Warum Diebe immer wieder bei Optikern einsteigen

30.6.2016, 06:00 Uhr
Warum Diebe immer wieder bei Optikern einsteigen

Als Eva-Maria Trummer im April vergangenen Jahres die Tür zu ihrem Laden in der Erlanger Innenstadt aufschließt, trifft sie fast der Schlag. Die Regale, in denen die 24-Jährige Hunderte hochwertige Brillengestelle ausstellt, sind komplett leergeräumt. In nur einer Nacht verliert die junge Unternehmerin 80.000 Euro. Fast 1000 Brillen nehmen die Unbekannten mit.

Damit Kunden nicht abspringen und wieder schleunigst Geld in die Kasse kommt, ruft Trummer noch am selben Tag verschiedene Handelsvertreter an. Sie sollen ihr so schnell wie möglich neue Modelle vorbeibringen. Als die junge Frau ihnen vom Einbruch berichtet, sind die Vertreter keineswegs überrascht. Die Geschichte von einem Einbruch hätten sie schon des Öfteren gehört. Trummer ist also kein Einzelfall.

Im Vergleich zu einem Einbruch in ein Haus oder eine Wohnung ist für Diebe ein Optikergeschäft lukrativer – besonders wenn sich diese, wie es Eva-Maria Trummer getan hat, auf hochwertige Brillengestelle spezialisiert haben. Eine Fassung kostet bei ihr im Durchschnitt 100 Euro. Für eine aus Holz kann der Kunde auch 700 Euro ausgeben.

Geschäfte lassen sich getarnt als Kunden leicht ausspionieren

In einem Optikergeschäft sind ein paar Tausend Euro Diebesgut daher schnell zusammen – und das ohne viel Aufwand. Es müssen weder Schränke noch Schubladen durchwühlt werden, um Gegenstände zu finden, die sich zu Geld machen lassen. Und: Im Gegensatz zu einem Haus weiß der Dieb, was das Innere eines Ladens bereithält. Ein Blick ins Schaufenster genügt – oder ein Besuch des Geschäfts inkognito als Kunde, der nach einer neuen Brille Ausschau hält.

Beim Landesinnungsverband des bayerischen Augenoptiker-Handwerks ist das Problem der Einbrüche längst bekannt. Man warne die Kollegen immer wieder, die Einbruchsicherheit der Geschäfte zu erhöhen und die Versicherungen zu aktualisieren, erklärt Hans Hopf, Geschäftsführer des Verbands.

Bereits nach einer kurzen Recherche in der Datenbank der bayerischen Polizei finden sich mehrere Fälle, in denen Optikerläden ausgeraubt wurden. Im Februar 2016 stiegen Einbrecher in ein Optikergeschäft in Amberg ein. Sie erbeuteten Brillen im Wert von mehreren zehntausend Euro. Im gleichen Monat nahmen Diebe aus einem Geschäft in Kulmbach "mehrere hundert Brillengestelle und Sonnenbrillen namhafter Marken" mit, heißt es im Polizeibericht. Der Schaden betrug annähernd 100.000 Euro.

Im März erwischte es einen Optiker in Lichtenfels. Hier stahlen Unbekannte Brillen im Wert von mehreren tausend Euro. Die zuständige Polizei teilte mit, dass Spezialisten Parallelen "zu einem gleichgelagerten Fall im Februar in Kulmbach sowie weiteren Fällen in Bayern und im Bundesgebiet" prüfe. Im Mai 2015 musste ein Regensburger Optiker feststellen, bestohlen worden zu sein. Der Schaden lag im sechsstelligen Bereich.

Warum Diebe immer wieder bei Optikern einsteigen

© Archivfotos: Harald Sippel

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Mittelfranken wurde in den Jahren 2014 und 2015 in vier Fällen versucht, in Optikergeschäfte in der Region einzubrechen. Während drei im Versuchsstadium steckenblieben, waren Diebe in Erlangen – hier im Geschäft von Eva-Maria Trummer – erfolgreich.

30 gestohlene Brillen im Handgepäck

Hans Hopf vermutet hinter den Taten ausländische Banden, die ganz gezielt Geschäfte auskundschaften und auf Bestellung ausrauben". Die Ware reise dann in den Osten oder Südosten Europas.

Hopfs Theorie von der Herkunft der Täter deckt sich mit Polizeiberichten. So stoppten bayerische Fahnder Anfang Januar 2016 auf der A8 nahe dem oberbayerischen Bad Feilnbach einen rumänischen Linienbus. Im Gepäck eines 30-jährigen Rumänen fanden sie 30 gestohlene Sonnenbrillen der obersten Preisklasse – Hugo Boss und Ray Ban – im Wert von rund 5000 Euro. Ende 2015 nahm die Polizei einen 40-jährigen Münchner fest. In der Wohnung des Mannes, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt, wurden etwa 1000 neu- und hochwertige Sonnenbrillen und Brillengestelle gefunden.

2010 überprüften Schleierfahnder auf der A8 Richtung Salzburg ein Auto mit rumänischem Kennzeichen. In zwei Sporttaschen hatten dessen Insassen 600 Brillen versteckt. Weil an diesen noch die Preisetiketten klebten, konnte die Polizei den Verkaufswert schätzen. Er lag bei mehr als 100.000 Euro.

Im Polizeipräsidium Mittelfranken will man sich auf die Theorie der ausländischen Banden nicht festlegen. Da bislang keine Tatverdächtigen ermittelt wurden, die hinter den Einbruchsversuchen und dem Einbruch in der Region stecken, seien Aussagen über den oder die Täter "nicht möglich".

Dass vor allem hochwertige Brillenfassungen und Sonnenbrillen gestohlen werden hat einen einfachen Grund, erklärt ein Sprecher des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen. Markenfassungen und Sonnenbrillen würden den höchsten Wiederverkaufswert versprechen. "Der Beschaffungswert liegt im Falle von Diebstahl ja bei allen Fassungen gleichermaßen bei 0 Euro."

Haben die Brillen die Landesgrenze verlassen, gibt es wenig Hoffnung für die Optiker ihre Ware jemals wiederzusehen. Denn nur hochwertige Brillenfassungen enthalten eine Seriennummer. Damit können die Hersteller feststellen, an wen die Fassung geliefert wurde. "Dies ist jedoch nur von Bedeutung, wenn die Fassung wieder bei einem deutschen Augenoptiker auftaucht", erklärt Hans Hopf vom Landesinnungsverband des bayerischen Augenoptiker-Handwerks.

Eva-Maria Trummer hat nach dem Vorfall unter anderem in eine Alarmanlage und eine Überwachungskamera investiert. Sie will nicht noch einmal morgens in einem leergeräumten Geschäft stehen.

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