Vor 50 Jahren: Das gewaltsame Ende des Prager Frühlings

20.8.2018, 06:00 Uhr
In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten unter jeglicher Missachtung der Völkerrechte Truppen des Warschauer Pakts unter Führung der UdSSR in der Tschechoslowakei ein und beendeten den "Prager Frühling" mit Waffengewalt.

© dpa In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten unter jeglicher Missachtung der Völkerrechte Truppen des Warschauer Pakts unter Führung der UdSSR in der Tschechoslowakei ein und beendeten den "Prager Frühling" mit Waffengewalt.

Als sich am 21. August 1968 die Nachricht herumspricht, dass am frühen Morgen sowjetische Panzer nach Prag eingerollt sind, bäumen sich die Tschechen noch einmal auf. Sie verdrehen Wegweiser an den Straßen, damit die fremden Soldaten nicht auf die zentralen Plätze finden. Sie parken einen Militärflughafen zu, damit keine Maschinen mit weiteren Soldaten mehr landen können

Kampflos wollten sie ihre Freiheit nicht aufgeben, die sie sich in den Monaten zuvor erobert hatten: Der Prager Frühling, das waren Reformversuche der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, die Menschen weit über das Land hinaus die Hoffnung auf einen anderen Kommunismus gaben - auf einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", wie damals das Schlagwort hieß. Auf eine Politik ohne Unterdrückung, ohne Zensur, ohne politische Verfolgung.Nachdem im März die Zensur abgeschafft worden war, hatte sich innerhalb kurzer Zeit eine kritische Öffentlichkeit gebildet. Aber dass sie keine Chance haben würden gegen die militärische Übermacht, ahnten die Tschechoslowaken schon früh. Während die Menschen über einige Monate hinweg regelrecht aufgeatmet hatten angesichts des politischen Tauwetters, wurde es den Kommunisten in Moskau schnell zu bunt.

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 schließlich begannen Truppen des Warschauer Paktes mit der Besetzung des Landes - der Frühling war zu Ende.  Die Welle der Veränderungen ergriff auch das kommunistische Regime. Als im Januar 1968 der Reformer Alexander Dubcek das Amt des kommunistischen Parteichefs übernahm, stieß er weitreichende Liberalisierungen an, unter anderem in der Wirtschaftspolitik. Weniger Doktrin und Staatsbevormundung, mehr Eigenverantwortung - so ließ sich der Kern der Reformen beschreiben. "Es wurde immer klarer, daß eine erfolgreiche Wirtschaftsreform nicht ohne politische Veränderungen durchführbar war", erinnerte sich später Eduard Goldstücker. „Allmählich wurde die zentrale Idee des Prager Frühlings sichtbar: der Versuch, dem Land die Möglichkeit zu geben, wie ein Staatswesen des 20. Jahrhunderts zu funktionieren.

Das konnte der damaligen sowjetischen Führung, die unfähig war, sich der primitiven stalinistischen Abwegigkeiten zu entledigen, nicht genehm sein. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Reformbewegung setzte die lange Phase der sogenannten "Normalisierung" ein - jene, die zu den tristesten in der kommunistischen Herrschaftszeit zählt. Eines aber ist geblieben: das Ideal von einem freien Leben, das die Tschechen und Slowaken einige Monate lang kosten konnten. "Unsere Generation hat 1968 das erste und einzige Mal erlebt, dass man wirklich in Freiheit leben kann", sagte der Prager Philosophie-Professor Jan Sokol später. Er war damals 33 Jahre alt. Für die weitere Geschichte der Tschechoslowakei und vor allem für den Fall des Eisernen Vorhangs sei das Jahr 1968 ein wichtiger Wegbereiter gewesen: "Diese Erfahrung der Freiheit ist etwas ganz Entscheidendes." 

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