Ein Theaterprojekt will eine ganze Stadt erobern

14.7.2018, 06:33 Uhr
Ein Theaterprojekt will eine ganze Stadt erobern

© Wolf Ebersberger

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie nun nicht mehr in einem schicken Staatstheater stehen, sondern bald in Weißenburg im Wald?

Georg Schmiedleitner: Die Anfrage kam über Franzobel. Bei mir sind dann aber schon die Sensoren angegangen, weil wir beide zusammen ja sowas Ähnliches in Hausruck in Österreich schon mal sehr erfolgreich gemacht haben. Ausschlaggebend war aber für mich, dass ich eine Sehnsucht hatte, wieder was an der Basis zu machen. Direkt mit den Menschen, der Bevölkerung einer Region zusammenzuarbeiten.

Gefällt es Ihnen an den großen Häusern denn nicht? Sie waren in den meisten ja schon als Regisseur tätig.

Schmiedleitner: Staatstheater, Wiener Burgtheater, Dresdner Oper, das ist alles großartig, aber es ist halt auch ein Elfenbeinturm. Es ist etwas Elitäres Abgehobenes und hat mit dem echten Leben nicht immer etwas zu tun. Wir müssen da immer wieder auch raus, wir wollen ja die Wahrheit sehen.

Das Weißenburger Theaterprojekt will die Wahrheit über eine ganze Stadt herausfinden. Das wird nicht nur lustig werden für die Weißenburger, oder?

Schmiedleitner: Nein, sicher nicht. Die Wahrheit ist ja meistens nicht nur schön. Wenn man in den Spiegel schaut, sieht man auch das Verzerrte, das Erlebte, das, was man sich selbst vielleicht lieber nicht eingesteht. Wenn man sich dem stellt, ist das nicht nur angenehm, aber es schärft das Bewusstsein für die eigene Geschichte, und das ist etwas sehr Wichtiges.

Wer geschichtslos ist, der ist in gewisser Weise auch gesichtslos.
Das klingt pädagogisch wertvoll, aber auch ein wenig anstrengend.

Schmiedleitner: Keine Sorge, man darf sich das nicht als große Geschichtsstunde vorstellen. Ich bin bekannt dafür, in großen, schnellen Bildern zu arbeiten. Wir werden die Leute mitnehmen auf eine fantastische Reise in den Geschichtswald Bergwaldtheater. Auf einen irren Sommernachtstraum, in dem die Geister und Elfen der Weißenburger Historie unterwegs sind. Das wird bizarr, das wird böse, das wird manchmal auch komisch, vielleicht sogar lustig und immer wieder auch erschreckend sein. Es wird viel Action geben, buntes Treiben, Chöre, Musiker …

Das hört sich so an, als ob Sie ziemlich viel Manpower auf der Bühne brauchen. Bei Ihrer Vorstellung im Weißenburger Stadtrat haben Sie gesagt, dass jeder, der mitspielen will, auch eine Rolle bekommt. Ist das Ihr Ernst?

Schmiedleitner: Warum nicht? Ich komme als Regisseur aus der freien Szene und ich habe immer viel mit Laien zusammengearbeitet. Ich bin überzeugt, dass jeder einen theatralischen Impetus in sich hat und ich kann diesen sehr gut in Leuten erkennen. Wer bei uns mitmachen will, muss sich etwas Zeit nehmen, bereit sein, an sich zu arbeiten, und dann werden wir eine Aufgabe für ihn finden. Wir brauchen Musiker, wir brauchen Sänger, wir brauchen Chöre, wir brauchen Statisten, wir brauchen Schauspieler …

Um Himmels Willen! Wie viele Köpfe soll Ihr Ensemble denn zählen?

Schmiedleitner: Ich erträume mir das schon so, dass da 70, 80, 90 Menschen dazugehören. Und erfahrungsgemäß bildet sich dann bald eine Gemeinschaft, die für dieses irre Theaterprojekt brennt. Darauf freue ich mich auch sehr. Das Gemeinschaftliche kommt in unserer Welt eh zu kurz. Jeder wurschtelt allein vor sich hin, da ist das eine wunderbare Chance, gemeinsam an einer großen Sache zu arbeiten.

Stimmt es, dass eine Ihrer ersten Fragen die nach einer Kneipe als Hauptquartier für das Theaterprojekt war?

Schmiedleitner: Nicht die allererste, aber sie kam schon recht am Anfang. Das ist ganz wichtig, dass es da einen Ort gibt, wo sich die Beteiligten treffen, wo diese Gemeinschaft auch entstehen kann, wo man nach den Proben zusammensitzt, redet und plant.

Wenn Ihr fast 100-Mann-Ensemble mehrere Wochen in Weißenburg proben wird, dann dürfte das kaum unbemerkt an der Stadt vorübergehen.

Schmiedleitner: Ja, das hoffe ich doch. Wenn eine bunte Theatertruppe einfällt, dann sollte das die Stadt schon auch mitbekommen. Es ist auch wichtig, dass die Menschen die Begeisterung für diese Festspiele spüren und sie dann selbst annehmen.

So arg viel Zeit ist gar nicht mehr. In rund einem Jahr soll die Premiere sein. Wie sieht der Zeitplan aus?

Schmiedleitner: Im Moment wird das Franzobel-Stück in den Details bearbeitet und auf die Umsetzung im Bergwaldtheater konkretisiert. Im Juli wird es eine Auftaktveranstaltung für alle Interessierten geben, die Lust haben, sich zu beteiligen. Und dann werden wir noch in diesem Jahr das Stück in einer öffentlichen Veranstaltung vorstellen. Im April 2019 werden dann die Proben beginnen. Erst langsam und dann in einem stetig steigenden Rhythmus, bis es im Juni richtig intensiv wird.

Geplant sind ja acht bis zehn Aufführungen im Bergwaldtheater. Die werden unmöglich alleine mit Menschen aus der Region voll. Kommen für ein solches Theaterprojekt die Menschen aus Nürnberg raus aufs Land?

Schmiedleitner: Ich glaube schon. Ich denke, dass ich dort auch mit meinem Namen dafür stehe, dass das etwas ist, was man sich ansehen muss. Wir machen auch kein klassisches Sommertheater, sondern wirklich etwas ganz anderes. Das wird hier kein Faust und kein Sommernachtstraum, die man in Deutschland jedes Jahr hundertfach zu sehen bekommt. Dieses Stück gibt es nur in Weißenburg und es wird hier nur ein einziges Mal aufgeführt. Im Juli 2019, wenn im Bergwaldtheater das große Theaterfestival gefeiert wird. Natürlich muss man dafür werben, aber, ja, die Menschen aus der Großstadt werden kommen und sich das anschauen.

Die Rede war von einem oder zwei prominenten Schauspielern als Zugpferde für die Produktion. Wie wichtig ist das?

Schmiedleitner: Vor allem auch für die Vermarktung ist das wichtig. Und ist es immer schön zu sehen, wenn sich solche Prominente dann auch in ein Laienensemble einfinden und da eine Gemeinsamkeit entsteht und sich schöne Geschichten ergeben. Im Moment läuft hier die Suche auf Hochtouren. 

AUFTAKT-VERANSTALTUNG:
Montag, 23. Juli, 19.30 Uhr, Gotisches Rathaus, Weißenburg

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