffnen. Diejenigen sollen in Zukunft am besten bezahlt werden, die für das Gemeinwohl, für die Natur, für unsere Lebensgrundlagen am meisten Leistungen bringen.

Wie wollen Sie es schaffen, dass nicht nur die Flächen, sondern auch die Absatzmärkte für Bio-Produkte so schnell wachsen?

Becker: Der Staat ist selber Einkäufer im großen Stil, das wird gern verschwiegen. Er hätte ein riesiges Potenzial an Abnehmern bei Behörden, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten. Wenn ich so ein Ausbauziel bei den Öko-Flächen im Hinterkopf habe, muss ich natürlich auch als Staat meine Einkaufsentscheidungen überdenken. Österreich hat dadurch schon heute einen Öko-Anteil von 27 Prozent erreicht.

Agnes Becker (38) ist Landesbeauftragte für das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“. Zuvor war die Niederbayerin im Landtagswahlkampf bayerische Spitzenkandidatin der ÖDP, für die sie auch im Passauer Kreistag sitzt.

Agnes Becker (38) ist Landesbeauftragte für das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“. Zuvor war die Niederbayerin im Landtagswahlkampf bayerische Spitzenkandidatin der ÖDP, für die sie auch im Passauer Kreistag sitzt. © Stefan Hippel

Wie groß wird der Aufwand für die Bauern, wie schwierig ist die Umstellung?

Becker: Wie gesagt: Wir wollen die Bauern für ihre Gemeinwohlleistungen entschädigen. Beispielsweise für die Leistung, auf zehn Prozent des Grünlandes nicht vor dem 15. Juni zu mähen. Es geht darum, kleine Flächen zu schaffen als Rückzugsgebiete für Insekten und Vögel. Für Ertragsausfälle kann und muss es dann natürlich Geld vom Staat geben.

Blühstreifen zum Beispiel gibt es schon etliche. Was bringen diese, wenn direkt daneben großflächig Glyphosat gesprüht wird?

Becker: Ganz entscheidend für den Artenschutz ist das Grünland. Jetzt haben wir oft eine grüne Wüste, da kommt fast nichts zum Blühen oder zur Samenbildung, das wird alles vorher schon siliert. Wir brauchen aber auch für eine funktionierende Landwirtschaft die Insekten als Bestäuber. Also müssen wir es ihnen ermöglichen zu überleben. Unser Gesetzentwurf soll eine Lebensversicherung für die Artenvielfalt werden.

Sie haben zuletzt Tiermedizin studiert, sind aber auch Nebenerwerbslandwirtin. Welche Erfahrungen haben Sie selbst auf Ihren Flächen mit dem Artenschwund gemacht?

Becker: Wir haben ja nur fünf Hektar Grünland und acht Hektar Wald. Zwei unserer Flächen mähen wir erst ab dem 1. Juli, eine ist im Vertragsnaturschutzprogramm und wird sogar erst ab 1. September gemäht. Wir haben die Flächen vor 20 Jahren übernommen. Vorher wurden sie ganz konventionell bewirtschaftet und Kunstdünger und Gülle ausgebracht. Wir haben dann sofort mit dieser Art der Düngung aufgehört und nur im Herbst Mist ausgebracht. Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis ein Wandel in der Pflanzengesellschaft erkennbar war. Heute kann man dort wieder Pflanzen wie früher für einen Muttertagsstrauß finden: Margeriten, Glockenblumen, Hahnenfüße, Wiesenschaumkraut.

Die ÖDP war schon mit den Volksbegehren zur Abschaffung des bayerischen Senats und zum Nichtraucherschutz erfolgreich. Jetzt also der Artenschutz. Nutzt die Partei ganz bewusst dieses Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen? Bei der Landtagswahl im Oktober haben sie ja nur 1,6 Prozent erreicht.

Becker: Wir haben bei der Wahl einen außerparlamentarischen Oppositionsauftrag bekommen. Wir packen wichtige Themen an, die im Landtag nicht umgesetzt werden. Mit diesem Volksbegehren realisieren wir ein gemeinwohlorientiertes Ziel, das ÖDP-Gründungsmotiv, den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Noch bei keinem unserer Volksbegehren war dermaßen viel Herzblut dabei. Vielleicht ist das so ein bisschen unsere Rolle: der außerparlamentarische Stachel.

Zum das Volksbegehren zu unterstützen, kann man sich vom 31. Januar bis zum 13. Februar im Rathaus seines Wohnorts eintragen. Dabei muss ein gültiger Ausweis gezeigt werden. Eine Million Bayern müssen unterschreiben, damit das Volksbegehren Erfolg hat und ein Volksentscheid kommt. Die Eintragungsorte stehen unter https://rathausfinder.volksbegehren-artenvielfalt.de

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