Die Sprache wird immer roher

18.1.2018, 09:30 Uhr
Die Sprache wird immer roher

© Jürgen Leykamm

Viele fragten sich bei einer solchen Wortwahl, „wie gehen die eigentlich miteinander um?“ Solch zweifelhafte Umgangsformen nähmen immer breiteren Raum im gesellschaftlichen Dis­kurs ein und machten auch vor den Schultüren nicht halt. Vor allem beim Thema „Flüchtlinge“, wie Fleischmann beim Bildungsforum im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum (EBZ) bedauerte. Da fielen teilweise „garstige Äußerungen“, deutsche Eltern drängten darauf, dass dem eigenen Kind „Mathematik beigebracht wird statt dem Ausländer Deutsch“.

Manchmal könne man sich vor diesem Hintergrund schon fragen, ob die Integration Geflüchteter überhaupt gesellschaftlich gewollt werde. Zumindest aber sei es für Lehrer unter solchen Umständen schwer, die vielbeschworene Vielfalt auch zu leben. Doch als Pädagoge sei man andererseits aber „geboren zum Optimismus“.

Deswegen steuert der BLLV seit einiger Zeit gegen diese Entwicklung, dessen gewahr, dass auch das Schul­leben „weit über das Klassenzimmer hinaus wirkt“. So könne man die Schule als eigene Wirkungsstätte dafür nutzen, „zukünftige Demokraten auszubilden“, erklärte die Referentin, die auf das vom Verband erstellte Manifest „Haltung zählt!“ verwies: „Diese Verrohung des Umgangs miteinander wirkt sich auch auf unsere Kinder und Jugendlichen aus. Als Lehrerinnen und Lehrer, die täglich mit allen Kindern und Jugendlichen dieser Gesellschaft arbeiten, sehen wir uns deshalb in der Pflicht, auf diese Entwicklung hinzuweisen und ihr entgegenzuwirken.“

So heißt es in dem Papier, dass aber nicht nur auf Gegenliebe gestoßen sei, wie die Präsidentin einräumte. Überhaupt sei es sehr beängstigend, wie die Bereitschaft zu psychischen und sogar physischen Gewalttaten zunehme – gegenüber Lehrern und anderen. Wohin das führt? „Unsere Demokratie wackelt“, fürchtet Fleischmann. Deswegen steht sie nicht nur für eine Sprachsensibilisierung an der Schule ein, sondern dort auch für ein verstärktes „Leben von demokratischen Prozessen“ – von Planspielen etwa zur Energieversorgung vor Ort bis hin zu Klassenbesuchen in Gemeinderäten. Es brauche auch eine Stärkung der kritischen Medienkompetenz. Natürlich seien etwa bei Facebook immer alle der eigenen Meinung – aber eben nicht, weil sie die allein richtige sei, sondern weil Algorithmen dafür sorgten.

Die so wichtige Gesprächskultur werde nicht ausreichend vermittelt, setzte in seiner Kritik sinngemäß der Treuchtlinger Grundschulrektor Herbert Brumm noch eins drauf. Letztlich läge es aber ohnehin an der einzelnen Lehrerpersönlichkeit, sprachlichen Grenzüberschreitungen an den Schulen nachzugehen. Allgemeingültige Maßstäbe gäbe es hier nicht, so Fleischmann. Sobald Wörter verletzend eingesetzt würden, sei aber das Ende der Fahnenstange erreicht.

Sage etwa ein Jugendlicher zum anderen „Spasti“, könne dies durchaus kumpelhaft gemeint und Teil der Jugendprachkultur sein. Falle der gleiche Begriff gegenüber einem autistischen Kind, sei dies natürlich völlig inakzeptabel. Allerdings läge bei der jungen Generation auch nicht die Ursache des Problems. Es gäbe „keine Verrohung der Jugendsprache“, so habe es ihr einmal ein Sprachwissenschaftler verdeutlicht, erläuterte die Referentin. Vielmehr adaptierten Kinder und Jugendliche den Sprachgebrauch ihres Umfelds.

„Repräsentanten der Rechtspopulis­ten und Rechtsextremen“ würden letztlich zur Verrohung des Umgangs miteinander maßgeblich beitragen, glauben die Verfasser des Manifests. Das wollte ein Forumsteilnehmer nicht unkommentiert lassen. Man müsse sich nicht wundern, wenn solche Strömungen sich immer lauter Gehör verschaffen, wenn eine „Kanzlerin vieles einfach durchwinkt“. Zumindest in der Wahrnehmung leidet darunter letzten Endes die Demokratie.

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