Warum Deutschland sich keine Funklöcher leisten darf

18.10.2017, 05:57 Uhr
Auch in Städten ist das Netz oft nicht ausreichend. Während unserer Aktion "Achtung, Funkloch" wurden auch in urbanen Gebieten zahlreiche Mängel im Netz gemeldet.

© Thalia Engel Auch in Städten ist das Netz oft nicht ausreichend. Während unserer Aktion "Achtung, Funkloch" wurden auch in urbanen Gebieten zahlreiche Mängel im Netz gemeldet.

Ruhe kann etwas Wunderbares sein. Handy aus, ab in die Natur — ich weiß diese Momente wirklich zu schätzen. Dennoch bin ich froh über die Wahlfreiheit, mit der ich entscheide, ob ich mein Handy nutzen kann oder eben nicht.

Damit geht es mir anders als den über 3000 Menschen, die diese Freiheit nicht haben. So viele Teilnehmer haben sich alleine bei unserer Aktion "Achtung Funkloch" gemeldet. Sie stehen stellvertretend für die Menschen in Deutschland, deren Versorgung für Netzanbieter nicht lukrativ genug ist.

Bis 2018, so war die Vereinbarung, müssen die Provider 98 Prozent aller Haushalte mit dem Qualitätsstandard LTE versorgen; die Folge: In dicht besiedelten Städten wurde aufgerüstet, das Land links liegen gelassen.

Wer Stadtgrenzen verlässt, den verlässt in Deutschland schnell das Netz. "Schön", kommentiert da mancher, wie entspannt es auf dem "idyllischen Land" doch sei, einfach mal nicht für alle erreichbar zu sein. So können vermutlich nur Menschen denken, die Funklöcher nur gelegentlich bei Ausflügen streifen und nicht in einem wohnen.

Metropolisierung: Die Jugend zieht dem Netz hinterher

Wenn wir die Netzabdeckung in Deutschland von der Rentabilität für Mobilfunkunternehmen abhängig machen, lassen wir all die Funkloch-Bewohner im Stich, die alleine gegen die Mobilfunk-Riesen keine Chance haben: Menschen, die ihre Wohnung nicht vermietet bekommen ("Wer will schon im Funkloch wohnen") und Angst haben, dass die Jugend aus den Dörfern abwandert, Kleinunternehmer und Handwerker, die verzweifeln, weil sie für ihre Kunden keine Erreichbarkeit gewährleisten können. Die miserable Breitbandversorgung in vielen Orten kommt erschwerend hinzu.

Natürlich ist ein Überleben auch ohne Handy möglich — und es ist nicht nur für die physische als auch die psychische Gesundheit durchaus sinnvoll, immer wieder zu überdenken, ob man gerade wirklich sein Handy braucht oder es nur aus Gewohnheit zur Hand nimmt. Dennoch sollte das jeder für sich entscheiden können.

Deutschland verschläft digitale Chancen

Funklöcher sind kein Luxusproblem. Sie sind ein Symptom einer problematischen Entwicklung. Es geht um abgehängte Regionen, um die in Städten konzentrierte Infrastruktur und Wirtschaft — das Umland bleibt dabei außen vor. Dabei geht es nicht nur um den einzelnen Bewohner, sondern um viel mehr. Deutschland ist im digitalen Sektor ein Entwicklungsland. Dabei ist längst klar, dass schnelles (oder überhaupt) Internet ein Standort- und Wirtschaftsfaktor ist, der in Zukunft noch weit wichtiger werden wird.

Blicken wir in die Zukunft, sehen wir — und das ist nur eines von vielen Beispielen — selbstfahrende Autos. Dass die Automobilnation Deutschland solche Visionen mitgestalten kann, wenn das Netz noch nicht einmal für ein Telefonat ausreicht, ist unvorstellbar.

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